Inklusion einmal anders: Musiker mit und ohne Behinderung bereiten sich auf ihr Adventskonzert vor. Die Nüdlinger Veehharfen-Gruppe will mit Klängen statt mit Handicap auf sich aufmerksam machen.
Drei Frauen wickeln eine Lichterkette um den Weihnachtsbaum im Speisesaal der Nüdlinger Lebenshilfe. Auch die Harfenspieler bereiten sich auf die Weihnachtszeit vor. Sie proben gerade für ihr Adventskonzert am 1. Dezember. Neben ihrer Arbeit in der Werkstatt treffen sie sich jeden Mittwoch und gehen ihre Stücke durch. Eine Woche vor dem Konzert üben sie jeden Tag. Aufgeregt sind die Musiker dabei aber meistens nicht.
Robert Koch schiebt das Notenblatt unter die 25 Saiten seiner Veeh-Harfe. Die Schablone passt genau auf die Decke des Instruments. Er spielt einstimmig, zupft seine Harfe mit einer Hand. Die Pflegekraft und Betreuerin, Sonja Eußner, zählt vor, und alle neun Spieler setzen ein. Seit zehn Jahren gibt es die Harfen-Gruppe der Lebenshilfe. Robert Koch ist seit dem Anfang dabei.
Gegründet hat die Gruppe Sonja Eußner mit zwei Harfen und einer Handvoll Spielern.
Früher haben sie nur für sich gespielt, erzählt die 56-Jährige. Inzwischen treten sie 15 Mal im Jahr auf. Bis in die Schweiz haben sie ihre Konzerte geführt. Hauptsächlich treten sie in der Region auf. Ihr Programm wechselt nach Jahreszeit. Von Kirchen- und Heimatliedern bis zu Stücken aus der Klassik: Ihr Repertoire ist bunt gemischt. So wie die Spieler. Die "integrative Gruppe", wie Sonja Eußner sie nennt, besteht aus Menschen mit und ohne Behinderung.
Vor fünf Jahren eingestiegen Rosemarie Schmitt aus Oberthulba ist vor fünf Jahren eingestiegen. Sie betreut die Gruppe mit, in der ihr Sohn Florian mitspielt. Er hat vor mehr als 20 Jahren mit dem Instrument angefangen, erzählt sie. Sie achte darauf, dass alle akurat spielen und es richtig lernen. "Das Zusammenspielen ist wie das Zusammenleben", meint Sonja Eußner.
"Man muss aufeinander hören und achten." Was die Menschen noch brauchen ist "Taktgefühl und Koordination". "Sie müssen sich unterordnen können und auch einmal Kritik annehmen", sagt Rosemarie Schmitt. Für die 64-Jährige ist die Harfen-Gruppe mehr als Freizeitbeschäftigung.
"Ich mag das Wort Inklusion überhaupt nicht, aber wir machen genau das." Das glaubt auch der Leiter der Nüdlinger Werkstatt, Martin Denninger: "Die Menschen treten in
Kontakt. Sie können Instrumente spielen, die zu Herzen gehen. Dadurch gewinnen sie Aufmerksamkeit und betreiben Öffentlichkeitsarbeit."
Auch den Musikern bringe es viel, meint Rosemarie Schmitt. "Sie gewinnen an Selbstwertgefühl." Auf der Bühne können sie zeigen, was sie können. Schon während der Probe spüre sie die Entwicklung: "Am Anfang ist das Gesicht noch verschlossen.
Dann sind sie entspannter, gelöster, ausgeglichener."
Das Besinnliche hören So geht es auch Carolin Schreiner. Sie arbeitet seit fast eineinhalb Jahren in der Werkstatt der Lebenshilfe. Im August ist sie in die Harfen-Gruppe eingestiegen. "Man ist beruhigt, wenn man das Besinnliche der Veeh-Harfe hört." Sie könne nach der Probe "wieder richtig entspannt arbeiten". "Die kleine Gruppe ist wie eine
Familie." Dafür gibt es auch einen Grund.
"Man achtet sich. Mit Stärken und Schwächen. Wir gehen ganz normal miteinander um. Jeder ist wie er ist und es ist normal, verschieden zu sein", sagt Rosemarie Schmitt.
Die Veeh-Harfe sei genau das richtige Instrument, meint Sonja Eußner. "Man muss keine Noten lesen können und man kommt schnell zum Erfolg." Kreise markieren auf dem Notenblatt, an welcher Saite der Musiker zupfen muss.
Ist der Kreis ausgemalt, spielt die Gruppe eine Viertelnote. Bei einem hohlen Kreis hält sie die Note zwei Schläge. Verbunden sind die Punkte mit Linien von oben nach unten. "Wir fahren immer der Straße entlang", sagt Rosemarie Schmitt. Ziel auf dem Weg übers Notenblatt ist die Begeisterung des Publikums und der Kontakt zu Menschen. "Wir wollen, dass das Publikum sagt, das war gut.
Sie sollen nicht sagen: Für Menschen mit Handicap war das gut."
Konzert im AdventDie Nüdlinger Harfengruppe gibt am Sonntag, 1. Dezember, ein Adventskonzert. Beginn ist um 17 Uhr in der St. Killian Kirche in Nüdlingen. Im Programm stehen adventliche und vorweihnachtliche Stücke.