Chapeau Claque freut sich über eine neue Spielstätte in der alten Seilerei. Damit erweitert der Bamberger Verein seine Aktivitäten im kulturellen und pädagogischen Bereich und verwandelt sich in einen spartenübergreifenden Kulturveranstalter.
Wie in England und später in ganz Europa war auch in Bamberg die Textilindustrie der Schrittmacher der industriellen Entwicklung. Die "Mechanische Baumwollspinnerei und Weberei AG" (später Erba) lag zwar auf Gaustadter Gebiet, wurde aber 1856 von Bamberger Investoren gegründet. Damit war der erste industrielle Großbetrieb der Region aus der Taufe gehoben und zählte bald zu den größten Spinnereien in Deutschland. Ein Mehr an Verarbeitungs- und Veredelungsbetrieben vor Ort war unabdingbar. Dies führte 1885 zur Gründung der "Mechanischen Seilenwarenfabrik AG". Die Fabrik wurde innerhalb von neun Monaten errichtet. Die alte Seilerei.
Für Markus Hörner, der gemeinsam mit Christine Hartnagel Chapeau Claque vor 25 Jahren ins Leben rief, ist mit dem Einzug in die Alte Seilerei ein langer Traum endlich wahr geworden: "Wundervoll. Ein jahrzehntelanger Traum ist in Erfüllung gegangen."
"Wir wollen das, wir machen das und wir schaffen das", sagte Chapeau-Vorstand Nikola Voit in ihrer wohltuend kurzen Begrüßungsansprache. So ganz geschafft ist es freilich noch nicht. "Wie Sie unschwer erkennen können", so der Architekt Wieland Mack, "haben wir seit dem Richtfest von vor vier Monaten alles getan, um diesem Industriedenkmal den Charakter einer Baustelle zu erhalten. Dummerweise hatten wir bei all der Planerei die Garderoben vergessen, aber das hat dann ja auch noch geklappt."
Die alte Seilerei. Eine Baustelle, die eine ganz eigene Magie, einen ganz eigenen Charme entwickelt hat. Ein Zauber, dem sich auch das Publikum ganz schnell kampflos ergab und augenblicklich tributpflichtig wurde. Der Zauber kam nicht einfach mal so eben vorbeigeflogen. Das magische Erlebnis dieses besonderen, großartigen Tages war das Ergebnis harter Arbeit.
Soviel Engagement, und zwar namentlich von den Chapeau-Leuten vor Ort, sei ihm noch auf keiner Baustelle jemals begegnet, so Mack. Der hart gesottene Profi musste fast nach Worten suchen, um diese "Kraftquelle" zu beschreiben. "Das war toll", sagte auch Paul Nega, der selbst mit Martin Klerner, Niko Katsios und vielen anderen Chapeaus mitunter bis an die Grenze körperlicher und mentaler Erschöpfung für die Erfüllung dieses Traums gearbeitet hat. "Besonders in den letzten drei Tagen. Alle haben zugelangt. Alle waren da. Kein Stress. Vor einer Woche sah das hier noch ganz anders aus."
"Dies ist ein guter Tag für die Stadt und ein wichtiger Baustein für die Kultur in Bamberg", sagte Bürgermeister Christian Lange (CSU). Der Kulturreferent verbeugte sich vor dem Mut, mit dem Chapeau 25 Jahre lang diesen Weg gegangen sei. Großen Respekt äußerte auch MdL Heinrich Rudrof (CSU), wie auch Bürgermeister Wolfgang Metzner (SPD) - seit vielen Jahren ein treuer und überzeugter Fan. Steigbügelhalter, die Markus Hörner schon mal helfen, in den Sattel seines nicht mehr ganz so jungen Schimmels zu klettern, um die Prinzessin dann doch noch vor dem bösen Drachen zu retten. Das Böse entsteht überall da, wo die Liebe nicht ausreicht. In der Alten Seilerei hat das Böse keine Chance. "Wir tragen unsere Kindheit in unseren Taschen mit uns", sagte Heidi Lehnert, Vorstand, Produktionsleiterin und Regiesseurin der Chapeau-Winterproduktion "Pinguine können keinen Käsekuchen backen".
"Theater ist ein nachhaltiges Lernerlebnis. Theater sollte auf dem Stundenplan stehen", so Anja Enzenberger, Lehrerin an der Bamberger Martinsschule. Die Theater-AG zu organisieren sei immer schwierig gewesen. Keine Räume, keine Ausstattung und so. "Und jetzt haben wir alles vor der Haustür. Das ist einfach klasse."
Zu den Steigbügelhaltern gehörten an diesem Abend auch die Bamberger Tanzwerkstatt, die Chapeau eine eigens dafür komponierte, mitreißende Inszenierung schenkte, Bernd Wagenhäuser mit nur für Chapeau gestalteten Edelstahlrohr-Zwirnen und "The Instant Voodoo Kit", eine Truppe vollkommen abgedrehter Gypsy-Boys, deren Musik auf den ersten Blick - sie treten maskiert, geschminkt und kostümiert auf - ein wenig gewöhnungsbedürftig erscheint. Aber nur auf den ersten. Zu einem zweiten kommt man gar nicht mehr. Da steht man längst auf der Tanzfläche, da werden auch Großväter oder -mütter wieder munter. Und das Jung-Volk sowieso.
"Ein bisschen verrückt sind sie schon", so Hörner. "Deshalb passen sie ja so gut zu uns."
Und viel Erfolg in den neuen Räumlichkeiten!