In "Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel" trifft der Vertreter der alten Schule auf den Cheflobbyisten der Weihnachtsindustrie. Die Schauspielenden sorgen für ein hochkonzentriertes, temporeiches, von steten Rollenwechseln geprägtes Spiel. Und es gab überraschende Aktionen.
Ein Weihnachtsstück für Kinder ab sechs Jahren - da stellt man sich Vorfreude, glänzende Augen, Friede, Freude, Eierkuchen, ein bisschen Lichterglanz und Lametta vor und natürlich einen Weihnachtsmann mit rotem Mantel und weißem Rauschebart. Aber man wird schon ein bisschen vorsichtiger, wenn man den Titel des Weihnachtsstückes von Cornelia Funke liest oder hört, das die Maßbacher jetzt in der Lauertalhalle aus der Taufe gehoben haben: "Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel".
Da muss mit ihm oder seinem fliegenden Rentierschlitten irgendetwas passiert sein. Mit Abstürzen ist nicht zu spaßen. Bedeutet, dass etwa, dass Weihnachten demnächst ausfällt?
Raue See und ein gelbes Schlauchboot
Fast! Aber fangen wir von vorne an: Der Beginn ist wirklich dramatisch: eine dunkle Bühne, eine bedrohliche Klangkulisse aus tobendem Sturm und brechenden Wellen und einem brutal arrangierten Ausschnitt aus Antonio Vivaldis "Winter" aus den "Vier Jahreszeiten". Ungemütlicher geht's nicht. Aber es taucht nicht ein havarierter, triefend nasser Weihnachtsmann auf, sondern ein großes, gelbes Schlauch- oder Rettungsboot fliegt auf die Bühne, hinter dem fünf Leute auftauchen: Alexander Baab, Tonja Fechter, Marc Marchand, Silvia Steger und Nikolas Weber. Richtig, das sind die Namen der der fünf Schauspieler. Rollennamen werden nicht genannt. Dazu sind es zu viele, in die sie alle schlüpfen müssen, und immer wieder wird eine Rolle auch von verschiedenen Leuten gespielt. Das klingt verwirrend, ist es aber nicht, denn die Zuordnung ergibt sich aus der Handlung, und immer wieder werden auch die Namen eindeutig genannt.
Waldemar Wichteltod und seine brutalen Nussknacker
Das sitzen sie nun im Irgendwo, die vier Gestrandeten, die offenbar auf der Flucht sind und nur das mitnehmen konnten, was sie am Leib tragen oder was in einen kleinen Rucksack passt - also auch keine Weihnachtsgeschenke oder etwas Süßes - und beginnen, weil sie nichts anderes tun können, Geschichten zu erzählen. Ein bisschen erinnert das an Giovanni Boccaccios "Decamerone". Und da dort, wo sie vielleicht hin wollten, eben bald Weihnachten ist, kommen sie genau auf dieses Thema, erzählen sich die Geschichte vom echten Weihnachtsmann Niklas Julebukk, der mit seinen Weihnachtskobolden vor Waldemar Wichteltod und seinen brutalen Nussknackern fliehen muss, den Wichteltod versucht, die Herrschaft über das Weihnachtsland an sich zu reißen. Bei einer Notlandung gerät Julebukk in eine Wohnstraße - und damit in die Realität - und trifft auf Ben und Charlotte, die zufällig da sind, aber sich ziemlich schnell anfreunden.
Julebukk braucht die Hilfe der beiden, denn alleine kann er es nicht schaffen, den Kindern den Wunsch nach weißen Weihnachten zu erfüllen. Aber die beiden geraten in einen Hinterhalt von Waldemar Wichteltod. Mehr sei nicht verraten, aber man kann sich ja vorstellen, wie ein Weihnachtsstück ausgeht, wenn es am Ende ein Schneetreiben gibt und Charlotte Benn zum Weihnachtsessen einlädt.
Viele bunte, durchaus auch lustige Einfälle
Christina Schidlowsky hat das Stück für die Maßbacher inszeniert, und es ist erstaunlich gut gelungen, mit vielen bunten, durchaus auch lustigen Einfällen das Spiel zu verdichten und trotzdem die wichtigen Linien immer sichtbar zu halten. Denn im Grunde geht es in der Auseinandersetzung zwischen Julebukk und Wichteltod um zwei verschiedene Konzeptionen des Festes jenseits der Weihnachtsgeschichte des Lukas-Evangeliums. Es geht also nicht um die Geburt von Jesus, sondern um den das Fest begleitenden Mythos vom Weihnachtsmann. Julebukk ist der Vertreter der alten Schule, der seine Kobolde ausschickt, um den Kindern ihre Wünsche abzulauschen und diese dann mit handwerklichen oder organisatorischen Mitteln zu verwirklichen. Da bieten sich viele kleine poetische Ecken. Sein Kontrahent Wichteltod ist die Cheflobbyist der Weihnachtsindustrie, für den sich das Fest und das Schenken zuallererst in Sonderkatalogen abspielt, für den Weihnachten ein lukratives Großereignis sein muss. Deshalb muss Julebukk auch verschwinden. Aber es tauchen natürlich auch andere Themen auf wie das Wünschen, Freundschaft oder Hilfsbereitschaft.
Es ist interessant zu beobachten, wie der Handlungshauptstrang eigentlich immer unwichtiger wurde, weil es so viel zu sehen und zu entdecken gab, weil man sehr konzentriert sein musste, wenn man den Schluss nicht verlieren wollte. Kinder tun sich damit ja erheblich leichter.