Mit Heilpraktiker unter einer Decke - Beute: halbe-halbe

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Vor dem Kissinger Schöffengericht musste sich ein Mann verantworten, weil er gemeinsam mit einem Heilpraktiker Versicherungen um mehrere tausend Euro betrogen hat. Symbolfoto: Franziska Gabbert, dpa
Vor dem Kissinger Schöffengericht musste sich ein Mann verantworten, weil er gemeinsam mit einem Heilpraktiker Versicherungen um mehrere tausend Euro betrogen hat.  Symbolfoto: Franziska Gabbert, dpa

Ein Familienvater aus dem Landkreis hat zusammen mit seinem Heilpraktiker Versicherungen abgezockt und einen fünfstelligen Betrag kassiert.

Er hatte sich auf sein Wort verlassen, soviel bringt der Angeklagte gerade noch heraus. Pause. Der Mann schnieft und schluchzt, verbirgt sein Gesicht hinter der linken Hand. Über seine Schwägerin hatte er den Heilpraktiker kennengelernt, mit dem er Versicherungen über Jahre hinweg um mehrere tausend Euro betrog. Ein Geschäftsmodell, das dem Ehemann am Ende eine hübsche Summe aufs Familienkonto spülte. Im Strafverfahren vor dem Kissinger Schöffengericht kommt er mittels Verständigung und mit seinem Geständnis um eine Gefängnisstrafe herum.

Bar übergeben

37 571,73 Euro machten die Versicherungen für die privaten Leistungen locker. Auf den Rechnungen standen Behandlungen, die es nie gegeben hatte - von ihm, seinen beiden Kindern und seiner Frau. Heilpraktiker und Angeklagter betrieben das Spielchen über vier Jahre lang. Der Angeklagte kassierte die Rückzahlungen von der Versicherung und teilte sich die Beute mit dem Heilpraktiker. Wie vereinbart: halbe-halbe. "Ich sollte ihm die Hälfte geben. Bar. Keine Überweisungen", sagt der Mann auf der Anklagebank. Weiß-rot kariertes Hemd, Ende 40, Familienvater, Ehemann. Heute steht er wegen 44 Fällen von Betrug vor Gericht.

Eine halbe Stunde braucht der Staatsanwalt, bis er alle Zahlen heruntergerattert hat. Die dicken Akten vor ihm sind mit einem Gurt zusammengeschnürt. Hinter dem Schreibtisch des Richters stapeln sich die Unterlagen des Falls in einer Umzugskiste. Bei zwei Versicherungen hatte der Familienvater Zusatzversicherungen laufen, die Heilpraktiker-Leistungen übernehmen. Eine davon hatte er sich noch vom Bruder seines Heilpraktikers vermitteln lassen, ein Angestellter der Versicherung. Jene sei besser, habe ihm der gesagt. "Dementsprechend würde er die Rechnungen schreiben. So dass es passt." Er habe dem Mann vertraut, sagt er. Schließlich ließ er sich überzeugen. Zehn, vielleicht zwölf Jahre sei das her. "Er wollte die Rechnung etwas höher rausschreiben, damit er was davon hat." Irgendwann wurden die Behandlungen für die Versicherungen des Angeklagten dann nicht nur teurer, sondern zu ausgemachten Luftnummern. Die eingereichten Rechnungen liegen zwischen 355,20 Euro und 1075,60 Euro.

Der Angeklagte steht mitten im Leben, arbeitet seit vielen Jahren im gleichen Betrieb, sein Vorstrafenregister: leer. Das Gericht hat die meisten der neun Zeugen wieder ausgeladen. Der Grund: Der Verteidiger hat ein Geständnis angekündigt. Das wird zur Grundlage einer formellen Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Nach einer kurzen Beratung legt das Schöffengericht den Strafrahmen vorab fest: zwischen 16 und 20 Monate, mit Aussicht auf Bewährung. "Ich kann nicht mehr nachvollziehen, wann die Behandlungen waren. Wir waren oft bei ihm zu Hause oder er bei uns." Rudert der Angeklagte zurück?

Der Staatsanwalt hebt seine Stimme: Es sei bekannt, dass sich sämtliche Patienten absprechen, mit denen der Heilpraktiker sein Geschäftsmodell durchgezogen hatte. Nachdem auch der Richter deutliche Worte findet, lässt der Angeklagte über seinen Verteidiger ausrichten, dass er alles einräumt, was in der Anklage steht. In dem Zeitraum, in dem die Rechnungen gestellt wurden, habe es keine Behandlungen mehr gegeben. "Es wurde im Wesentlichen nur noch telefoniert. Hauptsächlich ging es darum, wie man es organisiert", sagt sein Anwalt.

"Preiswertes" Urteil

Der verurteilte Heilpraktiker ist am Amtsgericht Würzburg mit einer Bewährungsstrafe davongekommen. Ein Jahr und neun Monate hat der Mann als Strafe geerntet für 127 Fälle von Betrug und fünf Fälle von Steuerhinterziehung. Er gab alles zu. "Preiswerter geht's kaum. Damit ist er außerordentlich günstig gefahren", sagt der Chef-Richter am Kissinger Amtsgericht. Dieselbe Masche hat der Mann gleich mit mehreren Patienten und Pseudo-Patienten abgezogen. Seine Praxis ist in Schweinfurt, in Bad Kissingen hat der Heilpraktiker eine Zweigstelle eröffnet. Aufgeflogen war die Nummer, weil sich die Versicherungsunternehmen irgendwann jene Verträge genauer anschauten, die der Bruder des Heilpraktikers vermittelt hatte: oft waren seine Kunden verwandt. Dazu schöpften sie die Höchstleistungen aus.

Schamlos habe der Angeklagte die Versicherungen als "Selbstbedienungsladen" betrachtet, sagt der Staatsanwalt. "Ich kann nur sagen, dass es mir außerordentlich leid tut", sagt der Familienvater. Mit seinem Geständnis hat der Angeklagte das Gericht einen umfangreichen Prozess erspart. Für das Gericht ist klar: Der Initiator war der Heilpraktiker. "Wir gehen davon aus, dass der Angeklagte in einem gewissen Umfang auch Opfer war. Er hat sich verführen lassen." Dem Mann steht jetzt eine Pfändung bevor. Er kommt mit einer Strafe in Höhe von 17 Monaten davon, ausgesetzt zur Bewährung auf drei Jahre.