Drumaturgia & Friends fehlt Organisation und Dramaturgie
"Fusion Jazz verschmilzt mit Klassik, Breakbeat, Latin, fernöstlichen Klängen und Polyrhythmik. Japanische Trommelkunst entzündet sich mit Mozart und Paganini zu einem modernen Feuerwerk. Jedes Konzert der Gruppe gleicht einer Uraufführung, an dessen Ende eine einzigartige Musik entstanden ist, die im Zusammenspiel spontanen erfunden wurde. Ihre hohe musikalische Kommunikationsfreude ermöglicht es den Künstlern, das Publikum jedes Mal erneut auf eine virtuose und unbekannte Reise durch alle Facetten der Musikgeschichte mitzunehmen: ohne Kitsch, ohne klanglichen Zierrat, mit dem nötigen Gefühl und Respekt für das Detail. Weitab des Mainstreams und Modeerscheinungen verwischen die Musiker die Grenzen der Sinne: optische und akustische Faszination gehen nahtlos ineinander über. Dazu mischt sich der tranceartige Rhythmus der japanischen Trommeln - Drumaturgia & friends gehen noch bislang völlig unbetretene musikalische Wege." Sätze, die auf der Homepage der Gruppe zu lesen sind.
Klingt ja eigentlich ganz interessant. Obwohl das mit den bislang völlig unbetretenen musikalischen Wegen ein bisschen hoch gehängt ist, denn ob es das heutzutage wirklich noch gibt? Und dann sitzt man im Kurtheater und stellt fest: Das gibt es tatsächlich noch. Aber auf eine Art, mit der man nicht gerechnet hatte. Denn das, was die sechs Musiker auf der mit Schlagwerk und Flügel gut gefüllten Bühne veranstalteten, erweckte auch nach zwei Nummern noch den Eindruck des Unorganisierten, Zufälligen. Und das ist nicht wirklich das, was Improvisation meint. Da hielt es sogar Manuel Druminski, der E-Geiger der Gruppe, für geboten, ein paar klärende Worte zu sagen, und er war erstaunlich ehrlich: "Wir haben nicht geübt. Wir haben uns drei Monate nicht gesehen." Aha. Also doch. Aber das ist kein Problem für ihn: "Wir sind alle erzogene Musiker, die plötzlich etwas erfinden können." Den Beweis müssen sie erst noch führen.
Aber das Problem ist auch, dass Drumaturgie die Dramaturgie fehlt. Druminski: "Wir haben jetzt zu Beginn zwei langsame Stücke gespielt. Wir müssen uns Mühe geben, dass wir hier mal ein bisschen rauskommen, dass die Leute nicht einschlafen." Es ist nun mal so, dass die improvisierte Musik die meisten Vorbereitungen und Absprachen braucht, weil eben nichts festliegt. Auch die Frage: "Wer fängt an?", sollte bei einem gut vorbereiteten Konzert nicht auftauchen. Und sie solle vor allem nicht so lange ratlos im Raum hängen, bis einer die Nerven verliert und tatsächlich beginnt.
Tatsächlich wurde es etwas schneller. Aber aufweckender wurde es nicht. Denn dadurch, dass niemand wusste, was eigentlich geplant war, spielten alle ziemlich abwartend und defensiv, gerieten immer mehr in eingefahrene Gleise. Die beiden Schlagzeuger Thomas Sporrer und Carl Amadeus Hiller hätten sich öfter mal mit Ideen zum Fenster raushängen können, der Pianist Victor Alcantara begann vielversprechend und wurde zunehmend vorsichtiger, war allerdings auch geduldig und spielte seine Begleitfiguren schon auch einmal länger, bis den Kollegen die zündenden Einfälle gekommen waren. Der Bassist Andreas Hiermeyer stand meistens in seinem dunklen Eck, und man war überrascht, wenn er einmal solistisch heraustrat. Aber er war der Einzige, der immer mal de Fäden in die Hand nahm.
Wirkung entfachte eigentlich nur der Japaner Takuya Taniguchi mit seinen Takos, mit seiner typischen tänzerischen Art, das Spiel als einen steten Bewegungsfluss zu gestaltet. Er brachte mit seinem Instrumentarium wirklich rhythmische Farbe ins Spiel, und wenn er in seinem Solo die große, hängende Trommel schlug, dann wurden auch die Zuhörer in den hinteren Reihen von den Schwingungen erfasst.
Im Mittelpunkt agierte Manuel Druminski als weit ausschreitender Moderator ("Ich müsste jetzt eigentlich was sagen, aber ich will lieber spielen") und natürlich als Geiger. Er ist im "Brotberuf" neben solistischen Auftritten Konzertmeister des Philharmonischen Orchesters Freiburg und spieltechnischen Fragen mehr oder weniger entrückt. Aber es war etwas nervig, dass er sich immer mit einzelnen Akkorden und kleinsten Modulen in die Stücke hineintastete, als sei das schon Musik - obwohl er durchaus auch längere Passagen gestalten konnte. Bei zweien fragte man sich aber wozu. Denn plötzlich spielte er - ein Zusammenhang war nicht zu erkennen - die Sarabande aus Bachs Solopartita BWV 1004 und später noch einen technisch abgespeckten Paganini. War das, um zu zeigen, dass er das kann? Japanische Trommelkunst entzündete er damit nicht, wie in der Werbung versprochen, denn er spielte diese Sätze jeweils am Ende der Stücke. Das machte die Kollegen zu schweigenden Statisten, fokussierte allerdings auch den Beifall.
Seien wir nicht undankbar. Es gab ein paar ganz schöne Ecken, die man gerne und mit Interesse hören konnte. Aber die trugen nicht durch den ganzen Abend. Eine ganze Reihe von Besuchern hatte schon in der Pause die Konsequenz aus der Erkenntnis gezogen, dass sie zuhause interessantere Musik hören können. So erlebten sie auch nicht mit, dass die Bravos im Laufe des Abends spärlicher wurden. Und irgendwie rührend war in der Pause die Frage einer Besucherin an Manuel Druminski: "Kann man von diesem Konzert eine CD erwerben?" Und was lernen wir daraus? Man kann auch ohne Üben mit Musik Geld verdienen. Man muss es nur Improvisation oder auch Parodie nennen. Wenn das nur mal nicht zum anerkannten Geschäftsmodell wird.