Seitdem Krankenkassen wieder für ambulante Badekuren zahlen müssen, hoffen viele in den Heilbädern, dass diese Form der Vorsorge eine Renaissance erlebt. Bevor es soweit ist, haben die Orte einiges an Starthilfe zu leisten.
Seit vergangenem Juni ist die ambulante Badekur wieder eine Pflichtleistung, für die die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen. Für Ralf Aulbach, Geschäftsführer des Hotels Erika in Bad Kissingen, hat sich das auch schon bemerkbar gemacht - zumindest etwas. "Ab August, September war da ein Anstieg zu spüren", berichtet er. Die Nachfrage sei zwar nicht durch die Decke gegangen, aber er habe immerhin wieder klassische Kurgäste bei sich begrüßt. "Vorher war da nichts", sagt Aulbach.
1996 wurde die Kur als Pflichtleistung gestrichen und wird seitdem von den Kassen nur noch in wenigen Fällen übernommen. Mit der anschließenden Kurkrise gingen in Bad Kissingen und im Hotel Erika wie in allen anderen Kurorten in Deutschland die Zahl der Kurgäste drastisch zurück, etliche Betriebe mussten schließen. Jetzt hofft Aulbach darauf, dass die ambulante Badekur eine Renaissance erlebt. Für den Standort Bad Kissingen wäre das eine große Chance. "An dem Thema müssen wir dranbleiben", betont er.
Zügige Terminvergabe erwartet
Das größte Problem auf dem Weg, die Badekur wiederzubeleben, sieht der Hotelier in dem Mangel an Kurärzten. Davon gebe es inzwischen nicht mehr viele. Gäste, die eine Badekur von ihrem Hausarzt verschrieben und von der Krankenkasse genehmigt bekommen, "erwarten, dass sie kurz nach ihrer Anreise einen Termin bei einem Badearzt kriegen." Der Badearzt erstellt dann den Behandlungsplan und verschreibt die notwendigen Anwendungen - von Bädern über Massagen bis zur Physiotherapie. Kein Badearzt, keine Kur. "Der Badearzt ist die wichtigste Stelle", sagt Aulbach. Die Politik müsse über finanzielle Anreize wieder mehr Mediziner dazu bringen, sich zu Balneologen fortzubilden.
Nach der Ärzteliste der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) sind in ganz Unterfranken aktuell acht Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Balneologie registriert, drei davon in Bad Kissingen, einer in Bad Bocklet, sowie je zwei in Bad Neustadt und Bad Brückenau. Nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums sind deutschlandweit nur noch etwas mehr als 5600 Mediziner als Balneologen tätig.
Kurarzt-Ausbildung teuer und unattraktiv
Anya Tchoumakova ist Praxismanagerin in der Hausarztpraxis ihrer Mutter Alla Tchoumakova in Bad Bocklet. "Die Balneologie ist für kommende Ärzte nicht sehr lukrativ", sagt sie. Die Zusatzausbildung koste viel Geld, bringe den Ärzten finanziell aber wenig ein. Vor allem sei es für Mediziner eine Belastung, die Ausbildung neben dem laufenden Praxisbetrieb zu stemmen. "Es ist schwierig, sich über Wochen die Zeit freizuschaufeln und eine Vertretung für die Praxis zu organisieren", sagt Anya Tchoumakova.
Ihre Mutter Alla Tchoumakova habe dennoch beschlossen, sich zum Badearzt fortzubilden. Sie hat im vergangenen Jahr die Praxis von Winfried Breitenbach übernommen, der sowohl als Allgemeinarzt, als auch als Kurarzt in Bayerns kleinstem Staatsbad tätig war. Tchoumakova will mit ihrer Ausbildung die entstandene Lücke bei der badeärztlichen Versorgung schließen. "Wir wollen Bad Bocklet unterstützen. Die Gemeinde braucht einen Kurarzt, damit die Gäste betreut werden. Uns ist wichtig, dass die Kurstadt eine Kurstadt bleibt", sagt Anya Tchoumakova.
Bad Bocklets Kurdirektor Thomas Beck sieht es als zentrale Aufgabe der Heilbäder, der Badekur wieder Leben einzuhauchen. "Deutschland hat 30 Jahre lang die Badekur nach unten gefahren. Wir müssen sie jetzt wieder aufbauen", sagt er. Seit Juni "haben wir vermehrt Anfragen von Menschen, die eine Badekur machen wollen." Die Grundstruktur dafür in Hotels, Kurhäusern und Pensionen sei noch vorhanden, bei den Kapazitäten in Therapiepraxen und vor allem bei der Versorgung mit Badeärzten sieht Beck Handlungsbedarf. Um die Versorgung zu verbessern, wäre es eine Möglichkeit, die Ausbildung zum Kurarzt zu bezuschussen.