"Andere Berufsgruppen würden streiken"

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Der Präsident des Oberlandesgerichts Bamberg, Clemens Lückemann, begrüßte die Gäste des Neujahrsempfangs. Vertreter des Tafelgerichts Pécs (ungarisches Partnergericht der Bamberger) überreichten ihm im Anschluss eine Auszeichnung des Nationalen Richterrates der Republik Ungarn.Foto: Stefan Fößel
Der Präsident des Oberlandesgerichts Bamberg, Clemens Lückemann, begrüßte die Gäste des Neujahrsempfangs. Vertreter des Tafelgerichts Pécs (ungarisches Partnergericht der Bamberger) überreichten ihm im Anschluss eine Auszeichnung des Nationalen Richterrates der Republik Ungarn.Foto: Stefan Fößel
Lothar Schwarz
Lothar Schwarz
 

Beim Neujahrsempfang der Bamberger Justiz ging es um die Unabhängigkeit der Anwaltschaft.

Zum traditionellen Neujahrsempfang von Justiz, Notariat und Rechtsanwaltschaft im Oberlandesgerichtsbezirk Bamberg konnte der Präsident des Oberlandesgerichts Bamberg Clemens Lückemann mehr als 300 Gäste begrüßen. "Die Unabhängigkeit der Anwaltschaft - Anspruch und Wirklichkeit" lautete der Titel des Festvortrages von Lothar Schwarz in der Aula der Universität Bamberg. Der Präsident der Rechtsanwaltskammer Bamberg stellte die Situation der Anwaltschaft im Spannungsfeld verschiedener Einflüsse und Erwartungen dar. Wo sehen Sie aktuell die Unabhängigkeit der Justiz und der Anwaltschaft bedroht? Lothar Schwarz: Zur Zeit am Deutlichsten in der Türkei und in Polen. Das polnische Staatsoberhaupt kann sich durch seinen Einfluss im Landesjustizrat die Richter de facto selbst aussuchen. Zahlreiche Juristen des Obersten Gerichtshofs wurden aus rein politischen Gründen ausgetauscht. Wenn schon die Justiz nicht mehr unabhängig ist, wie kann es dann die Anwaltschaft sein? Und in der Türkei genießen die Rechtsanwälte noch nicht einmal einen verfassungsmäßigen Schutz, sie könnten relativ leicht abgeschafft werden. Wie sieht es bei uns aus? In Deutschland geht es uns noch verhältnismäßig gut. Aber auch hier gibt es einige Faktoren, die unsere Unabhängigkeit gefährden. Welche sind das? Es gibt zum Beispiel bedenkliche Angriffe auf die anwaltliche Schweigepflicht, gegen die wir wirklich allergisch sind. So muss ein Anwalt nach dem Geldwäschegesetz von 2017 dem Staat melden, wenn ein Mandant im Verdacht der Geldwäsche steht oder auch auf legalem Weg Steuern vermeiden will. Das gilt nicht nur für Anwälte, sondern auch für Steuerberater oder Kreditinstitute.

Wir würden uns wünschen, dass solche Mitteilungen nicht von Berufsgruppen verlangt werden, die der Schweigepflicht unterliegen. Mir fehlt das Verständnis für das, was sich Gesetzgeber und Finanzbehörden da aus Hilflosigkeit ausgedacht haben. Über die Verdachtsmeldung dürfen wir den Mandanten dann noch nicht einmal informieren. Was den Klienten wie ein doppelter Vertrauensbruch erscheinen muss. Was schränkt die anwaltliche Unabhängigkeit noch ein? Die verfassungsrechtlich garantierte Berufsfreiheit setzt auch wirtschaftliche und finanzielle Unabhängigkeit voraus. Seit mehr als fünf Jahren hat es keine Anpassung unserer Gebühren mehr gegeben. Andere Berufsgruppen hätten da längst den Streik ausgerufen. Die Länder blockieren eine Gebührenerhöhung, weil das unter anderem über die Prozesskostenhilfe Mehrkosten für sie bedeuten würde. Das führt aber zu einer juristischen Zwei-Klassen-Gesellschaft. Wie sieht die konkret aus? Erfolgreiche Anwaltskanzleien weichen dieser Problematik notgedrungen durch Honorarvereinbarungen aus. Die kann sich der finanziell besser gestellte Mandant leisten, aber nicht, wer auf Beratungs- oder Prozesskostenhilfe angewiesen ist. Ich weiß nicht, ob der Gesetzgeber das wirklich so gewollt hat. Das Interview führte Stefan Fößel.