Covid-Alltag in der Lungenfachklinik (2): Wie Patienten bei Jan Koch wieder das Atmen lernen
Autor: Benedikt Borst
Münnerstadt, Dienstag, 24. Mai 2022
Während die Pandemie im Alltag für viele in den Hintergrund rückt, ist sie im Thoraxzentrum weiter präsent. Zwischen künstlicher Beatmung und der Behandlung von Spätfolgen - Ärzte, Therapeuten und Patienten berichten.
Zwölf Betten belegt das Thoraxzentrum aktuell auf seiner Intensivstation. Die Ausstattung der Lungenfachklinik würde es zwar erlauben, bis zu 22 zu betreiben, der Mangel an qualifiziertem Intensivpflegepersonal steht dem jedoch entgegen. In den Betten liegen Tumorpatienten nach Lungenoperationen, Notfälle und seit mehr als zwei Jahren regelmäßig auch Covid-Patienten. Im Frühjahr hat sich die Situation in Bezug auf Covid zwar entspannt, zum Zeitpunkt der Recherche lagen aber dennoch zwei beatmungspflichtige Corona-Kranke auf der Intensivstation. Covid-Patienten haben die kritischste Phase ihrer Infektion meist in anderen Kliniken durchlitten und sollen in Münnerstadt von der künstlichen Beatmung entwöhnt werden. Diesen langwierigen und oft komplikationsbehafteten Prozess nennen die Fachleute "Weaning". "Wir haben viele kritische und schwer geschädigte Patienten aufgenommen. In der Regel haben diese einen langwierigen, schweren Verlauf hinter sich, zum Teil mit verschiedenenen Organersatz-Therapien wie Dialyse und ECMO", berichtet Jan Koch, leitender Oberarzt der Weaning- und Intensivstation. Die Mehrheit der Patienten sei ungeimpft.
Corona-Patienten, die auf der Station behandelt werden, haben nicht nur eine schwer geschädigte Lunge, sondern sind in der Regel körperlich sehr geschwächt und haben mit einer Vielzahl zusätzlicher Infektionen zu kämpfen. "Wer so schwer krank ist, ist anfällig für alles andere", erklärt Koch. Viele Folgeerkrankungen seien Kollateralschäden, die mit einer Intensivtherapie einhergehen; etwa Entzündungen an künstlichen Zugängen der Blutgefäße oder am Blasenkatheter, Nierenversagen und Infektionen mit multiresistenten Keimen. Zudem hinterlässt auch die maschinelle Beatmung Schäden am Lungengewebe.
Schwerstkranke Corona-Patienten sind kognitiv oftmals beeinträchtigt. Nachdem sie aus dem Koma erwachen, zeigen sich viele desorientiert, haben Wahrnehmungsstörungen, fühlen sich gar bedroht und benötigen angstlösende und beruhigende Medikamente. "Die Aufwachphase ist für diese Patienten mit vielen Stressphasen verbunden", sagt der Mediziner.
Erster Schritt: spontan atmen
Der Behandlungsplan ist für die Patienten eng getaktet. Bei der Morgenvisite legen Koch und sein Ärzteteam fest, wie der jeweilige Patient in den kommenden Stunden behandelt wird. Pflegekräfte fertigen Blutgasanalysen an, ein Team aus Logo-, Ergo-, Physio- und Atemtherapeuten kümmert sich um die Anwendungen. Atmen, Aufstehen, Sprechen, Essen. Es sind viele Prozesse, die angeschoben werden müssen. Koch betont: "Das Mobilisieren und das Weaning gehen Hand in Hand."
Ist der Gesundheitszustand stabil, beginnt das medizinische Team, die Patienten allmählich von der Beatmungsmaschine zu lösen. Als Erstes werden Spontan-Atmungsversuche gemacht, die Maschine also für kurze Intervalle vom Patienten getrennt. "Wenn der Patient das gut toleriert, werden die Phasen immer länger", erklärt Koch. Bis der Betroffene wieder von allein in der Lage ist zu atmen. Trotz der genannten Probleme und der möglichen Komplikationen besteht bei Covid-Patienten eine vergleichsweise gute Prognose, dass das Weaning erfolgreich verläuft.
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