Chapeau Claque: Das Abenteuerland an der Regnitz

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Benjamin Bochmann (Hook), Pascal Averibou (Bisschen), Maria Albu (Löckchen), Benjamin Mangelsdorf (Peter Pan) legen sich ordentlich ins Zeug. Foto: p
Benjamin Bochmann (Hook), Pascal Averibou (Bisschen), Maria Albu (Löckchen), Benjamin Mangelsdorf (Peter Pan) legen sich ordentlich ins Zeug. Foto: p
 
 
 
 
 
 
 

Chapeau Claque inszeniert "Peter Pan" am Schiffbauplatz neben der Konzerthalle. Das Ensemble läuft in der Naturkulisse zur Höchstform auf.

"Der triste Himmel macht mich krank, ein schweres, graues Tuch, das die Sinne fast erstickt. Ich will weg, ich will raus, ich will - wünsch mir was. Und ein kleiner Junge nimmt mich an die Hand. Er grinst und sagt: Komm mit - komm mit mir ins Abenteuerland." So, oder so ungefähr, beginnt das "Abenteuerland" von Pur.

So ein Abenteuerland gibt es jetzt auch an der Regnitz. Der Schiffbauplatz neben der Konzerthalle ist nicht wiederzuerkennen. Abenteuerland eben, und zwar ein ganz besonderes, nämlich die Insel Nimmerland. Und einen kleinen Jungen, den kleinen Jungen überhaupt, gibt es da auch - Peter Pan (Benjamin Mangelsdorf ).

Ein guter alter Bekannter. Auf jeden Fall für Chapeau Claque. Mit James Matthew Barries Theaterstück begann vor 25 Jahren die Erfolgsstory des Vereins für kreative Medien und Theaterpädagogik, und setzt sich nun fort - mit der aktuellen Sommerproduktion über die Abenteuer dieses Jungen, der niemals erwachsen werden will.
Wird er auch nicht. Aber er bezahlt dafür einen hohen Preis. Das macht die Inszenierung von Arnd Rühlmann, angelehnt an Erich Kästners Übersetzung des Klassikers, mehr als deutlich, denn wer nun eine weichgespülte Adaption à la Disney erwartet, wird im wahrsten Sinn des Wortes enttäuscht.

"Ziemlich ordinäre" Fee

An der Regnitz ist Tinkerbell, Glöckchen Kesselflicker, eben nicht nur ein ausgesprochen süßes Zauberwesen, sondern verwandelt sich in eine "ziemlich ordinäre", aber vor allem rasend eifersüchtige Fee, die mit einem Höchstmaß an krimineller Energie, kalt und berechnend, den Tod ihrer Konkurrentin Wendy plant, und auch nicht davor zurückschreckt, die völlig unbedarften, ahnungslosen verlorenen Jungs in ihre mörderischen Pläne zu verwickeln. Wer die bezaubernde Susanna Bauernfeind als Wendy erlebt, wird verstehen warum, aber Verständnis dafür kann man natürlich auf gar keinen Fall haben. Anders als bei dem Briten Barrie ist Wendy hier zwar auch ein wohlerzogenes Mädchen, aber durchaus selbstbewusst, abenteuerlustig, neugierig, zupackend (was Hooks Kumpan Smee schmerzlich erfahren muss) und pragmatisch.

Captain James Hook - stimmgewaltig und unglaublich präsent: Benjamin Bochmann - ist einfach nur böse. Möglicherweise erschrickt sich Bochmann vor sich selbst, wenn er sich denn als Hook sehen könnte: grob, brutal, hinterlistig und jähzornig, ein gewissenloser Schurke. Bochmann besorgte auch die Choreographie der fulminanten, actiongeladenen Kampfszenen. Man muss schon genau hinsehen, um ihn auch als George Darling, Wendys Vater, zu identifizieren, einen überaus korrekten, pflichtbewussten Mann, der alles ganz, ganz genau nimmt und sich nur schwer damit abfinden kann dass das Kindermädchen eine Neufundländerhündin ist.

