AOK lehnt Kosten für alternative Krebsbehandlung ab.Begründung: Methoden der Schulmedizin waren noch nicht ausgeschöpft.
Vor sechs Jahren haben behandelnde Ärzte dem an aggressivem Prostatakrebs erkrankten Patienten Richard Freibott aus Steinach empfohlen, sein Testament zu schreiben. Viel Zeit dafür habe er nicht mehr. Am Dienstag hat Freibott beim Sozialgericht in Würzburg wieder einmal einen Prozess gegen die AOK Bayern auf Übernahme seiner Kosten "zum Überleben" verloren. Es ging um 19 836,39 Euro.
Dass er immer noch lebt, führt der inzwischen 68-Jährige vor allem darauf zurück, dass seine Lebensgefährtin Ulrike Dempsey sich ins Thema eingearbeitet, für ihn alternative Behandlungsmethoden gesucht hat und eine Kämpfernatur ist. Die Kosten bleiben sein "Privatvergnügen".
Dass er sich im Jahr 2019 überhaupt noch mit der Allgemeinen Ortskrankenkasse um Kostenübernahme streiten kann, ist für ihn der beste Beweis, dass die von ihm vorfinanzierten Behandlungen doch erfolgreich gewesen sein müssen.
Umfangreiche Akten
Selbst regelmäßige "Apotheken Umschau"-Leser hätten Probleme gehabt, die mündliche Kurzfassung der 11. Kammer des Sozialgerichts zum umfangreichen Akteninhalt zu kapieren. Im Mittelpunkt steht die Frage, warum der AOK- Patient eine offensichtlich - und sei es auch nur vorübergehend - erfolgreiche Behandlung selbst bezahlen muss.
Der Vorsitzende Christian Full gab sich Mühe, diesen Spagat zu erklären. "Sie haben alles richtig gemacht", sagte er zum Kläger, "der Erfolg gibt Ihnen recht, sonst würden Sie nicht hier sitzen", aber: es gebe Leitlinien, an denen sich das Gericht orientieren muss, weil AOK nicht Voll-Kasko bedeutet. Eine Therapie mit vorübergehend gutem Verlauf, bei der Krebszellen angeblich durch Hitze zerstört werden, hatte die AOK schon früher nicht finanziert, unter anderem mit der Begründung, dass sie nicht ausreichend wissenschaftlich abgesichert sei.
Ausschlaggebend für Ablehnung der Kostenübernahme in der neuen Prozessrunde mit einer nuklearmedizinischen neuen Behandlung ("Lutetium 177") im Klinikum von Bad Berka in Thüringen soll sein, dass der Patient vorher nicht "aus-therapiert" gewesen sei. Der Patient habe klassische Behandlungsmethoden nicht in Anspruch genommen, deren Kosten die AOK problemlos übernommen hätte.
Im November 2018 klagte Freibott wegen Kostenüber-nahme in anderer Sache vor dem Landessozialgericht in Schweinfurt. Dort herrschte, anders als jetzt beim Sozialgericht in Würzburg, ein ganz anderer, aufs Juristisch-Formale beschränkter Ton, der nicht einmal ansatzweise ein gewisses mitmenschliches Verständnis zuließ. Richter Christian Full hatte insoweit keine Hemmungen, fragte auch vorsichtig nach, Richtung AOK-Vertreter, ob man sich eine Verständigung, einen den Rechtsstreit beendenden Vergleich, vorstellen könne. Denn, so der Vorsitzende, er wünsche dem Kläger, dass er die ihm verbleibende Zeit für angenehmere Dinge, als für aufwändige Gerichtsverfahren verwenden könne.