Millionenkosten, jahrelange Sperrungen: Bamberg muss viele Kröten schlucken, wenn die Bahn mit dem Bau der viergleisigen Strecke durch Bamberg beginnt.
Rund dreieinhalb Stunden wurde am Dienstag im Sitzungssaal der Harmonie eisenbahnchinesisch gesprochen. Es ging um teils schwer verständliche technische Details des Bamberger Bahnausbaus: vom Aushub der Erd - und Steinmassen (1,5 Millionen Kubikmeter) bis zur doppelten Unterführung eines Gleises in der Nordflur, von den Auswirkungen der neuen Trassen auf die Verspätungshäufigkeit bis zum Sicherheitskonzept samt Rettungsplätzen für den Tunnel. Dann wurde der Horrorkatalog ausgepackt.
Bahnplaner Richard Reinl präsentierte die Folie mit dem explosiven Inhalt eher beiläufig, eine von 20 Anlagen im Sitzungspaket der Stadträte. Dort war die Rede davon, dass der Tunnelbau durch Bamberg inklusive aller Nacharbeiten zwölf Jahre dauern wird. Untrennbar damit verbunden sind Staus und Verkehrsbehinderungen, die die bekannten Maßstäbe in Bamberg in den Schatten stellen dürften. Glaubt man den Aussagen der Bahn, erfordert der Bau von vier Röhren, dass mit dem Münchner Ring, der Geisfelder Straße und der Zollner Straße gleichzeitig drei Ost-West-Verbindungen dreieinhalb Jahre lang (!) voll gesperrt werden. Auch für Coburger und die Memmelsdorfer Straße soll es viereinhalb, bzw. drei Jahre ein Durchfahrtverbot geben. Kaum vorstellbar, wie unter solchen Bedingungen das städtische Leben funktionieren soll.
Die Liste der Grausamkeiten verfehlte ihre Wirkung nicht. "Je länger man zuhört, desto mehr bekommt man Angst vor dem, was die Bahn in Bamberg plant" sagte Klaus Stieringer (SPD) und sprach von "gigantischen Monsterbaustellen", ohne aber ihre betriebliche Notwendigkeit zu akzeptieren. "Dem Steuerzahler könnte viel Geld erspart werden, wenn er auf die Minute Zeitersparnis verzichtet, die durch den Ausbau in Bamberg gewonnen wird", sagte Stieringer. Auch Daniela Reinfelder (Bambergs Unabhängige Bürger) malte den Teufel an die Wand: "Viele Betriebe werden zusperren und nicht überleben."
In der Tat spricht manches dafür, dass das nächste Jahrzehnt für die Stadt kein leichtes wird. Organisatorisch, aber auch finanziell: Zwar tragen Bund und Bahn den Löwenanteil am Milliardenprojekt, doch für die Erneuerung von Brücken und Unterführungen müssen nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz auch die Bamberger bluten: 45 Millionen beträgt ihr Anteil bei der Durchfahrung im Bestand, rund 36 Millionen kostet die Bürger der lange Tunnel.
Doch noch ist es nicht soweit: Die verbliebenen fünf Varianten des Bahnausbaus und die damit verbundenen Drohszenarien sollen nach dem einstimmigen Beschluss nun durch ein unabhängiges Stuttgarter Büro auf den Prüfstand gestellt werden. Dass es sich lohnt, den Aussagen von Bund und Bahn nicht blind zu vertrauen, daran gab es im Stadtrat schon wegen der unsicheren Verkehrsprognosen keinen Zweifel. Schon heute deuten sich zudem Chancen an, dem Bahnausbau auch Vorteile abzugewinnen. So fordert die CSU als Kompensation einen S-Bahn-Halt Süd, unabhängig davon, dass die Bahn diese Möglichkeit von einem Ausbau im Bestand abhängig macht.
Auch der kurze Tunnel ist nicht vom Tisch. Für die Bamberger Allianz und auch für die FDP erscheint er deshalb interessant, weil er niedrigere Kosten, Flächengewinn und Lärmschutz im Süden mit dem geringeren Verbrauch von Gärtnerland und sicherem Lärmschutz auf der Bestandststrecke verbindet. Denn auch diese Erkenntnis wurde bestätigt: Selbst wenn zwei Gleise unter Bamberg hindurchführen, bedeutet dies nicht, dass man Güterverkehrsunternehmen zwingen könnte, sie tatsächlich zu nutzen.
Sehr zufrieden mit der kämpferischen Haltung im Stadtrat zeigten sich Bambergs Grüne. Wie viele im Stadtrat machen sich Ursula Sowa und Co. dafür stark, die neue Schallschutzrichtlinie anzuwenden. Peter Gack widersprach zudem dem von der Bahn genannten "Flaschenhals"-Argument. Demnach sei es unsinnig, einen viergleisigen Ausbau auf der ganzen Strecke vorzunehmen und nur Bamberg auszusparen. Wie Gack sagte, werde auch in dem an der Ausbaustrecke gelegenen Fürth kein viergleisiger Ausbau erfolgen. Dort hat sich die Stadt erfolgreich vor Gericht gegen die Ausbaupläne gewehrt. Auch von Anna Niedermaier (CSU) kam ein Appell, "der Bahn auf die Finger zu schauen": "Wir dürfen nicht resignieren."