Spiel- und Wortwitz

Glücklicherweise gibt es gegen die menschgewordene Waffe Hook einen deus ex machina. In den alten amerikanischen Western ist das stets die Kavallerie, hier ein tickendes Krokodil. Nachdem das Reptil schon mal ein bisschen was von Hook genascht hat, verfolgt es den Piratenkapitän unermüdlich und unersättlich. Krokodilsbeharrlichkeit, die am Ende belohnt wird.

Und Peter Pan (auch ziemlich akrobatisch - Benjamin Mangelsdorf)? Nur Mord und Totschlag, Intrige und Verrat? Nein. Auch und vor allem Spiel- und Wortwitz, Spaß, Spannung, Humor und Situationskomik, ein wenig Poesie und wohldosierte, dafür umso heftiger ausgetragene Gefechte, getragen von einem blendend auf- und eingestelltem Ensemble.

Maria Albu ist Tiger-Lilly, Mama Darling und Löckchen, einer der jüngeren verlorenen Jungs. Wortkarg, scheinbar emotionslos und kampfbereit, wie es sich für eine Indianerprinzessin gegenüber geschwätzigen Bleichgesichtern gehört. Ebenso wandlungsfähig erweist sich Pascal Averibou, ein schwarzer weißer Mann, der als Schatten, Krokodil, Bisschen und Hooks jovialem Gefolgsmann Smee auftritt, und das richtig gut.

Gut sind sie alle, auch die eigentlichen "Schwarzen". Das sind jene, die im Vorfeld, neben und hinter der Bühne arbeiten. Rolf Böhm zum Beispiel. Ihn allerdings kann man hören, denn er sorgt für den guten Ton. Oder Nikola Voit. Sie selbst ist nicht zu sehen, wohl aber die Produkte ihrer Fantasie - die Kostüme. Oder Nikolaos Katsios. Er drückt im richtigen Moment auf die richtigen Knöpfe. Oder die enorm fleißige Janine Schönefeld, Regie- und Produktionsassistentin. Von ihr stammt auch das Begleitmaterial zur Vor- oder Nachbereitung des Stückes für Lehrer und/oder Erzieher, Schulen oder Kindergärten. Astrid Haas, Marina Esslinger und Christopher Bailey greifen ein, wenn das Premierenteam eine Pause braucht.

Stimmige Kulisse

Das von Menschenwesen erdachte (Olga Seehofer & David Grimm) und von Menschenhand erschaffene Nimmerland (Martin Klerner) schmiegt sich in vollkommener Harmonie in die gegebene Umgebung ein und wird von Wasser, Ufer, Bäumen, Büschen und Unterholz als willkommener Gast umarmt. Dem schlossen sich auch dort heimische Tiere an. Als lebender Beweis für eine gelungene Symbiose zwischen Natur und menschlicher Schöpfungskraft traten bei der Premiere vor den Schauspielern zwei gar nicht schüchterne Enten auf, beschwerten sich über die Riesenmenge schnatternder Zweibeiner und zogen sich gleichfalls schnatternd zurück. Aber nicht lange. Als es dann die belegten Brötchen gab waren sie wieder da.

"Komm mit ins Abenteuerland. Der Eintritt kostet den Verstand" (Pur). Aber nicht in Chapeau Claques Nimmerland, das nach der Vorstellung den Kindern gehörte, nasse Füße inklusive.

Termine Gespielt wird bis 13. September, immer sonntags um 15 Uhr, in den Sommerferien auch samstags um 17 Uhr. Am 22. und 23. August gibt es keine Vorstellungen.

Karten sind an der Tageskasse und im Vorverkauf bei Collibri, BVD und dem Spielwarengigant im Ertl-Zentrum erhältlich. Schulen und Kindergärten können vom 15. Juni bis zum 31. Juli buchen, Montag bis Freitag jeweils um 9 oder 10.30 Uhr, Telefon 0951/39333.