Das Warten der Einzelhändler auf den Baubeginn in der Fußgängerzone hinterlässt erste Spuren: Investitionen werden zurückgestellt, Ausbildungsplätze nicht vergeben. Ein Ortsbesuch.
Große Ereignisse, so sagt man, werfen ihre Schatten voraus - im Fall der geplanten Großbaustelle "Fußgängerzone" ist der Schatten ein angedetsches Vordach über der Boutique "Zeit für Mode". Der Sachschaden beläuft sich auf 20 000 Euro. Beheben muss ihn Heiko Grom, Inhaber der Boutique und kommissarischer Vorsitzender der Werbegemeinschaft Pro Bad Kissingen.
Er sagt: "Vor ein paar Wochen ist einer gegen das Dach gefahren - repariert ist das Ganze jetzt nur provisorisch, wenn dann die Baustelle kommt, fährt mir am Ende wieder jemand rein."
Sparen am Personal
Bauschäden sind nur eine Begleiterscheinung, weniger Kunden sind die andere, schwerwiegendere.
Und da weniger Kunden im Umkehrschluss auch weniger Personal bedeutet, hat Grom seit bekanntwerden der Umbaumaßnahmen keinen Lehrling mehr eingestellt. Das war 2013. Mittlerweile hätte der nicht eingestellte Lehrling ausgelernt.
"Dornröschenschlaf", nennt Einzelhändler Michael Pal das, was er bei einigen seiner Kollegen derzeit beobachtet. Investitionen werden seit bekanntwerden der Baumaßnahme immer öfter zurückgestellt.
Unter Umständen habe dies auch Auswirkungen auf Handwerksbetriebe, die länger auf Aufträge warten müssten.
Ein Gegenbeispiel ist Salvatore Lonetti. In der ehemaligen Weinstube am Marktplatz hat er im Januar sein Restaurant La Bella Vita eröffnet. Von der drohenden Baustelle habe er zwar schon damals von den Nachbarn erfahren, an seinen Plänen hat das nichts geändert.
Mit leichtem italienischen Akzent sagt er: "An jedem Marktplatz gibt es früher oder später Baustellen, das ist ganz normal. Das war auch in Bad Brückenau schon so." Das einzige, das ihn stört, sagt er, sind die fehlenden Informationen von Seiten der Stadt. Und da geht es ihm auch wieder wie allen anderen.
Als 2013 die Sanierung der Fußgängerzone erstmals beschlossen wurde, waren die Einzelhändler nicht begeistert.
Eine Baustelle vor der Tür ist nun mal kein Kundenmagnet. Während der Bauphase sollen unter anderem die alten Bodenplatten ausgetauscht, die Straßenbeleuchtung erneuert und ein neuer Vorplatz am Landratsamt geschaffen werden. Baulärm und Erdbewegnungen - eine Aussicht, die angesichts der momentanen Unsicherheit noch das kleinere Übel ist.
"Wir harren der Dinge und warten auf den Startschuss", sagt Pal.
Anfang 2014 war der ursprüngliche Baubeginn angesetzt. Dann wurden die Heilquellen entdeckt - oder besser: deren Schutz während der Baumaßnahme. Die Folge: Eine Kanalsanierung musste zusätzlich geplant werden und der Baubeginn verzögerte sich auf bisher unbestimmte Zeit.
Zwölf Millionen Euro, so der letzte Stand, werde die Kanalsanierung kosten, 13 Millionen Euro die Bauarbeiten an der Fußgängerzone.
Könnte Grom sich etwas wünschen, es wäre eine bessere Kommunikation von Seiten der Stadt. Er kann verstehen, sagt er, dass alles mitunter recht kompliziert sei. "Aber ab und zu eine Information über die groben Planungen wäre schon schön." Auch um sich mögliche Aktionen auszudenken, die trotz
Baustelle Kunden in den Laden locken. Mit dem richtigen Baustellen-Marketing, sagt Grom, könne man am Ende wohl mit einem blauen Auge davonkommen.
Das Theater und die Baustelle
Der Mann, der für Schadensbegrenzung bei den rund Hundert von der Baumaßnahme betroffenen Einzelhändlern maßgeblich verantwortlich sein wird, sitzt im ersten Stock des Bad Kissinger Rathauses.
Michael Wieden ist der städtische Wirtschaftsförderer und als solcher maßgeblich am Projekt "Neue Altstadt" beteiligt.
Baustellen-Marketing, sagt er, sei immer auch mit Einzellösungen verbunden. Die Herausforderung, die dahinter steht: "Wie halte ich dieses Gebiet attraktiv, auch touristisch?" Sobald er einen Ablaufplan über die einzelnen Bauabschnitte habe, sagt Wieden, setzte er sich mit den betroffenen Eigentümern zusammen und arbeite an
Möglichkeiten, die Einschränkungen möglichst gering zu halten.
Ein halbes Jahr Vorlaufzeit wäre dafür perfekt. Warum ein solches Konzept nicht bereits mit bekanntwerden der Baumaßnahme erarbeitet wurde, hatte sich Einzelhändler Pal etwas früher gefragt. Einzelfalllösung, sagt Wieden immer wieder. Das beginnt schon bei der Branche.
Gaststätten würden beispielsweise stärker in der Belieferung eingeschränkt sein als der Handel.
Heinz Stempfle ist Kreisvorsitzender des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes und kein pessimistischer Mensch. "Wer in die Kneipen will, der geht auch hin." Egal ob über provisorisch errichtete Stege oder aufgerissenen Asphalt. Wenn es denn mal akut werde, sagt Stempfle, würden einzelne Beschwerden der Gäste wahrscheinlich nicht ausbleiben.
Einen Einbruch der Gästezahlen befürchtet er erstmal nicht. "Ich hoffe, dass es alles so über die Bühne geht."
Eine Bühne, das könnte sich auch Wirtschaftsförderer Wieden vorstellen. Neben organisierten Baustellenbesichtigungen könne man beispielsweise auch eine Art Theaterfläche am Bau schaffen. Momentan ist es ja noch andersrum: Das Theater ist da, nur der Bau fehlt.