Bamberger Oase: Wie Depression in Bildern gebannt wird

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Martina Zimmermann (Zweite von links) stützt sich bei ihrer Arbeit als Kunsttherapeutin auf ehrenamtliche Helfer wie beispielsweise auch Anja Strobel (links). Rechts neben einer weiteren Ehrenamtlichen Monika H., die wie andere Teilnehmer nicht erkannt werden wollte. Foto: Ronald Rinklef
Martina Zimmermann (Zweite von links) stützt sich bei ihrer Arbeit als Kunsttherapeutin auf ehrenamtliche Helfer wie beispielsweise auch Anja Strobel (links). Rechts neben einer weiteren Ehrenamtlichen Monika H., die wie andere Teilnehmer nicht erkannt werden wollte.  Foto: Ronald Rinklef
Eines der Bilder, die Kursteilnehmer anfertigten.
Eines der Bilder, die Kursteilnehmer anfertigten.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Emotionen lernen Teilnehmer mit dem Pinsel oder der Spachtel in der Hand zu "begreifen". Sie bringen Farbe ins Grau ihres Alltags: In der Werkstatt der Bamberger Begegnungsstätte Oase treffen sich Männer und Frauen mit psychischen Erkrankungen, um miteinander neue Wege zu gehen.

Mit einer Spachtel ritzt Monika H. (Name geändert) feine Linien in eine vor ihr auf dem Tisch liegende Gipsplatte. Schon sind die Umrisse eines Baumes erkennbar - vielleicht einer Weide, die am Wasser steht. Nach und nach kommt Farbe ins Bild . "Ich reise zurück an einen Lieblingsort aus meinem letzten Urlaub und erinnere mich an Menschen, die mir dort begegneten", sagt die Bambergerin, die sich in der Dienstagsgruppe der Oase-Werkstatt gerade mit diversen anderen Teilnehmern trifft. Teilnehmern wie Ulrich Z. und Luzia K., die sich ebenfalls in den Räumen der Kunigundenruhstraße 25 einfanden.

"Jeder Termin beginnt mit einer Begrüßungsrunde", berichtet Martina Zimmermann als Kunsttherapeutin, die das Projekt leitet. Dabei wählt jeder Teilnehmer einen Gegenstand, der in den späteren Gestaltungsprozess einbezogen wird. "Persönliche und andere Themen, die die Menschen bewegen, kommen zur Sprache", meint die Sozialpädagogin.
"Ja, hier können wir uns mit anderen austauschen. Und es tut gut, einen solchen Ort zu haben", sagt Monika H.


Seit April gibt es die Oase-Werkstatt

Erst seit April gibt es die Oase-Werkstatt unweit der Begegnungsstätte an der Luitpoldstraße, die seit vielen Jahren eine Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen ist. "Allerdings stießen wir in den bisherigen Räumen mit unserem Kunstprojekt an Grenzen, während wir in der Kunigundenruhstraße sogar Lagermöglichkeiten für Materialien und Werkstücke haben", so Zimmermann. So gehören neben der Dienstagsgruppe auch eine kunsttherapeutisch angeleitete Frauengruppe, die an jedem zweiten Freitag zusammen kommt, die Offene Werkstatt und der Offene Kreativtreff zu den Kunstprojekt-Offerten.

"In den Gruppen und Einzelbegleitungen geht es darum, sich über Worte hinaus auszudrücken, und dabei alle Medien der modernen Kunst zu nutzen", sagt Zimmermann. "Es geht darum, sich selbst und anderen zu begegnen - Themen des Lebensalltags sozusagen mit dem Pinsel oder Werkzeug in der Hand greifbarer zu machen." Das gelte ebenso für Ängste und andere Gefühle, die "als überflutend erlebt werden". Über den Gestaltungsprozess könnten neue Sichtweisen, ein besserer Abstand und andere Schutzmechanismen entwickelt werden.
"Ich kann beim Malen meinen Gedanken freien Lauf lassen", meint Monika H., die seit Jahren an Depressionen leidet. "Ich war alleinerziehend und arbeitete als Verkäuferin, als alles begann. Der Druck und die Doppelbelastung machten mir zunehmend zu schaffen." Mittlerweile sind die beiden Kinder der Bambergerin erwachsen und gehen eigene Wege. "So bin ich auch froh, über das Kunstprojekt der Oase unter Menschen zu kommen."


Schon als Kind Depressionen

Seit einem Vierteljahr erst lebt Ulrich Z. (Name geändert) von seiner Familie getrennt, der gerade zu Pinsel und Farbe griff, um eine neue Idee zu Papier zu bringen. "Hier kann ich meinen Horizont erweitern und manches mit anderen Augen zu sehen lernen." Von Depressionen, chronischer Erschöpfung, ja dem klassischen Burnout-Syndrom berichtet der ehemalige Lehrer. "Ich litt immer schon unter Depressionen. Nur wurden sie im Lauf der Jahre schlimmer und schlimmer", sagt der Bamberger. Mehr und mehr Kraft musste der heute 49-Jährige aufwenden, um seinen Pflichten nachzukommen. Als Ulrich Z. zuletzt noch unter einer Angststörung litt, "riet mir mein Arzt nach 17 Berufsjahren dazu, auszuscheiden". Der Franke folgte dem Rat und traf eine für viele Menschen sicher schwer nachzuvollziehende Entscheidung. Den anderen Werkstatt-Teilnehmern braucht sich der Pädagoge nicht zu erklären. Sie alle leiden oder litten schließlich unter psychischen Erkrankungen, die in der Gesellschaft bis heute ein Tabuthema sind.

"Wir bauen unsere ambulanten Angebote aus, um noch mehr Kurse und andere Veranstaltungen offerieren zu können", sagt Brigitte Randow als Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen in Bamberg, zu dem die Oase gehört. So kochen Besucher der Begegnungsstätte auch gemeinsam, frühstücken miteinander, tanzen, musizieren, treiben Sport, spielen und feiern - von Montag bis Freitag zu unterschiedlichsten Zeiten. Womit der Alltag von Männern und Frauen, die keinem Beruf mehr nachgehen, wieder strukturiert und um positive Erlebnisse bereichert wird.


In der Villa Remeis ausgestellt

Ein derart positives Erlebnis war für Luzia K. (Name geändert) die letzte Gemeinschaftsausstellung in der Villa Remeis. Hier konnte die Bambergerin Kunstfreunden eines ihrer Werke präsentieren: Bilder mit besonderer Ausdruckskraft wie das einer Frau am Fenster mit großen dunklen Augen. "Ich habe die Depression auf Papier gebannt", sagt die 46-Jährige, die zum Pinsel greift, wenn wieder ein seelisches Tief naht. Übers Malen erschloss Luzia K. ungeahnte kreative Ressourcen, auch durch die Arbeit mit anderen Materialien und Techniken. "Ich bin übrigens nicht die Frau am Fenster, obwohl man das meinen könnte, nachdem ich immer wieder Frauen male."