Pfarrer ist ein wunderbarer Beruf

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"Gute Nacht Freunde, es ist Zeit für mich zu gehen", spielt und singt Pfarrer Joachim Pennig auf seiner Gitarre. Die ausgeräumten Regale im Hintergrund sind Zeichen der Aufbruchstimmung, die derzeit im Münnerstädter Pfarrhaus herrscht. Foto: Heike Beudert
"Gute Nacht Freunde, es ist Zeit für mich zu gehen", spielt und singt Pfarrer Joachim Pennig auf seiner Gitarre. Die ausgeräumten Regale im Hintergrund sind Zeichen der Aufbruchstimmung, die derzeit im Münnerstädter Pfarrhaus herrscht. Foto: Heike Beudert

Nach fast 40 Jahren endet für Pfarrer Joachim Pennig sein Berufsleben als evangelischer Pfarrer. Zehn Jahre davon verbrachte er in Münnerstadt.

Mit dem Jahr 2016 endet für den evangelischen Pfarrer Joachim Pennig nicht nur seine Münnerstädter Zeit, sondern auch sein berufliches Leben. Er geht in den Ruhestand. Zehn Jahre hat der Seelsorger die Münnerstädter Gemeinde geleitet. An Silvester wird er sich von den Gläubigen und der Stadt offiziell verabschieden. Die Bilanz seiner Münnerstädter Jahre und seiner Tätigkeit als Pfarrer fällt sehr positiv aus.

Sie waren knapp zehn Jahre in Münnerstadt als evangelischer Pfarrer tätig. Mit welchem Gefühl verlassen Sie ihre Gemeinde?
Pfarrer Joachim Pennig: Also, mit zwei weinenden und zwei lachenden. Mit zwei weinenden Augen, weil es so eine Gemeinde wie die evangelische in Münnerstadt, da glaube ich ganz fest daran, kein zweites Mal auf der Welt gibt. Die Gemeinde würde ich liebend gerne in der Hosentasche mitnehmen - egal wohin ich gehe. Es hat damit zu tun, dass die Leute, die hier sind, halt alle Zugereiste sind. Das heißt, niemand pocht auf eine Tradition. Niemand glaubt, dass er besser weiß, wie es funktionieren muss. Man setzt sich zusammen, überlegt gemeinsam "Machen wir das". Und damit bleibt auch der Spielraum, dass man etwas ausprobieren kann. Die Leute kommen und hören es sich an, auch wenn man manches wieder aufhört. Aber manches ist auch einfach toll angekommen.

Und die lachenden Augen?
Es ist gut, wenn man irgendwann einmal gehen und sagen kann: "Jetzt sollen die Jungen mal machen." Denn manche Sachen liegen mir nicht mehr. Die modernen Computerprogramme zum Beispiel, obwohl ich technisch interessiert bin. Das ist nicht mehr so richtig meine Welt. Lachend auch deshalb, weil wir eine tolle Ruhestandswohnung in einem Umfeld gefunden haben, das alle Kriterien erfüllt, die wir uns einmal überlegt hatten, wenn wir in Ruhestand sind.Wir haben eine ganze Weile gesucht im Raum Aschaffenburg, weil dort unsere Tochter mit den Enkelkindern lebt. Da gibt es ein Schwimmbad in Fußentfernung, einen Bahnhof und eine Bushaltestelle vor der Tür. Nebenan ist ein Altenheim, wo wir auch Leistungen buchen könnten, wenn wir sie einmal brauchen. Die evangelische Kirche ist auch zu Fuß zu erreichen.

Was war ihnen in ihren Münnerstädter Jahren besonders am Herzen gelegen?
Es war vor allem auch die Erwachsenenbildung. Diese ist ein urevangelisches Thema. Luther hat entdeckt, dass man den Menschen helfen muss, die Welt zu verstehen.

