Weihnachtshilfe: "Meine Familie ist Solwodi"
Autor: Ellen Mützel
Bad Kissingen, Donnerstag, 23. Dezember 2021
Im letzten Teil der Spendenaktion der Saale-Zeitung geht es um Cynthia und Kadija: zwei Frauen, denen die Hilfsorganisation Solwodi in Bad Kissingen geholfen hat: "Ich wüsste nicht, wie mein Leben wäre, wenn Solwodi nicht da wäre", sagt Cynthia.
Es ist ein Wechselbad der Gefühle, wenn Cynthia von ihrer Geschichte erzählt. Von ihrer schlimmen Vergangenheit und wie sie durch Solwodi die Kraft und den Beistand bekommen hat, dass sie nun ein relativ normales Leben führen kann. Auch Kadija hat durch die Organisation eine zweite Chance bekommen. Solwodi steht für "Solidarity with women in distess", zu deutsch: Solidarität mit Frauen in Not. Die Organisation kümmert sich vor allem um ausländische Frauen. Ihre Schicksale - oft unvorstellbar grausam.
"Ich würde mich nicht als Opfer bezeichnen, ich bin eindeutig eine Überlebende."
Cynthia tut sich schwer, von der Zeit vor 2018 zu erzählen, bevor sie nach Deutschland kam: "Es ist keine einfache, keine schöne Geschichte. Mein Leben war schwierig. Sehr oft wollte ich mich umbringen", sagt sie.
Nur so viel: Sie wurde von ihrer Heimat Nigeria nach Italien gebracht, ohne zu wissen, was sie erwartet. Dort war sie zwei Jahre lang Zwangsprostituierte. Mit vier Frauen teilte sie sich eine Wohnung, die ihrer Madame gehörte. So werden die Bordellbesitzerinnen oft genannt. Die Zeit war schlimm, aber sie betont: "Ich würde mich nicht als Opfer bezeichnen, ich bin eindeutig eine Überlebende."
Kein Leben ohne Solwodi vorstellbar
Weil sie schwanger wurde, floh sie nach Deutschland. In Italien hätten die Zuhälter ihr das Kind weggenommen. Und sie wollte nicht, dass ihr Sohn sie in dieser Situation sieht. "Mein Sohn hat mir eine zweite Chance auf ein Leben gegeben. Und Solwodi hat sichergestellt, dass das klappt. Ich wüsste nicht, wie mein Leben wäre, wenn Solwodi nicht da wäre."
Spendengelder der Weihnachtshilfe sind wichtige Stütze
Mit der Organisation habe sie Menschen gehabt, die ihr beistanden, wie eine Familie. "Sie sind mein ein und alles. Ich habe nie verstanden, was Familie ist, bis Solwodi kam." Solwodi gab ihr emotionalen Beistand, fuhr sie zu den Arztterminen wegen der Schwangerschaft und half ihr, von ihrer Unterkunft in Burgwallbach in eine eigene Wohnung umzuziehen.
Von ihrer Zeit in Italien hat sie wegen ihres geringen Einkommens und um ihr Leben zu unterhalten 30 000 Euro Schulden. Daher war sie auf die finanzielle Hilfe angewiesen. Die Spendengelder der Weihnachtshilfe sind eine große Stütze für die Organisation. So kann sie Menschen wie Cynthia bei der Kaution helfen oder bei Möbeln aushelfen.
"Ich will eine Aktivistin sein"
Mit der Stärke, die sie nun hat, möchte sie etwas bewirken: "Ich will eine Aktivistin sein", sagt sie. Derzeit schreibt sie ein Buch, um auf Menschenhandel und Zwangsprostitution hinzuweisen. Und um Frauen die Kraft zu geben, für sich einzustehen.