90 Tonnen Bauschutt raus, 60 Tonnen Lehm-Hanf rein

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Das frühere Pfarrhaus von Kleinwenkheim wurde von Charlie Friedel und Anja Heide (hinten, vor der Türe) saniert. Dafür bekamen sie vom Altstadtverein den "Mürschter Nagel". Vorne auf dem Bild (v.l.) Kassier Wolfgang Joa, Nachbar Peter Bieberich, Co-Vorsitzender Peter Braun, Co-Vorsitzender Oliver Schikora, Co-Vorsitzender Josef Wilz und der Dritte Bürgermeister Andreas Trägner. Foto: Dieter Britz
Das frühere Pfarrhaus von Kleinwenkheim wurde von Charlie Friedel und Anja  Heide (hinten, vor der Türe) saniert. Dafür bekamen sie vom Altstadtverein  den "Mürschter Nagel". Vorne auf dem Bild (v.l.) Kassier Wolfgang Joa,  Nachbar Peter Bieberich, Co-Vorsitzender Peter Braun, Co-Vorsitzender Oliver  Schikora, Co-Vorsitzender Josef Wilz und der Dritte Bürgermeister Andreas  Trägner. Foto: Dieter Britz
Vier Jahre hat es gedauert, bis aus dem alten baufälligen Pfarrhaus in Kleinwenkheim wieder ein bewohnbares Schmuckstück wurde.Dieter Britz
Vier Jahre hat es gedauert, bis aus dem alten  baufälligen Pfarrhaus in Kleinwenkheim wieder ein bewohnbares Schmuckstück wurde.Dieter Britz
 

Der Münnerstädter Altstadtverein hat wieder den "Mürschter Nagel" verliehen. Diesmal ging er in den Stadtteil Kleinwenkheim, wo aus dem alten baufälligen Pfarrhaus wieder ein bewohnbares Schmuckstück wurde.

Diese Verleihung hatte echten Premierencharakter: zum ersten Mal seit dem Start dieser Aktion im Jahr 2003 ging der "Mürschter Nagel" in einen Stadtteil. Der Altstadtverein zeichnet damit Hausbesitzer aus, die ihre Gebäude vorbildlich renoviert und saniert haben. Charlie Friedel und seine Ehefrau Anja Heide haben das halb zerfallene Gebäude in der Dr. Severin-Illig-Straße 16, das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet wurde und lange als Pfarrhaus diente, in vierjähriger mühevoller Arbeit wieder bewohnbar und zu einem echten Schmuckstück im Dorf gemacht. Dafür wurden sie mit dem Mürschter Nagel auf einem Birnbaum-Holzbrett und der dazugehörigen Urkunde belohnt.

Zur Verleihung des Mürschter Nagels waren mehrere Vorstandsmitglieder des Altstadtvereins nach Kleinwenkheim gekommen. Mit dabei war auch 3. Bürgermeister Andreas Trägner. Der Co-Vorsitzende Peter Braun hatte, wie er sagte, schon vor einem Jahr ein Auge auf das Haus geworfen und festgestellt "Charlie, du kriegst den Nagel". Wie bei jeder Nagel-Verleihung vergaß er seinen Standard-Spruch nicht: "Ihr habt der Vergangenheit eine Zukunft geschenkt". Das Haus sei nachhaltig mit atmungsaktiven Baumaterialien saniert worden. Co-Vorsitzender Oliver Schikora ergänzte, "man sollte nicht ständig in Neubaugebieten was hinsetzen, sondern auch im Dorfkern selbst was tun".

Andreas Trägner dankte Charlie Friedel und Anja Heide im Namen der Stadt, dass sie dieses Haus saniert und damit entscheidend zu seiner Erhaltung beigetragen haben. Anja Heide und Charlie Friedel hatten natürlich viel zu erzählen über die Sanierung ihres Hauses. Der Gewölbekeller stammt schon aus dem Jahr 1772. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde hier ein Bauernhaus errichtet, das zum Pfarrhaus umgebaut wurde, nachdem der in Kleinwenkheim geborene Theologe Dr. Severin Illig die Pfarrei gestiftet hatte. Er hatte das mit der Bedingung verbunden, dass die damals selbstständige Gemeinde Kleinwenkheim dem neuen Pfarrer ein Pfarrhaus zur Verfügung stellt. Bis zum Jahr 2010 lebten die Pfarrer der direkt gegenüberliegenden Kirche St. Nikolaus hier. Der letzte Geistliche zog damals aus, da das Haus schlichtweg aus baulichen Gründen unbewohnbar geworden war.

Wenig fachmännische Renovierung

Charlie Friedel und Anja Heide, die bereits seit 1994 zur Miete in Kleinwenkheim lebten, kauften dem Eigentümer, der Stadt Münnerstadt, das Haus zwei Jahre später ab. Was auf sie zukommen würde, wussten sie. Das Gebäude war verwahrlost. Aufgrund diverser, offenbar wenig fachmännischer Renovierungen hatte die Bausubstanz stark gelitten. In einzelnen Räumen waren ganze Wände bis zur Decke komplett verschimmelt. Doch die neuen Eigentümer ließen sich nicht entmutigen. "Als wir das Haus übernommen haben, haben wir in einem Zimmer unter anderem einen großen Schlüssel gefunden. Das war der Schlüssel zur Kirche", erzählte Anja Heide schmunzelnd, "und einige Gegenstände für den Altar waren auch dabei. Wir haben natürlich alles zurückgegeben".

Mühsame Handarbeit

Charlie Friedel berichtete bei der Verleihung des Mürschter Nagels, dass er zum Entkernen zusammen mit Helfern 90 Tonnen Bauschutt aus dem Haus geholt hat - "in Eimern, denn im Haus ist es zu eng". Später kamen 60 Tonnen Lehm-Hanf-Gemisch wieder, auch mit Eimern, ins Haus zurück. Mit einer 15 bis 20 Zentimeter dicken Schicht wurden die Ziegelwände isoliert. Zahlreiche weitere Arbeiten waren nötig. Zum Beispiel war die Konstruktion der Deckenbalken zum Teil zerstört. Dass die Heizung, die Sanitäranlagen und die Elektroanschlüsse komplett erneuert werden mussten, versteht sich von selbst. Das Haus hat (noch) keine Fensterläden. Die meisten alten Läden sind erhalten.

Ameisen im Baumaterial

Natürlich gab es während der Bauphase auch unliebsame Überraschungen. Dazu zählt zum Beispiel ein großer Wasserfleck an einer Wand, der sich erst bildete, als alles fertig war. Sollte eine Leitung unsachgemäß verlegt und undicht geworden sein? Erst nachdem die Wand abgeklopft war, zeigte sich die Lösung: im Verborgenen hatten sich Ameisen angesiedelt, die mit dem Hanf-Lehm-Gemisch versehentlich eingeschleppt worden waren.

Nach vier Jahren waren die Arbeiten weitgehend abgeschlossen. Charlie Friedel und Anja Heide betonen immer wieder, dass ihnen auch Freunde und Nachbarn mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben, um aus dem alten baufälligen Pfarrhaus wieder ein bewohnbares Schmuckstück zu machen, das Zukunft hat. Nun sucht der Altstadtverein Vorschläge für die Verleihung des Mürschter Nagels im kommenden Jahr - "natürlich auch in den Stadtteilen", so Peter Braun.