Abzocke mit dubioser Obdachlosenzeitung

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Eine gute Tat für 1,50 Euro? Bei der Zeitung "Streetworker" steckt vermutlich kriminelle Energie dahinter. Foto: Ronald Rinklef
Eine gute Tat für 1,50 Euro? Bei der Zeitung "Streetworker" steckt vermutlich kriminelle Energie dahinter.  Foto: Ronald Rinklef

Auf dem Bamberger Weihnachtsmarkt ist ein Heft aufgetaucht, das sich als Obdachlosenmagazin tarnt, in einigen Städten aber bereits verboten ist. Hinter den Verkäufern stecken vermutlich Drückerbanden. Die Einnahmen fließen auf das Konto eines ominösen Geschäftsmanns aus Darmstadt.

Zwei Frauen laufen auf dem Bamberger Weihnachtsmarkt von Stand zu Stand. Unscheinbar gekleidet, bieten sie gut gelaunten Glühweintrinkern eine Zeitung an. "Streetworker" heißt das Blatt, "Von Obdachlosen für Jedermann" steht auf dem Titel, 1,50 Euro soll es kosten. Die meisten Bamberger winken ab, einige kaufen ein Exemplar. "Die tun mir halt immer so leid", begründet eine junge Frau.


Nach der guten Tat folgt die schnelle Ernüchterung. Das dünne A4-Heftchen ist planlos gestaltet und hat inhaltlich wenig zu bieten. "Irrtümer über Hartz IV" oder "Kapitalismus und Obdachlosigkeit" sind zwei Titel zweier Texte, die lieblos platziert und teilweise aus dem Internet kopiert wurden. Autorenvermerke gibt es keine.


Firmensitz ist ein Darmstädter Kiosk

Ein Impressum hingegen schon: Hinter dem "Streetworker" steckt die Firma "Echo Druck und Service GmbH" mit Sitz in Darmstadt. Seit Jahren bringt sie höchst umstrittene Obdachlosenzeitungen auf den Markt, teilweise unter dem Vereinsnamen "Food for you". Wer die Hefte macht und was mit den eingenommenen Geldern passiert, bleibt im Dunkeln. Der Verleger - sein Firmensitz ist ein Darmstädter Kiosk - ist telefonisch nicht erreichbar, Mailanfragen bleiben unbeantwortet.


Ilse Weiß kennt den "Streetworker" bestens. Und die Chefredakteurin des seriösen Nürnberger Obdachlosenmagazins "Straßenkreuzer" hat eine klare Meinung. "Ganz entsetzlich. Schrott hoch zehn!" Die Schein-Obdachlosen hätten die Zeitungen auch schon in Mittelfranken verkauft. "Sie nutzen es zur Weihnachtszeit aus, dass die Menschen Mitleid haben."

Weiß selbst hat schon versucht, an den Verleger heranzukommen. "Als ich ihn an der Strippe hatte, hat er irgendwann einfach aufgelegt." Sie ist sich sicher: Dass das eingenommene Geld Obdachlosen oder gemeinnützigen Zwecken zu Gute kommt, ist höchst unwahrscheinlich.


Dubiose Spendensammlungen

Für die Journalistin sind die Verkäufe auch deshalb ein Ärgernis, weil diese für seriöse Titel wie den "Straßenkreuzer" geschäftsschädigend sind. "Uns haben schon Leser gefragt, was wir denn da plötzlich für einen Mist verkaufen." Dabei stünde man beim "Straßenkreuzer" für ein wertiges Produkt, das relevante Inhalte liefert und regional verankert ist. "Unsere Verkäufer würden nie nach München oder Regensburg fahren, um dort unsere Zeitung anzubieten. Das wäre unseriös."


In einigen Teilen Deutschlands wurde der Verkauf des "Streetworkers" in der Vergangenheit bereits verboten. Wie beispielsweise in Trier oder Darmstadt. Und das wohl aus gutem Grund: Die Drücker-Banden belassen es nicht nur beim Zeitungsverkauf. Häufig werden auch Spenden für örtliche Einrichtungen verschiedener Hilfesysteme erbettelt, beispielsweise für eine Suppenküche oder eine Kleiderkammer. Doch derartige Einrichtungen existieren gar nicht.


Schein-Obdachlose reisen mit Kleinbussen umher

In anderen größeren fränkischen Städten wie Nürnberg oder Coburg wurden bisher keine "Streetworker"-Fälle gemeldet. Das könnte sich allerdings bald ändern: In anderen Teilen Deutschlands wurde in der Vergangenheit beobachtet, dass die "Streetworker"-Verkäufer mit Kleinbussen umherreisen und sich stets eine längere Zeit in einer Region aufhalten.

In der Region klingeln deshalb in den Städten die Alarmglocken. Beispielsweise haben sich in Bamberg Vertreter des Ordnungsamts noch am Donnerstag mit den Händlern des Weihnachtsmarktes in Verbindung gesetzt, um diese zu sensibilisieren. Zudem wurde die Polizei informiert.