Längere Anfahrt für den Mediziner
Trotz der vielen Ausfallzeiten sagt Markus Holleber: "Die Notfallversorgung ist da. Da gibt es nichts zu diskutieren." Könne ein sogenannter Notarztstandort nicht besetzt werden, versuche die Kassenärztliche Vereinigung, Ersatz zu organisieren. Dies gelinge nicht immer.
Dann kommt es vor, dass zum Beispiel ein Notfall in Fuchsstadt aus Gemünden, Karlstadt oder Bad Brückenau "versorgt" wird. Oder der Hubschrauber fliegt. In Euerdorf, wo Hollebers Praxis liegt, alarmiert die Integrierte Leitstelle Schweinfurt mal der Hammelburger, mal der Bad Kissinger Notarzt.
"Es kommt schon jemand; es dauert nur länger", sagt Holleber. In diesem Satz schwingt Kritik. Denn bei Notfällen wie Herzinfarkten, Hirnblutungen oder psychiatrischen Krisensituationen zählt die Zeit. Rettet frühes Dasein oft Leben oder zumindest eine bessere Gesundheit.
Keine Hilfsfristen für Notärzte
Sogenannte Hilfsfristen wie beim Rettungsdienst, der spätestens nach zwölf Minuten vor Ort sein muss, gelten für Notärzte nicht. Doch bei oben beschriebenen "speziellen Einsatzbildern" braucht es laut Holleber einen Notarzt vor Ort.
Lässt sich der Notarztdienst attraktiver gestalten - und damit Lücken schließen? "Schwierig", sagt Holleber. An den Bedingungen in Hammelburg oder dem Team der Rettungswache liege es nicht. Auch die auf wirtschaftlich getrimmten Kliniken könnten sich nicht so wie früher einbringen. Die Personaldecke sei dünn.
25 bis 50 Einsätze im Monat
Prof. Dr. Emanuel Fritschka ist Notarzt aus Leidenschaft. Im Schnitt fährt der Bad Brückenauer monatlich 25 Einsätze; es können aber bis zu 50 werden. Auch an Silvester wird Fritschka voraussichtlich im Einsatz sein. Übers Jahr gesehen, teilt sich der Bad Brückenauer die Notarztdienste mit drei Kollegen.
Dass eine Studie des Instituts für Notfallmedizin und Medizinmanagement der Uni München für den Bereich Bad Brückenau, der im Wesentlichen dem Altlandkreis entspricht, dennoch viele Fehlstunden (1735 im Jahr 2021) ausweist, sieht der Facharzt für Innere Medizin nicht als problematisch an.
"Die Notarztversorgung ist immer abgedeckt; das System ist nicht gefährdet durch Personalmangel", sagt der Bad Brückenauer. Es finde sich immer Ersatz aus den Bereichen Bad Kissingen, Hammelburg oder gar Schweinfurt. Umgekehrt fahren auch Bad Brückenauer Notärzte in diese Bereiche, wenn auch in geringerem Maße.
Fritschka verweist auch auf Entlastung durch die beiden Bereitschaftsärzte - einer ansässig in der Bereitschaftspraxis am Helios St. Elisabeth-Krankenhaus (Eli) in Bad Kissingen, der andere mobil unterwegs im gesamten Landkreis. Zudem fliege der Rettungshubschrauber, wenn kein Notarzt verfügbar sei.
Dennoch ist auch Emanuel Fritschka nicht wunschlos glücklich. Gut fände er, wenn noch ein Kollege aus der Franz-von-Prümmer-Klinik zum Brückenauer Team stoßen würde. Auch sei das Interesse von Schweinfurter und Würzburger Kollegen, draußen auf dem Land Notarztdienste zu schieben, gering, bestätigt er die Aussage seines Euerdorfer Kollegen Markus Holleber.
Von 30 Ärzten auf Liste nur wenige aktiv
Wieviele Ausfallzeiten vergangenes Jahr in Bad Kissingen und Umgebung aufgelaufen sind, kann der dortige Notarzt-Obmann Tobias Bohn nicht genau sagen. "Es sind aber nicht so viele."
Das mag daran liegen, dass Bohn als Dienstplaner mit 20 bis 30 Notärzten aus einem deutlich größeren Personalpool als Hammelburg oder Bad Brückenau schöpfen kann. Allerdings sei deren Engagement sehr unterschiedlich.
Der Bad Kissinger Kollege Ralph Brath und sein Sohn seien notfalltechnisch sehr aktiv; auch Ärzte des Eli würden sich beteiligen, aber außerhalb ihrer dortigen Dienstzeiten. Schließlich seien da einige Mediziner, die zwar in der Kurstadt wohnen, aber anderswo arbeiten. So schiebe ein Chefarzt einer Rehaklinik einmal im Monat Wochenenddienst.
Sollten dennoch Lücken entstehen, füllt die laut dem Anästhesisten Bohn die Kassenärztliche Vereinigung, oft durch Notärzte aus dem Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt. Für die Schichten steht den Notfallmedizinern ein Zimmer in der Rettungswache in der Landwehrstraße zur Verfügung.
Weite Fahrten zu Krankenhäusern
Den Notarztdienst sieht Tobias Bohn als "angemessen honoriert, aber auch sehr anstrengend" an. Für ein Problem hält er es eher, die grundversorgten Notfall-Patienten danach in Kliniken unterzubringen. Die ortsnahen seien meist knapp besetzt und stark ausgelastet; oft bleibe nur eine längerer Fahrt übrig. "Die längeren Fahrten, wenn die Patienten nicht vor Ort in Krankenhäusern aufgenommen werden können, führen naturgemäß auch zur längeren Abwesenheit des diensthabenden Notarztes."