Die Berliner Shakespeare Company begeisterte beim Theaterring im Bad Kissinger Kurtheater mit einer frischen, frechen, respektlosen und dennoch anrührend poetischen Inszenierung von Shakespeares "Ein Sommernachtstraum".
Bad Kissingen — 450 Jahre alt und noch kein bisschen veraltet! Weltliteratur und kein bisschen verstaubt. Zum Kaputtlachen und voller tiefer Einsichten in die Liebe, das Zusammenleben der Menschen. Derb, frech, respektlos und anrührend poetisch. All das ist Shakespeare im 21. Jahrhundert, wenn das Publikum ihn von Übermittlern wie der Shakespeare Company Berlin präsentiert bekommt.
Das hat sich offenbar nicht nur beim Bad Kissinger Theaterring, sondern bei noch einigen weiteren Fans herumgesprochen. So war das Kurtheater lange vor Beginn der Vorstellung des "Sommernachtstraums" ausverkauft. Schon seit 2007 spielen die Berliner in Bad Kissingen und stehen seitdem für vom künstlerischen Leiter der Truppe, Christian Leonard, meist selbst übersetzte spannende und rundum vergnügliche Begegnungen mit Shakespeares Werken.
Nah am Publikum Wie auf Shakespeares alter Bühne im elisabethanischen England wenden sich die Schauspieler auch während der Vorstellung mal ans Publikum, gehen mal rein in die Sitzreihen, treten von dort auf. Auch die Bühnenmusik spielt bei ihnen eine ähnlich große Rolle bei Shakespeare im 16. Jahrhundert: Mit Keyboard und Gitarre begleiten Vera Kreyer und Oliver Rickenbacher zentrale Monologe.
Singen, Summen, Nonsense-Liedchen oder Songs wie aus der deutschen Popszene tragen viel zu der poetischen Stimmung bei, die die Truppe verbreitet. Und das obwohl Christian Leonards Übersetzung kaum noch etwas zu tun hat mit der berühmten hochromantischen Übertragung von August Wilhelm von Schlegel, die die Deutschen beinahe 150 Jahre lang für ihren authentischen Shakespeare hielten.
Dafür hat seine Shakespeareversion zum einen viel zu tun mit dem Originaltext Shakespeares, zum anderen aber auch mit unserer Sprache, auch unserem Jargon in Sachen Liebesbeziehungen, um die es in diesem Stück ja geht.
Die bricht Shakespeare auf in gleich vier Handlungsebenen, die bei ihm säuberlich getrennt daherkommen. Am Anfang und am Schluss geht es um die bevorstehende Hochzeit des Herzogs Theseus mit der Amazonenkönigin Hippolyta, im Mittelteil um das heftige
Ver- und Entlieben der beiden Liebespaare Hermia und Lysander und Helena und Demetrius, das sehr effektiv bis über die Schmerzgrenze hinaus weiter verwirrt wird durch den unverschämten Elfenspaßmacher Puck. Dessen Herrschaften, Elfenkönig Oberon und seine Frau Titania, liegen gerade im Eheclinch, obwohl an ihrer Liebe zueinander keine Zweifel bleiben Und zur Hochzeit des Herzogs proben Laienschauspieler die seit der Antike für eine tragisch endende Liebesbeziehung
stehende Geschichte um Pyramus und Thysbe.
Durchblick auf das Wesentliche Die Shakespeare Company beginnt mit der Laientruppe und entwickelt alle übrigen Ebenen auf der Bühne, teilweise mit Verwandlungen vor den Augen des Publikums. Die raffiniert durch Streichungen und Kombination von Handlungselementen neu zusammengesetzten Sequenzen führen zu Durchblick auf das Wesentliche, Shakespeare Versuch, an einem Abend
unzählige Spielarten, Abgründe und Glücksmomente der Liebe darzustellen.
Die Regie von Doris Harder, die schauspielerische Lust von Vera Kreyer (Quenz, Helena, Spinnweb, Prolog), Elisabeth Milarch (Schnapp, Hermia, Bohnenblüte, Löwe), Kim Pfeiffer (Schneuz, Hipolyta, Puck 2, Mauer) Oliver Rickenbacher (Hungerling, Lysander, Puck I, Mond), Erik Studte (Botten, Demetrius, Elf, Pyramus) und dem an diesem Abend in Bad Kissingen in seiner Rolle absolut überzeugend
debütierenden Michael Günther (Flott, Theseus, Oberon, Thysbe) machten immer wieder deutlich, worum es ging, welcher Handlungsstrang gerade verhandelt wurde.
Es entstand ein wunderbar kurzweiliger Shakespeareabend, der trotz Entschlackung mittels Eliminierung all der Gelenkszenen, Rückverweise und Doppelungen die wesentlichen, auch berühmten Szenen plastisch und auch anrührend herausarbeitete.
Die Frage, wie denn Elfen aussehen, beantworteten Gabriele Kortmann (Kostüme) und Coco Ruch (Bühne) mit Traumgestalten, wie sie auch die Malerei der Romantik kennt. Als Elfen verwandelten sich die Schauspieler in kreischende, gurrende Nachtvögel, deren Laute sie in unzähligen Varianten nachahmten, deren Balztänze sie parodierten. So ging es hier auch immer wieder animalisch eindeutig zu - zum lautstarken Vergnügen des Publikums.
Doch glitt trotz deftiger Sprache die Inszenierung an keiner Stelle ab in eine vordergründige Veralberung.
Die Berliner schafften ihre Wanderung auf dem schmalen Grat zwischen Blödelei und tiefer Bedeutung auch dieses Mal wieder und unterhielten so ihr Publikum meisterhaft.