Seit zwei Monaten verkehrt Lisa Badum in den "heiligen Hallen" des Bundestages. Uns erzählt die neue Abgeordnete von ihren ersten Eindrücken in Berlin.
Schwarz und Grün - warum eigentlich nicht? Eine Minderheitsregierung aus CDU/CSU und den Grünen könnte funktionieren. Daran glaubt jedenfalls Lisa Badum, die bei der Bundestagswahl am 24. September als Nr. 11 der Landesliste den Sprung ins Parlament geschafft hat. Die 34-jährige Grünen-Politikerin aus Forchheim stand am Freitag bei einer "Aktuellen Stunde" im Verlagsgebäude der Mediengruppe Oberfranken bereitwillig Rede und Antwort - und zwar nicht nur dem FT-Redaktionsleiter Michael Memmel, sondern auch den wissbegierigen FT-Lesern, die einige Fragen mitgebracht hatten.
Frage: Sie engagieren sich politisch, seitdem Sie 16 Jahre alt sind. Gab es damals einen speziellen Auslöser?
Antwort: Lisa Badum: Ich hatte mit 14 Jahren ein Buch über weibliche Genitalverstümmelung in Afrika gelesen. Das hat mich dermaßen erschüttert - warum müssen Mädchen körperlich so verstümmelt werden? Das war so ein bisschen Initialzündung. In dem Buch stand auch die Adresse der Frauenrechtsbewegung Terre des Femmes. Und da habe ich mich dann gemeldet und gesagt, dass ich mich gerne engagieren würde. Später habe ich mich gefragt, welche Partei vertritt am ehesten das Thema Gleichstellung, und da waren die Grünen für mich am glaubwürdigsten.
Frage: Im September haben Sie ein Bundestagsmandat ergattert - war das für Sie seit langem der große Traum?
Antwort: Ich habe dort ja auch Praktikum gemacht. Das sind schon heilige Hallen, die Abgeordneten-Büros und der Bundestag. Das ist schon etwas tolles, da dann selber mitzugestalten und Teil der parlamentarischen Geschichte zu werden mit all den Männern und Frauen, die hier schon tätig waren.
Frage: Welche Lektionen haben Sie schon gelernt in den zwei Monaten Berlin?
Antwort: Die Pressearbeit in Berlin ist eine andere als im Wahlkreis. Auch der Umgang mit den Hauptstadtmedien ist besonders: Während der Jamaica-Sondierung hatte ich schon den Eindruck, dass die Redakteure eine Story im Kopf hatten und dazu passende Zitate gesucht haben. Da muss man gerade als neue Abgeordnete aufpassen, dass man sich nicht verplappert. Ganz wichtig ist es dann, über Themen zu reden und nicht über Personen. Ein anderer Tipp: Erstmal eine Nacht darüber zu schlafen. In diese Fallen bin ich nicht getappt, aber es hat mir bewusst gemacht, dass ich jetzt eine andere Rolle habe und noch mehr überlegen muss, wie ich auftrete und was ich sage.
Frage: Welcher Mensch in Berlin hat Sie bisher positiv überrascht?
Antwort: In den Bundestags-Debatten mit der AfD habe ich auch die Abgeordneten der anderen Fraktionen sehr bewundert, die ganz toll gekontert und die AfD-Angriffe auseinandergenommen haben. Ich denke, das müssen wir die nächsten vier Jahre so durchhalten. Ich finde es nicht so toll, dass die AfD im Parlament ist, aber die Bürgerinnen und Bürger haben sie gewählt und wollten, dass wir uns mit ihr auseinandersetzen. Den Auftrag haben wir.
Frage: Und welche haben Sie enttäuscht?
Antwort: Bis jetzt eigentlich keine. Wenn ich an die Fraktion denke, finde ich es spannend, wie zugewandt alle sind - auch alte Hasen wie Jürgen Trittin.
Frage: Waren Sie in irgendeiner Form in die Sondierungsgespräche zwischen Union, SPD und Grüne involviert?
Antwort: Die ganze Fraktion war ja eingebunden. Wir hatten regelmäßig Telefonkonferenzen und Fraktionssitzungen und haben auch schon in Facharbeitsgruppe mögliche Koalitionsvermerke erarbeitet. Da haben wir uns auch Gedanken gemacht, wo man in den Formulierungen Brücken bauen könnte zu den anderen Parteien, aber auch wo wir hart bleiben wollen. Da konnte jede Abgeordnete sich einbringen. Die Rückkopplung in die Partei hinein, was gerade verhandelt wurde, war sehr gut und transparent. Deshalb war die Akzeptanz der Mitglieder auch sehr hoch - in beiden Flügeln der Partei.