Wie sah diese Erwachsenenbildung dann bei Ihnen aus?
Einmal haben wir schwerpunktmäßig Musik gemacht. Zweitens hatten wir den evangelischen Mittwoch. Jeden Mittwochabend gab es eine Erwachsenenbildungs-Veranstaltung. Da gab es einmal eine Bibelstunde, einmal einen Film, mal ein Gespräch, einmal eine Diskussion oder eine Lesung, also ein sehr bunter Strauß an verschiedenen Programmpunkten. Es war jeden Mittwoch etwas. Insgesamt verlief das für mich erstaunlich gut.

Gibt es Dinge, die Sie gestört haben?
In der Kirchengemeinde wüsste ich gar nicht.Wir waren natürlich im Kirchenvorstand nicht immer einer Meinung. Manches, was ich im Kopf hatte, habe ich auch nicht gekriegt. Aber es war nie so, dass eine Gegnerschaft aufgekommen wäre. Es gab nie Punkte, wo wir uns entzweit hätten oder wo einer sauer zurückgeblieben ist.

Wie haben sie die Ökumene in Münnerstadt erlebt?
Mit den Amtskollegen gab es gar kein Problem. Am Anfang habe ich allerdings gedacht: "Man kann schon etwas an der Ökumene arbeiten." Ich kam aus einer funktionierenden ökumenischen Situation in Neu-Ulm. Dort hatten wir einen Arbeitskreis christlicher Kirchen (ACK). Da war es selbstverständlich, dass bei Einweihungen auch die ACK da war mit allen Vertretern der einzelnen Religionsgemeinschaften. Ich kam dann also hierher und das erste Feuerwehrauto wurde eingeweiht. Und der evangelische Pfarrer hat das aus der Zeitung erfahren. Da hab ich gedacht: "Was ist denn hier los; brennt es bei den Evangelischen nicht?". Aber es hat sich wesentlich verbessert, wofür ich sehr dankbar bin. Über die gesamtökumenische Situation denke ich, dass noch ganz viele Möglichkeiten bestehen, weil wir einen Papst haben, der - ich sag das einfach mal so - eigentlich evangelisch ist. In allem, was er denkt und tut und äußert, kann ich dem zustimmen.
Was wünschen Sie ihrer Gemeinde zum Abschied?
I n erster Linie wünsche ich der Gemeinde natürlich, dass wieder jemand auf die Pfarrstelle kommt. Und es wäre schön, wenn jemand da ist, der es schafft, wieder etwas in der Jugendarbeit zu machen. Das ist ein schwieriges Feld hier. Das hängt damit zusammen, dass die Ganztagsschule die Jugendarbeit unter der Woche fast unmöglich macht. Und dann am Wochenende wollen 115 andere Vereine in Münnerstadt auch die Jugend haben. Jeder will und braucht Nachwuchs.Vielleicht wäre es gut, sich mal in Münnerstadt zusammenzusetzen, um ein Modell für die Jugendarbeit zu finden. Da bräuchte man einen eigenen Moderator, der nach Möglichkeiten Ausschau hält, wie man Jugendarbeit in der Stadt organisiert, ohne dass die Jugendlichen zerrissen werden.
Ein weiterer Wunsch ist, dass das Potenzial, das wir in der Kirchenmusik haben, weiterlaufen kann. Unsere Chorleiterin Frau Federlein hat eine wirklich gute Hand. Ich wünsche zudem jeden Sonntag einen Organisten. Es ist zeitweise ein Riesenproblem, jemanden zu finden, der sich am Sonntagfrüh an die Orgel setzt und spielt. Wir haben im neuen Jahr einige Sonntage, für die wir noch niemanden gefunden haben. Und ich wünsche, dass von den guten Errungenschaften, die wir jetzt in den letzten zehn Jahren erreicht haben, etwas bleibt. Ich habe im Gemeindebrief von einem liturgischen Vermächtnis geschrieben.

