Weil er nicht länger als ein Jahr "aussetzen" kann, ist Matthias Mörsch von Neuseeland mit seiner Familie angereist. Selbstverständlich will der Rattelsdorfer die vollen fünf Tage auskosten.
Wie verrückt muss man sein, um gut 18 000 Kilometer weit zu Sandkerwa anzureisen? Sehr verrückt, verrückt nach Bamberg und dieser einzigartigen Kerwa. Für Matthias Mörsch bedeutet die Kirchweih aller Kirchweihen eben mehr. Der nach Neuseeland ausgewanderte Rattelsdorfer muss in den fünf Tagen so viel wie möglich von seiner fränkischen Heimat aufnehmen, ja fast aufsaugen. Neuseeland ist ein faszinierendes Land, schwärmt der 36-Jährige, der nun also auch ein Kiwi ist, wie die Neuseeländer bezeichnet werden. Dort kann er all die Outdoor-Sportarten machen, die er schätzt. Aber mindestens genauso schätzt er die fränkische Lebensart und Kultur, womit er wieder bei der Sandkerwa landet.
Mit "großem Schein" Seit er denken kann und spätestens seit dem Teenager-Alter waren fünf Tage Sandkerwa Pflicht.
"Ich hab den großen Sandkerwa-Schein," lacht Matthias Mörsch. Alles andere als die vollen fünf Kerwa-Tage, das hätte es schlicht nicht getan. "Die Leute, das Flair, das Bier... einfach alles!" Warum dann Neuseeland? "Der Liebe wegen!"
Der Diplom-Pädagoge hatte Neuseeland im Zuge eines mehrmonatigen "Work & Travel"-Aufenthaltes erkundet und kurz vor der Heimreise seine künftige Frau Becky kennen gelernt. Nach nur fünf Tagen war alles klar, keine sechs Wochen später folgte ihm die Innenarchitektin und Ladenbauerin nach Deutschland. Die Neuseeländerin lernte zwar rasch und intensiv Deutsch, bekam aber keinen adäquaten Job. "Für fünf Euro die Stunde als Kellnerin jobben", das war wohl keine Dauerlösung und so verlagerte das Paar seinen Lebensmittelpunkt in einen anderen Kontinent.
Was zugleich hieß: Keine Sandkerwa mehr.
Einmal aussetzen geht für den Rattelsdorfer ja noch, aber öfter? Kaum denkbar. Obwohl es ihm sogar gelungen ist, eine Neuseeländer Kneipe für sein Lieblings-Bier, "das beste Bier der Welt", und konkret das Schlenkerla, zu begeistern. Aber 28 Neuseeland-Dollar oder umgerechnet 16 Euro fürs Seidla...
Jetzt jedenfalls kann der Rattelsdorfer genießen, ohne bei jedem Schluck Schlenk rechnen zu müssen. Gerechnet hat die Familie wohl ohnehin schon, denn in Auckland hat Mörsch, der als Personaltrainer und -Coach bei einer Versicherung arbeitet, nur 20 Tage Urlaub. Die Familie, zu der inzwischen auch die neunmonatige Elaria gehört, macht aber einen sechswöchigen Deutschlandurlaub. Schließlich kostet das Ticket für jedes Elternteil 1200 Euro. Abgesehen von den Flugstrapazen - also zwei mal zwölf Stunden Flug, oder "36 Stunden von Haustür zu Haustür", wie Mörsch aufaddiert.
Diese sechs Wochen hat die Familie dann freilich so gelegt, dass nicht nur die Sandkerwa, sondern auch das Zeiler Weinfest drin sind.
Heuer Premiere Für Elaria ist demnach heuer Sandkerwa-Premiere. Ehefrau Becky kennt das Mega-Event bereits aus ihrem Bamberg-Jahr. Sie mag das Ganze, wird aber wohl nicht an allen fünf Tagen mit von der Partie sein, meint ihr Mann. Freilich hat sich Becky auf diese Sandkerwa besonders gefreut, weil diesmal und damit erstmals auch ihr nach Ungarn ausgewanderter Vater und ihre beiden 19 und 21 Jahre jungen Halbschwestern kommen. "Denen müssen wir was bieten", findet Matthias Mörsch. Geboten dürfte auf alle Fälle was sein, wenn die Familie im großen Pulk durch den Sand streift.
Mit dabei sind dann auch seine eigenen Geschwister, gleichfalls absolute Sandkerwa-Fans. So wird die Familie feste Treffpunkte ausmachen, um sich wieder zu finden.
Schließlich trifft Mörsch hier Freunde und Bekannte auf Schritt und Tritt. Genau darauf freut sich der 36-Jährige, als Auswanderer sogar noch einen Tick mehr. "Alle, die man schon lange nicht mehr gesehen hat, sieht man auf der Sandkerwa," weiß der Sandkerwa-Profi. Auf was freut er sich am meisten? "Auf alles - Bands, Bekannte, Bier, Bratwurst." Ach ja, da wäre noch eine Zwiebelspezialität, die es auf der Strecke vom Katzenbuckel runter zur Regnitz gibt.
So wird Matthias Mörsch die Sandkerwa in vollen Zügen auskosten - bis die Sandstraße dicht ist und danach in den Clubs. "Ich muss noch rausfinden, welche angesagt sind..."
Sonntagfrüh interessant Und was ist mit der kleinen Elaria? Die ist wohl bei Großmutter Elvira bestens aufgehoben. Will die nicht selbst auch auf die Sandkerwa? Iwo. Nur einmal und dann am Sonntagvormittag. "Da finde ich es schön." Zwei Stunden beim Popcorn-Stand anstellen, danach kennt man alle aus der Schlange. Verrückt, oder?