Die Zahl der kleinen Waffenscheine stieg 2016 um 71 Prozent auf 577. Der Polizei macht die Zunahme der Schreckschuss-Pistolen Sorgen.
Zwei Tage vor Weihnachten feuerte ein Mann in Münnerstadt eine Signalwaffe ab, bei der Franken-Sachs-Classic schoss ein Anwohner in Bad Kissingen mit einer Schreckschuss-Pistole aus dem Fenster. Beides löste große Polizei-Einsätze aus, beides macht der Polizei Sorgen: "Wir sind natürlich nicht besonders erbaut, wenn sich die Bevölkerung mit Waffen eindeckt", sagt Stefan Haschke, Leiter der Polizeiinspektion (PI) Bad Kissingen. Zum Glück habe es heuer keinen verletzten Beamten gegeben, aber die Zahl der Täter mit Waffen nehme zu.
Zum Verwechseln ähnlich
"Das ist nur eine trügerische Sicherheit", kommentiert Haschke die Aufrüstung mit Schreckschuss-Waffen, und: "Man kann sich nicht richtig wehren." Dagegen bringe man sich gleichzeitig erheblich in Gefahr, weil eine täuschend echt aussehende Waffe immer zur Eskalation führe: "Man weiß nie, wie das Gegenüber reagiert."
Nicht nur Polizisten, sondern auch Waffen-Experten haben Probleme, auf die Schnelle eine echte von einer Schreckschuss-Pistole zu unterscheiden. "Ich habe mir sicherheitshalber die Nummern aufgeschrieben", sagt etwa Sachbearbeiter Burkard Weber auf dem Weg in den Tresorraum des Landratsamtes, in dem beschlagnahmte Waffen lagern. "Hier liegt alles, was die Polizei einsammelt, wir leiten es zur Verschrottung ans Landes-Kriminalamt weiter."
Vor allem bei den kleinen Waffenscheinen, die zum Führen einer Signal-, Reizstoff- oder Schreckschuss-Waffe in der Öffentlichkeit berechtigen, registriert Weber eine extreme Zunahme: 2013 wurden 15 beantragt, das Jahr drauf 15, ein Jahr später 46. 2016 dagegen gab alleine das Landratsamt Bad Kissingen 129 aus. Insgesamt stieg die Zahl auch durch Zuzüge von 337 auf 577, also um 240 oder 71 Prozent. Dabei seien längst nicht alle Anträge durchgegangen: "Es fällt ungefähr ein Drittel durch die Prüfung", verweist Weber darauf, dass es bei Vorstrafen eine Ablehnung gibt.
"Das ist aktuell nur Panikmache", vermutet Weber als Ursache für die extreme Zunahme. Weber stellt zudem klar, dass das Abschießen von Leuchtmunition an Silvester mit Schreckschuss-Pistolen verboten ist. Wer das trotzdem macht, verliere den Waffenschein. Extrem abgenommen hat die Zahl der großen Waffenscheine von 112 auf 15, weil Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen neuerdings nur noch eine Waffentrageerlaubnis für den Dienst erhalten.
Kriminalität seit Jahren rückläufig
Entgegen der landläufigen Meinung können laut Weber Pfefferspray oder Einhand-Messer auch mit Waffenscheinen nicht legalisiert werden: "Grundsätzlich kann man nur Sprays mit der Aufschrift Anti-Dog mit sich führen, bei Messern muss man einen nachvollziehbaren Grund nachweisen."
Dass ein Messer in der Tasche kein Kavaliersdelikt ist, betont auch Haschke: "Schon das Mitführen einer Waffe wirkt strafverschärfend." Der Bad Kissinger Polizei-Chef sieht keine Veranlassung für eine Aufrüstung: "Die Kriminalität hier in der Region ist seit Jahren rückläufig", verweist er auf die Statistik. Zwar zeichne sich für 2016 ausnahmsweise eine Zunahme ab, aber nicht bei Gewaltdelikten, sondern bei "Betrügereien, Diebstählen und Sachbeschädigungen". Wer sich gerade daheim schützen wolle, solle lieber sein Haus einbruchsicher ausstatten, lautet sein Tipp.
Rund um das Waffenrecht
Dokumente Wer eine Waffe kauft oder erbt, benötigt eine Waffenbesitzkarte. Sie berechtigt auch zur Benutzung in bestimmten Situationen, etwa auf dem Sport-Schießstand oder zur Jagd. Dorthin müssen die Waffen - mit Ausnahme der Jäger - in geschlossenen Behältern und ungeladen transportiert werden. Wer eine Waffe in der Öffentlichkeit führen will, muss beim Landratsamt einen Waffenschein beantragen.
Besitz Das Landratsamt hat aktuell 3995 Waffenbesitzkarten an 2301 Waffenbesitzer ausgegeben und 12 900 Waffen registriert. Darunter fallen Sportschützen, Schützenvereine, Jäger, Sammler oder Sachverständige.
Voraussetzung Wer Waffenschein oder Waffenbesitzkarte beantragen will, muss mindestens 18, Sportschützen, die Großkaliber schießen wollen, sogar 21 Jahre alt sein. Zudem müssen Zuverlässigkeit, Sachkunde und persönliche Eignung belegt werden. Ausschlusskriterien sind unter anderem psychische Erkrankungen oder Zugehörigkeit zu extremistischen Vereinigungen.
Nachweise Jäger benötigen einen gültigen Jagdschein, Sportschützen die Bestätigung eines Vereins. Wer den großen Waffenschein möchte, muss den Bedarf nachweisen, etwa Inhaber von Wachfirmen oder besonders bedrohte Personen.