Kommentar des Autors:
Der Poker
um die Gleise
Der Stadtrat hat sich nicht ins Bockshorn jagen lassen - und das ist gut so. Nach 20-jährigem Planungsvorlauf wäre es schwer verständlich, wenn die Stadt nicht jede Chance ergreifen würde, um die schädlichen Auswirkungen des Megaprojekts zu begrenzen.
Und es spricht nicht für die Glaubwürdigkeit der Bahn, wenn zentrale Entscheidungsgrundlagen wie Verkehrsprognosen und Schallschutzvorschriften gleichsam über Nacht geändert werden.
Vorsicht ist angesagt, auch was die angekündigten Horrorsperrungen angeht. Die Bahn will ein Prestigeprojekt vollenden und sie will es zu den für sie besten Bedingungen tun - als Ausbau im Bestand.
Die Flinte ins Korn zu werfen, verbietet sich unter diesen Umständen von selbst. Bamberg sitzt im Trassenpoker einem mächtigen Gegner gegenüber. Aber es ist nicht chancenlos.
Selbst wenn die Stadtverantwortlichen selbst (die aus meiner Sicht) sinnvolle Ostumfahrung abgelehnt haben, jetzt gilt es umzudenken und eine dauerhafte Verschandelung der Stadt zu verhindern. Wegen eines Verkehrsmittels, welches zwei Großstädte miteinander verbindet, ist so eine Untat völlig unangebracht und überzogen.
Wer sowohl aus dem Umland oder auch aus der Stadt in Bamberg in den ICE steigen will, der kommt ohnehin mit dem Auto oder lässt sich bringen. Das geht wunderbar auch 5 km weiter östlich. Die Autobahn hat die Landschaft eh schon zerschnitten und keinen hat´s gestört.
OB und Stadtrat, der Ball liegt in eurer Hälfte; auf was warten Sie ? Bamberg muss nicht alles haben, was ein paar Hanseln sich wünschen. Wenn ich über die Pfisterbrücke fahre und zum Bahnhof blicke - es ist nicht viel los auf den Gleisen. Die paar wenigen ICE-Züge, die dann für 60 Sekunden halten, braucht mitten in Bamberg kein Mensch.
Eine letzte Bemerkung zu dieser Diskussion.
18 Beiträge von 11 Usern konnte man lesen. Und dies bei einem Thema, das Bamberg und das Leben in dieser lebens- und liebenswerten Stadt stark verändern wird.
Wo sind eigentlich all die fleißigen Schreiber gegen die ARE/AEO geblieben, deren Leben durch die Flüchtlinge doch angeblich so stark eingeschränkt und beeinflusst wird? Wie klein das "Problem" Asylbewerber in Relation zum Bahnausbau sein wird, werden diese Menschen erst dann bemerken, wenn sie jahrelang jeden Tag nach Baubeginn des Großprojekts im Stau stecken werden.
Mit welchem Recht werden hier Straßen über Jahre gesperrt? Der Münchnerring hat 4 Spuren (2 in jede Richtung), welche andere Straße soll diese Kapazität aufbringen? Das Zug-Gleis geht über den Münchnerring warum also überhaupt sperren? Welche Entschädigungen stehen den Bürgern zu, die dadurch mehr Zeit und Umwege in Kauf nehmen müssen? Kann es in Ordnung sein hier tausende von Bürgern täglich ohne jede Entschädigung zu lassen? Trickst man beim Finanzamt holt sich dieses die gesparten Kosten um ein Mehrfaches durch Strafzahlungen wieder rein. Kann es in Ordnung sein, wenn man hier die Bürger ohne jede Entschädigung derart drangsaliert?
Bamberg...Die Stadt hat schon Ihre Reize; ist ja nicht umsonst als Welterbe hoch gepriesen...
Und was macht dies Städtchen so liebenswert?
a: Altertümliche Straßenpflaster, bierselige und gottesfürchtige Bürger,
Gemütlichkeit, fröhliche Studierende und Gäste, oder
b: Normgerechte Verkehrsachsen und innovatives Verkehrskonzept, futuristische Skyline und hippe Trendsetter?
Nun mal ernsthaft: Die ganz wichtigen Gäste landen auf Brose International, die Superreichen reisen per Flußkreuzfahrtschiff an, Schüler und Landkreisbürger fahren bestenfalls Bus, wenn einer fährt, ansonsten Auto oder Fahrrad, und überhaupt hat der Bamberger Bahnhof über all die Jahre hinweg sehr gut als Regionaldrehkreuz funktioniert, aber mehr muß auch nicht sein.
Milliardensummen werden da in den Raum gestellt... für ein paar Minuten Zeitdifferenz...
Was ich jedoch bei all den Discursen rund ums Thema: "wie bauts die Bahn?" echt vermisse ist der Zusammenhang! Warum geht keine ICE-Ostumfahrung samt Haltepunkt, aber den Wald platt machen bis zur Autobahn für ein Industriegebiet, da hat man keine Hemmungen?!
Wenn doch schon für den Stadtrat historische Entscheidungen anstehen, wenn schon die ganze Zukunft Bambergs neu aufgemaßt wird, dann wird man doch auch weise und zukunftsfähige Beschlüsse erwarten dürfen!
Fragt doch mal die Geschäftsleute was Sie von einer jahrelangen Sperrung halten. Beispiel Breitengüßbach -Bäcker Metzer Tankstelle- früher war da leben, heute wenn man durchfährt ( immernoch Tempo 30 ) gleicht es einer Geisterstadt.