Frage: Wären denn in einer Jamaica-Koalition die grünen Ideen aus Ihrer Sicht ausreichend zur Geltung gekommen?
Antwort: Von dem, was man momentan weiß, wäre überraschend viel erreicht worden, wenn man bedenkt, dass wir mit drei bürgerlichen Parteien verhandelt haben, die außerhalb von unserem Milieu sind und ganz andere Anliegen verfolgt haben. Und dann muss man ja auch sagen: Ist es nicht auch ein Erfolg, dass man verhindert hat, dass eine unsozialere Politik gemacht wird? Zum Beispiel wäre die Mietpreisbremse nicht verschärft worden unter Jamaica, aber vielleicht wäre sie ohne uns komplett abgeschafft worden. Wir wären auch ein Bollwerk gewesen gegen mehr soziale Ungleichheit. Und wir hätten ganz wichtige Punkte erreicht, wie zum Beispiel den Einstieg in den Kohle-Ausstieg. Natürlich waren dafür auch ein paar schmerzhafte Kompromisse nötig. Ein bisschen realistisch muss man schon sein. Uns ist klar, dass man als Neun-Prozent-Partei nicht das komplette Programm bestimmen kann, anderen kleineren Parteien war das offenbar nicht klar.
Frage: Wer glauben Sie wird unser Land in einem halben Jahr regieren?
Antwort: Ich denke, dass es eine große Koalition geben wird mit Kanzlerin Merkel.
Frage: Ist diese Variante alternativlos?
Antwort: Für mich nicht. Ich könnte mir auch durchaus eine schwarz-grüne Minderheitsregierung vorstellen, aber ich denke Frau Merkel scheut das Risiko und die Unsicherheit wie der Teufel das Weihwasser, insofern wird sie immer versuchen, eine mögliche Mehrheitsregierung zu bilden.
Frage: Sie haben gerade erst den Sprung in den Bundestag geschafft. Wären da baldige Neuwahlen, bei denen Sie wieder um Ihr Mandat bangen müssten, nicht Ihr Alptraum?
Antwort: Man muss das gesamtpolitisch und gesellschaftlich sehen. Momentan glaube ich, dass eine Neuwahl keine großen anderen Ergebnisse bringen würde. Das ist das eine, das andere ist, dass Neuwahlen Millionen kosten und die Bürgerinnen und Bürger nicht begeistert sind, noch einmal neu zu wählen. Aber wenn wir zu einem Punkt kommen, an dem es keine andere Möglichkeit als Neuwahlen gibt, sind wir natürlich wieder dabei und werden wieder für unsere Inhalte werben. Ich stelle mich dann wieder dem Wählervotum, es ist immer nur geliehene Macht. Ich bin guter Dinge, dass wir auch bei einer Neuwahl ein gutes Ergebnis haben und ich wieder dabei bin.
Frage: Ihr Bundestagskollege Andreas Schwarz hat einen runden Tisch mit den Abgeordneten der Region angeregt, um darauf hinzuwirken, dass die nicht genutzten Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO) reduziert werden. Was halten Sie davon?
Antwort: Ja, finde ich gut. Ich habe nur irgendwie die Einladung nicht bekommen, aber ich wollte ihn deswegen jetzt mal einschreiben. Wir sind ja grundsätzlich in gutem Kontakt. Das ist auf jeden Fall eine gute Initiative, es bringt ja auch nichts, wenn jeder für sich allein dahinwurstelt gerade momentan, wo wir noch keine klaren Verhältnisse haben, wer jetzt Regierung ist und wer Opposition. Wir sollten für die Region schauen, wo wir an einem Strang ziehen können.
Frage: Wo sehen Sie im Bundestag Ihren Schwerpunkt, in welchen Ausschüssen würden Sie gerne arbeiten?
Antwort: Ich möchte gerne in Richtung Umwelt, Klima und Energie etwas machen, also in den Grünen-Kernthemen. Was es dann exakt wird, kann man noch nicht sagen, weil es von der Regierungsbildung und vom Zuschnitt der Ministerien abhängt. Aber es läuft wohl auf Umwelt- oder Wirtschaftsausschuss hinaus.
Aufgezeichnet von Michael Memmel
Natürlich ist Lisa für eine Regierungsbeteiligung.
Wer möchte das nicht, wer möchte nicht seine Ideale verwirklicht sehen?
Fragen Sie doch mal Vertreter anderer Parteien, die sonst keine Chance haben.
Das bürgerliche Lager hat die absolute Mehrheit und deswegen dürften für grüne Irrwege durch die Hintertür Minderheitsregierung immer weniger Raum bleiben.