Marktbrunnen wird mit Strickzeug verhüllt

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Barbara Luther (vorne) verpackt mit Annemarie Fell, Rita Scholl und Julia Herrlein (im Hintergrund von links) den Brunnen. Foto: Angelika Silberbach
Barbara Luther (vorne) verpackt mit Annemarie Fell, Rita Scholl und Julia Herrlein (im Hintergrund von links) den Brunnen. Foto: Angelika Silberbach

Eine Verhüllungsaktion auf dem Marktplatz zieht die Blicke der Passanten auf sich.

Bestrickend schön schaut er aus, der Hammelburger Renaissance-Marktbrunnen. "Ist das jetzt die neueste Art von Gebäude-Vollwärmeschutz?", fragt ein Passant lachend die fünf Weltladen-Frauen. Die sind gerade dabei, den Marktbrunnen mit bunten Wollschläuchen zu umwickeln. "Vorsicht, das Wasser im Brunnen läuft, wenn jetzt die Wolldecken hineinfallen gibt es Hammelburger Filz", scherzt Barbara Stross im Vorbeigehen.
Immer wieder bleiben Einheimische, aber auch Touristen staunend und lächelnd stehen, kommen so mit dem Weltladen-Team ins Gespräch.

Sie erfahren, dass die Marktbrunnenverhüllung die Idee von Barbara Luther war, als Aktion zur Feier des zehnjährigen Bestehens des Weltladens am kommenden Marktwochenende. "Eines Nachts kam mir der Gedanke", erklärt die Hauswirtschaftslehrerin. Inspiriert habe sie das Guerilla-Knitting (Guerilla-Stricken), das zurzeit in Städten für so manchen Hingucker sorgt. "Mit unserer Aktion wollen wir zeigen, dass wir durch globale Strukturen alle miteinander verbunden, also ‚ver/fair-strickt‘ sind", so Gabriele Ordelheide, Geschäftsführerin des Weltladens.

Jeder Konsument sei durch seinen Einkauf in Produktionssysteme verwebt: entweder in ausbeuterische Systeme, die auf Kinderarbeit setzen und nicht vor dem Einsatz giftiger Chemikalien zurückschrecken, oder in nachhaltige, die sich an Vorgaben halten. Nachhaltige Produkte gibt es seit zehn Jahren im Hammelburger Weltladen zu kaufen. Das wird beim Herbstmarkt ausgiebig gefeiert, mit Brunch und vielen Informationen sowie einer Verlosung von Weltladengutscheinen unter den fleißigen Strickerinnen.

Um auf das Jubiläum aufmerksam zu machen und genügend Strickteile zusammenzubekommen, klapperten bei den Strickerinnen seit dem Frühjahr die Nadeln: zu Hause, im Urlaub, in der Mittagspause. Einer Frau half das Stricken aus einer beginnenden Depression.

Eine andere schöpfte wieder Lebensfreude nach einem Schlaganfall. "Auch im Weltladen hatten wir immer Strickzeug parat liegen", erzählt Rita Scholl. Das nutzten einige ältere Damen, die lieber gemeinsam und bei einem Plausch im Weltladen die Nadeln wetzten als alleine zu Hause zu sitzen. "Manche waren total glücklich, all ihre Wollreste sinnvoll entsorgen zu können", sagt Julia Herrlein.

Ein buntes Mosaik entsteht

Einige strickten glatt rechts, andere kompliziertere Ajour-, Zopf- oder Perlmuster. "Jede konnte ihrer Fantasie freien Lauf lassen", so Annemarie Fell. Eine Mutter stickte den Namen ihrer Tochter "Viola" auf ein 30 mal 50 Zentimeter große Rechteck. "Wir waren über die große Resonanz, die Kreativität und die Begeisterung der Mitstrickerinnen überrascht", verrät Henni Härtl. Am Ende waren es rund 400 Einzelteile die 100 fleißige Frauen gestrickt hatten. Die Einzelteile wurden aneinandergenäht und zu meterlangen Wollschläuchen verbunden.

Diese wurden um den Marktbrunnen geschlungen. Unkomplizierte Unterstützung leistete Bürgermeister Ernst Stross: Er schickte den Leiter des Bauhofs vorbei, um den Weltladenfrauen das sichere Umgarnen des Marktbrunnens zu gewährleisten. Die Wollschläuche wurden mit Drähten und Nadeln verknotet, einige wurden sogar aneinander gehäkelt. Herauskam ein kunterbuntes Kunstwerk. Der Brunnen sieht märchenhaft aus. Der umwickelte Innenraum erinnert ein wenig an ein türkisches Bad, gefertigt aus fantasievollen Mosaikmustern.

Barbara Luther hat übrigens auch ein Fahrrad "fair-strickt", das jetzt als Ankündigung vor dem Weltladen parkt. Für den seit einigen Wochen schon umstrickten Straßenlampenmasten in der Dalbergstraße ist das Weltladen-Team nicht verantwortlich. Das scheint tatsächlich eine Aktion von "Guerilla-Stricken" zu sein.

Der umstrickte Marktbrunnen ist jetzt schon eine Attraktion. Das Ehepaar Günter und Renate Weigert aus Kassel, das zurzeit zur Kur in Bad Kissingen weilt und Hammelburg einen Kurzbesuch abstattete, fotografierte bereits fleißig. Sie wollen am Wochenende zum Markt wiederkommen. Auch ein junges japanisches Ehepaar schoss fleißig Bilder. Der umstrickte Brunnen fasziniert alle, und irgendwie erinnert die Aktion an die "geheimnisvollen Figuren" am Heroldsberg, die ebenfalls mit ihrer Poesie verzaubern.