Angriff mit einem Taser: Selbstversuch mit 50 000 Volt

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Hauptkommissar Jürgen Köhnlein liegt nach dem Treffer durch einen Taser regungslos am Boden, kann sich nicht bewegen. Ein Taser-Haken steckt in seinem Rücken. Foto: privat
Hauptkommissar Jürgen Köhnlein liegt nach dem Treffer durch einen Taser regungslos am Boden, kann sich nicht bewegen. Ein Taser-Haken steckt in seinem Rücken. Foto: privat

Polizisten aus Oberfranken testeten den Einsatz von Tasern, die Angreifer mittels Hochspannung für kurze Zeit bewegungsunfähig machen.

Es sieht spektakulär aus: Ein Mann wird von zwei Begleitern gehalten. Dann zielt ein Vierter auf das vermeintliche Opfer mit einer futuristisch aussehenden Waffe. Zwei Pfeile zischen los, ziehen Drähte hinter sich, bohren sich in den Rücken und die Wade des Mannes. Ein kurzer Stromstoß strömt durch die angeschlossenen Kabel. Schon krümmt sich das Opfer. Nicht wegen der Schmerzen, sondern, weil der Körper seine Muskeln nicht mehr kontrollieren kann. Der Getroffene liegt für Sekunden regungslos am Boden.


Ein Verbrechen? Nein, bei dieser Szene handelt es sich um einen Selbstversuch von Hauptkommissar Jürgen Köhnlein. Er ist auch Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Oberfranken und setzt sich dafür ein, dass die Beamten in Bayern künftig diese ungewöhnlichen Waffen, auch Taser genannt, bekommen.


Alternative zur Schusswaffe

Wie ist das Gefühl, wenn 50 000 Volt durch den Körper jagen? "Nicht gerade angenehm. Es ist, als wenn man einen Wadenkrampf am ganzen Körper hat. Ich war steif wie ein Brett und war für etwa fünf Sekunden bewegungsunfähig", erklärt Köhnlein. Doch warum brauchen Polizisten solche Taser, die zurzeit nur die Teams der bayerischen Spezialeinsatzkommandos haben? Köhnlein sagt: "Wir brauchen eine wirksame Alternative zur Schusswaffe."

Fakt ist: Wenn Verbrecher etwa in Menschenmengen unterwegs sind, dann dürfen Polizisten keine Pistole einsetzen. Die Gefahr wäre einfach zu groß, dass Unbeteiligte verletzt oder gar getötet werden könnten. Beamte müssen sich in solchen Gefahrenlagen nah an bewaffnete Täter heran begeben und versuchen, diese mit Pfefferspray oder Schlagstock zu überwältigen. Noch. "Würden Streifenbeamte im Fahrzeug solche Taser haben, könnten sie aus einer Entfernung von drei bis sieben Metern sicher Verbrecher unschädlich machen", ist sich Köhnlein sicher.

Im polizeilichen Einsatztrainingszentrum in Bayreuth ließen sich nun Mitglieder der Deutschen Polizeigewerkschaft über Taser informieren und hatten die Möglichkeit zum Selbstversuch. In Bayern steht diese Technologie den Beamten im Streifendienst nicht zur Verfügung.

Das stößt bei der Polizeigewerkschaft auf Kritik. "Nach den guten Erfahrungen der SEKs muss eine Ausweitung auf den Streifendienst schrittweise und ergebnisoffen geprüft werden. Wir schlagen vor, unsere Spezialisten vom Einsatzzug zunächst auch auszustatten. Am Ende könnte eine Ausstattung eines jeden Streifenfahrzeugs stehen", so Köhnlein.


Brief an den Innenminister

Anders als allgemein gemutmaßt wird, soll der Elektrostoß aus einem Taser dem Störer nicht Schmerzen bereiten, sondern sein Strom wirkt auf dessen Muskulatur. Das zieht den Muskel kurzfristig zusammen und macht handlungsunfähig. In diesem kurzen Zeitraum kann es dann gelingen, den Störer zu entwaffnen und zu fixieren.
Die Polizeigewerkschaft hat den Taser auch schon bei den CSU-Innenpolitikern im Bayerischen Landtag vorgestellt.

Zudem hat Köhnlein an Innenminister Joachim Hermann (CSU) einen Brief geschrieben und darin gebeten, die Verwendung dieser Einsatzwaffe zu prüfen: "Vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren deutlich gestiegenen und auf hohem Niveau befindlichen Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte steht für die DPolG fest, dass Distanzelektroimpulsgeräte auch im polizeilichen Einzeldienst gebraucht werden."

Doch in Hinblick auf die Notwendigkeit dieser Waffen gibt es auch Unstimmigkeiten zwischen der Deutschen Polizeigewerkschaft und der Gewerkschaft der Polizei, die die Beschaffung von Tasern ablehnt. Köhnlein kann das Nein nicht nachvollziehen: "Jeder, der gegen die Einführung ist, muss den Kollegen, die mit wachsender Gewalt im Dienst konfrontiert sind, auch sagen, was sie stattdessen an die Hand bekommen sollen, um aus sicherer Entfernung handeln zu können und somit unverletzt aus heiklen Einsatzsituationen herauszukommen. Und wenn dabei auch noch das Verletzungsrisiko beim polizeilichen Gegenüber unter dem Strich geringer ist, spricht das für eine Einführung, zumindest aber für eine baldige Erprobung."


Arbeitsgruppe prüft Taser

Und was sagt das bayerische Innenministerium zu den Forderungen? Pressesprecher Michael Siefener sagt: "Um eine belastbare Aussage über weitere Verwendungsmöglichkeiten von Elektroimpulsgeräten auch in anderen Bereichen der bayeri-schen Polizei treffen zu können, haben wir eine Arbeitsgruppe mit Polizeiexperten beauftragt. Diese soll die Verwendung von Elektroimpulsgeräten auch außerhalb der Spezialeinsatzkommandos ergebnisoffen prüfen. Dabei geht es um Einsatz-Möglichkeiten in den verschiedenen Bereichen der bayerischen Polizei und deren Grenzen." Ergebnisse dazu lägen bislang noch nicht vor.