Im Fränkischen Theater Schloss Maßbach ist Saint-Exuperys Märchen "Der kleine Prinz" nun als Schauspiel zu sehen.
Es ist schwer zu erklären, warum. Aber wenn irgendwo der Titel "Le petit prince" oder "Der kleine Prinz" genannt wird, dann bekommen die Menschen in Deutschland glänzende, wissende Augen. Das Büchlein mit dem übersichtlichen Text und den netten Bildern hat seit seinem Auftauchen in der Bundesrepublik in den 50er Jahren absoluten Kultstatus gewonnen. Vielleicht lag es dem Antagonismus des Autors und des Inhalts: Denn da schreibt ein "lonesome cowboy der Lüfte", ein Postflieger auf der Südamerikaroute und Kampfbomberpilot der französischen Luftwaffe, der 1944, ein Jahr nach dem Auftauchen des kleinen Prinzen, irgendwo im Atlantik verschwunden ist - da schreibt also Antoine de Saint-Exupéry ein Märchen über einen Außerirdischen, eine schwer greifbare Gestalt, über Phantasie, Freundschaft, Menschlichkeit und Treue, über Tugenden, mit denen er es - aber das wussten die Leser damals nicht - selbst nicht so streng gehalten hat. Mit seinen vorher entstandenen Fliegerromanen hatte Saint-Exupéry einen gewissen Erfolg gehabt, weil er da identifikationsfähige Helden lieferte. Aber im "Kleinen Prinz" entsteht eine teilreale Welt, hinter deren Rätseln man sich als Leser verstecken kann.
Vielleicht lag es aber auch daran, dass in den 50er Jahren alles, was an Literatur und Philosophie aus Frankreich in die junge Bundesrepublik kam, Staunen und durchaus auch Bewunderung auslöste, weil man in den zwölf zurückliegenden 1000 Jahren von den geistigen Entwicklungen im Nachbarland abgeschnitten war. Man denke an Sartre, Camus oder Ionesco, an den Existentialismus oder das absurde Theater. Und eben an Saint-Exupéry.
Episoden der Begegnung
Heutzutage kann man sicher nicht mehr sagen, dass jeder den "Kleinen Prinzen" kennt. Aber er ist fest verankert im bürgerlichen Bildungskanon. Im Französischunterricht war und ist er eine beliebte, sprachlich überschaubare Lektüre, und wer Kinder oder Enkel hat, ist ihm mindestens einmal im Theater begegnet. Denn er führt vermutlich immer noch die Charts beim Kindertheater an.
Im Intimen Theater tut er das nicht. Für die Kinder gibt es da im Moment "Pettersson und Findus". Daniela Scheuren, zum ersten Mal Gastregisseurin in Maßbach, hat den "Kleinen Prinz" für Erwachsene auf die Bühne gebracht. Es gibt schon einige Dramatisierungen des Textes, aber trotzdem war es mutig. Denn der Text in seiner ganzen sprachlichen lakonischen Verdichtung reicht aus, um Kinder für eine Stunde zu fesseln, ist aber eigentlich zu kurz für ein abendfüllendes Stück. Und es ist auch nicht wirklich spannend. Denn es setzt sich aus Begegnungsepisoden zusammen, die keine Entwicklung auf ein Ende hin bringen. Nachdem sich der kleine Prinz auf anderen Asteroiden und Planeten umgesehen und dort ein paar Typen getroffen hat, verschwindet er wieder.
Vertiefte Darstellung
Daniela Scheuren hat für ihre Konzeption diese Strukturen genutzt. Sie hat aus dem Werk eine Revue für drei Schauspieler gemacht und die einzelnen Teile mit Tanz und Gesang erweitert und auch vertieft - was von ihrem Trio weit mehr als nur schauspielerische Darstellung verlangte. Sie hat, was der Rezeption durchaus zugute kommt, den Text etwas stärker geerdet, indem sie der irdischen Rahmenhandlung mehr Gewicht gegeben hat. Da ist die junge Frau Roza-Maria (Silvia Steger), die kurz vor Weihnachten - da fühlt sich der Zuschauer stimmungsmäßig gleich mitgenommen - eine noch leere Bar betritt, die sie von ihrer Großmutter geerbt hat. Dort stößt sie auf den Piloten und Romanautor Antoine (János Kapitány), der sich nach einer Notlandung dort verkrochen hat. Die beiden lernen sich zögerlich kennen, als plötzlich der kleine Prinz (Benjamin Jorns) auftaucht. Die Geschichte kann ihren Lauf nehmen.
Bekannte Figuren
Da sind sie dann, die bekannten Episoden und Einsichten, von der berühmten Zeichnung der Schlange, die gerade einen Elefanten verdaut, der Exkurs über die gefährlichen drei Affenbrotbäume, die mit ihren Wurzeln den Asteroiden B 612 des kleinen Prinzen zersprengen können, oder die Transportkiste für das Schaf, das sich der bleiche Außerirdische so sehr wünscht. Da lassen sich die Stationen und vor allem die verschiedenen ebenso einsamen Personen, die der kleine Prinz auf seiner Suche nach Freunden und seiner Reise durch das Universum trifft, sehr gut und abwechslungsreich gestalten: der arrogante König, der Eitle, der Alkoholiker, der Geschäftsmann, der Geograf und andere (da wurde schadensfrei ein bisschen gekürzt), die in ihren hermetischen Welten leben. Was natürlich nicht fehlt, ist der Fuchs, den er zähmen muss und der - in unserem Fall ist es Antoine - die berühmten Sätze sagt, die Bindung zwischen zwei Wesen ermöglichen: "Man kennt nur die Dinge, die man zähmt" und: "Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast." Dann verrät er sein Geheimnis: "Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."
Mit der Choreographie von Dominik Blank hat Daniela Scheuren die Wirkung im Tanz vertieft. Wobei es keine klassischen Figuren waren, sondern sehr viel Persönliches, wohl auch Spontanes der drei Darsteller in ihren Bewegungen zueinander hin - und auch von einander weg - lag.
Wie überhaupt die persönlichen Biografien der drei von Anfang an mitspielten. Es war durchaus spannend, wie sich Silvia Steger, János Kapitány und Benjamin Jorns tanzend artikulierten - wobei es schon eine Kunst ist, sich auf der kleinen Bühne (Bühnenbild: Anita Rask Nielsen) bei den Sprüngen und Pirouetten keine blauen Flecken zu holen. Und es war eindrucksvoll, wie gut die drei singen und Klavier spielen (Benjamin Jorns) konnten, wie sie die Darstellung auf ein hervorragendes Niveau hoben.
Neue Freunde
Am Ende zieht der Alltag wieder in der Bar ein. Der kleine Prinz verschwindet im Universum, Antoine kehrt zu seiner vermutlich wieder flugfähigen Maschine zurück. Und Roza-Maria löscht das Licht und geht. Sie haben neue Freunde gewonnen. Und uns hat die Maßbacher Erde wieder.