Rückblickend auf eine lange berufliche Tätigkeit - Wie hat sich Ihrer Meinung nach der Beruf des Pfarrers in den vergangenen Jahrzehnten verändert oder hat er sich verändert?
Das ist eine schwere Frage, denn das hängt vom Pfarrer ab und davon, wie er seinen Dienst versteht. Bin ich mehr Lehrer, bin ich mehr Seelsorger, Liturg. Da gibt es eine große Bandbreite.

Als was haben sie sich gesehen?
S chwerpunktmäßig als Seelsorger, in zweiter Linie als Erwachsenenbildner und an dritter Stelle vielleicht als Liturg oder vielleicht besser als Hirte der Gemeinde, für die ich verantwortlich bin; ich schaue, dass alles gut läuft. Dass die Gläubigen ermutigt werden, dass sie getröstet werden, wenn sie es nötig haben, dass Mitglieder symbolisch in den Arm genommen werden, wenn sie eine Verletzung erfahren haben. Ich denke schon, dass ich auf diesen Ebenen etwas machen konnte.

Wie fällt ihre Bilanz des Berufslebens aus?
I ch habe so viele interessante Sachen erlebt und tun dürfen. Ich war so nahe an den Menschen dran in unterschiedlichsten Situationen, von der Geburt bis zum Sterben. Sicher gibt es ganz schwierige Situationen, beispielsweise wenn ein Kind beerdigt werden muss. Trotzdem: Ich finde, es ist ein so wunderbarer und schöner Beruf. Ich kann jedem nur empfehlen, Pfarrer oder Pfarrerin zu werden. Ich glaube, es gibt keinen umfassenderen Beruf, wo man so viele Interessen tatsächlich leben darf.

Werden Sie auch nach ihrem beruflichen Ausscheiden Aufgaben in der evangelischen Kirche übernehmen?
Es steht fest, dass ich meine Kurse als Kommunikationstrainer weitermache. Ich bin im Nebenberuf Kommunikationstrainer für Paare und für Familienteams. Es geht hauptsächlich darum, wie man miteinander redet, dass man einen Gewinn davon hat und die Liebe gestärkt wird, dass man sich versteht. In den Kursen fürs Familienteam geht es darum, wie man mit Kindern gewaltfrei umgeht. Ich habe schon Termine im neuen Jahr. Das ist auch ein ökumenisches Projekt. Ich bin zum Teil beim Amt für Gemeindedienst unterwegs oder mit dem Familienbund der Katholiken in Würzburg oder Bamberg.

Sie waren ja als Student nicht nur theologisch interessiert, sondern haben sich für verschiedenste Bereiche interessiert - Publizistik ebenso wie Astrophysik. Soll der Ruhestand dafür wieder mehr Raum geben?
Da ist bestimmt Spielraum. Das lasse ich auf mich zukommen. Wir ziehen ja nach Kleinostheim und da gibt es mindestens so viele Vereine wie in Münnerstadt. Nicht zu vergessen ist, dass unsere große Tochter in Aschaffenburg verheiratet ist und wir dort zwei Enkelkinder haben. Für die wollen wir mehr Zeit haben. Und natürlich möchte ich mit meiner Frau etwas mehr Zeit verbringen, weil die manchmal hinterher hat schauen müssen. Ich war halt oft beruflich unterwegs und nicht bei ihr. Und dann habe ich mir noch vorgenommen, endlich das Klavierspielen nach Noten zu lernen.

Abschiedsgottesdienst
Pfarrer Joachim Pennig verabschiedet sich an seinem letzten Arbeitstag, am Silvestertag, 31. Dezember, mit einem Gottesdienst in der evangelischen Kirche und anschließendem Empfang im Gemeindehaus von seiner Kirchengemeinde. Beginn ist um 14 Uhr.

Umzug

Am 2. Januar kommt der Möbelwagen. Pfarrer Pennig zieht nach Kleinostheim um.