Tun sie's, oder tun sie's nicht?

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Die wilden Stiere (von links): Philipp Locher, Christoph Schulenberger, Elmar Börger, Carsten Stier und Marc Marchand. Foto: Sebastian Worch
Die wilden Stiere (von links): Philipp Locher, Christoph Schulenberger, Elmar Börger, Carsten Stier und Marc Marchand. Foto: Sebastian Worch

Die frech frivole Komödie "Ladies Night" erlebt auf der Freilichtbühne des Fränkischen Theaters in Maßbach eine gefeierte Premiere mit faszinierend zwiespältigen Eindrücken.

Der zeitlos kritische Unterton des Stückes behauptete sich nachhaltig gegen Tanz, Songs und tolldreister Männerkomik.
Sie kennen sich vom Arbeitsamt:"Nr. 438 bitte Zimmer 5" quäkt es aus dem Lautsprecher. Männer holen aus ihren Taschen zerknüllte Wartenummern heraus. Nur um sich zu vergewissern, dass sie noch immer nicht an der Reihe sind. Die Fabrik hat dichtgemacht und man steht hoffnungslos auf dem Abstellgleis.
Kein Job, keine Perspektive, kein Geld und eine endlose Schlange vor dem Sozialamt. Auch ihr privates Leben ist aus den Fugen. Sie beklagen ihre Misere aus Schuldenbergen, ehelichem Scherbenhaufen und bejammern sich selbst.

Rettungsringe und Hühnerbrüste

Da kommt eine Männer Striptease Gruppe in die Provinzstadt und die "Chippendales" sind das beherrschende Gesprächsthema bei den Damen. In den gefrusteten Köpfen der Arbeitslosen entsteht eine irre Idee: Warum nicht selbst die Hüllen fallen lassen? "Die Damen sind verrückt danach und das kann doch nicht so schwer sein, mit dem Hintern zu wackeln." Allerdings sind die sechs Verlierer weder schön noch blutjung. Der Gegensatz zu den Profi-Strippern könnte nicht krasser sein: Rettungsringe und Hühnerbrüste, gegen gestählte Astralkörper. Doch es scheint die allerletzte Chance, an Geld zu kommen. Als "Die Wilden Stiere" bieten sie Männer-Striptease an. Schon der Titel führt also bewusst in die Irre. Denn wer bei Ladies Night an attraktive Damen denkt, die sich ohne Herrenbegleitung mit Cocktails in Stimmung bringen, dabei vielleicht auch mehr oder weniger nackte Haut zeigen, wird sich die Augen reiben. Er kommt auf seine Kosten, wenn auch so ganz anders als vermutet.
Die frech-frivole Komödie von Stephen Sinclair und Anthony Mc Carten aus Neuseeland, die sich auch als Drehbuchautoren für "Herr der Ringe" einen Namen machten, trat ihren Siegeszug an, als 1997 der Stoff unter dem Titel "Ganz oder gar nicht" zu einem Kinohit wurde. Seitdem hat das Stück die Boulevardbühnen im Sturm erobert. Der irreführende Titel ist starker Beleg für die Doppelbödigkeit der Komödie. Die kommt mit den durchaus nicht handverlesenen Herren zwar herrlich komisch daher, aber Ladies Night erinnert auch an Ausweglosigkeit der Männer, die ihre berufliche Perspektive und damit ihre Selbstachtung verlieren.
Manchmal bleibt das Lachen im Hals stecken
Rolf Heiermann, hat die verrückte Männerparodie in der Bearbeitung von Gunnar Dreßler überaus witzig und schwungvoll inszeniert. Da sitzt jede Szene, wird aber nie ausgewalzt und ordnet sich stets dem Handlungsfaden unter. Die teils deftigen Dialoge werden mit hintergründigen Gags überspielt, lassen so Peinlichkeiten erst gar nicht aufkommen und bringen das Publikum zum Toben. Aber wie der feinfühlige Regisseur selbst nach ausgelassensten Turbulenzen die besinnlichen Momente der Arbeitslosentristesse durchscheinen ließ, das war das eigentliche Erlebnis des Stückes. Wie schon bei Charley's Tante oder zuletzt bei Effie Briest, gelang Heiermann das Kunststück, die so gegensätzlichen Facetten des eigentlich gar nicht lustigen Stückes auszuloten.
Das fränkische Theater hat unter Anne Maar ein glückliches Händchen, begabte Schauspieler und bewährte Regisseure nach Maßbach einzuladen und ihnen entsprechende Rollen anzubieten. So fand Heiermann in Elmar Börger den umtriebigen Manager der dilettantischen Strippertruppe, der alle mitreißt, eigentlich aber nur seinen kleinen Jungen zurückgewinnen will.
Georg Schmiechen briilierte als Hardrocker mit "Born to be wild", -um im nächsten Moment an seinen überflüssigen Pfunden zu verzweifeln. Christoph Schulenberger mutiert vom Selbstmordkandidaten zum grotesken Showtänzer, dessen tänzerische Beinarbeit das Publikum zu Beifallstürmen hinreisst und zu dem sich der kesse Gavin alias Philipp Locher magisch hingezogen fühlt. Carsten Stier fegt trotz Krücke als Rapper über die Bühne in der verwaisten Fabrikhalle, in der der ehemalige Vorarbeiter und Amateurtanztrainer Graham, -ganz überzeugend Marc Marchand-, der eigenwilligen Truppe einfachste Tanzschritte beibringen will.

Ganz oder gar nicht

Während die Songs schon ganz gut klappen und man bei "We are the Champions" zu Gemeinsamkeit und Zuversicht findet, gestalten sich die erotischen Einlagen zum echten Problem über die eigene Scham des chaotischen Strip Ensembles. Als dann aber der Saal gemietet ist und der Tag der Aufführung bevorsteht, dreht sich plötzlich alles nur noch um eine einzige Frage: Tun wir's oder tun wir's nicht. Eine Tüte mit glitzernden String Tangas, die Dave verteilt, beruhigt "Die Wilden Stiere" nur kurz. Bevor sie die Bühne bei der "Ladies Night" stürmen, bleibt die entscheidende Frage "Ganz oder gar nicht".
"Ladies Night" wird auf der Freilichtbühne von Schloss Maßbach noch bis zum ersten Augustwochenende gespielt. Während der WM gilt: Wenn sich drei Ladies anmelden zahlen nur zwei.