Das ist das Schöne an der Kissinger KlangWerkstatt, dass man vorher nie weiß, was am Ende rauskommt.
Denn da treffen sich junge Musiker mit erfahreneren Kollegen unter Anleitung eines Werkstattleiters - in diesem Jahr der Pianist Igor Levit, um in gemeinsamen Proben Werke zu erarbeiten und aufzuführen. Da gibt es natürlich keine Garantie, dass immer alles gelingt.
Igor Levit hatte in der kurzen Zeit ganzer Arbeit geleistet. Aber natürlich konnte noch nmicht alles so perfekt wie gewünscht sein, etwa bei Beethovens Variationen über "Se vuol ballare" aus
Mozarts Figaro. Marie-Ange Gouci am Klavier hatte den aufmüpfigen geister der Figur und der Musik sehr genau erfasst, aber die Geigerin Miriam Helms war hier noch zu zurückhaltend, zu wenig pointiert - und auch zu leise.
Höchst spannend geriet Jörg Widmanns "Nachtstück mit Marie-Ange Gouci, dem Klarinettisten Krzysztof Grzybowski - klanglich und gestisch erkennbar ein Schüler von Sabine Meyer - und dem Cellisten Andrei Ionita: eine gespenstische
Kulissenschieberei übersteigerter nächtlicher Wahrnehmungen.
Dann wieder Beethoven: seine Variationen "Bei Männern, welche Liebe fühlen" aus der "Zauberflöte" - ein Auftrag für Maxim Lando. Man konnte natürlich ein bisschen schmunzeln, dass ausgerechnet der 13-Jährige den Klavierpart übernahm, aber er ist ein pfiffiger Kerl, der mit der Tragikomik der Musik sehr gut umgehen konnte und in Ionita einen verständigen Partner hatte.
Dem hätte man allerdings ein Cello mit einem weicheren, nicht gar so farblos spröden Klang gewünscht.Auch bei Franz Schuberts "Weihestunde des punktierten Achtels", dem Notturno Es-dur, das er mit Helms und Levit achtbar über die Bühne brachte. Würde nicht Schubert darüber stehen, würde es heute vermutlich niemand mehr spielen.
Großartige Kammermusik war Igor Strawinskys "Geschichte vom Soldaten (Helms, Grzybowsky, Gouci), ungemein farbig und pointiert gespielt mit starkem Vortrieb und musikalischem Witz bis zum taumeligen Triumphmarsch des Teufels. Ein schöner Kontrast waren Robert Schumanns Drei Romanzen op. 94, in denen nicht nur Krzysztof Grzybowski mit seiner spielerischen und klanglichen Intensität à la Sabine Meyer beeindruckte, sondern auch Maxim Lando mit seiner aufmerksamen
Begleitung. Der romantische Furor wird sich bei ihm noch einstellen.
Zu Ende ging der erste Teil der KlangWerkstatt mit einer ungewöhnlichen. aber aparten Kombination: mit den Drei kleinen Stücken für Violoncello und Klavier op. 11 von Anton Webern, von Andrei Ionita und Igor Levit außerordentlich klangbewusst und sorgfältig, ein bisschen lakonisch und dadurch emotionalisiert musiziert, und mit dem Trio für Klarinette, Violloncello und Klavier a-moll
op. 114 von Johannes Brahms. Das zeigte das Funktionieren der KlangWerkstatt, denn Igor Levit steuerte aus dem Hintergrund des Flügels geschickt und unauffällig seine beiden Mitspieler, die nach vorsichtigem Beginn und wohl auch aus Respekt vor dem Werk immer mehr aus sich herausgingen und aufeinander zu spielten.So entstand eine wunderbare Dichte des Musizierens.
Der zweite Teil der KlangWerkstatt - hier war Feng Ning für seinen verletzten Geigerkollegen Marc Bouchkov
eingesprungen - begann mit einer echten Aufwachmusik: mit Beethovens außerordentlich zupackend und heiter gespielten "Gassenhauertrio". Julia Kociuban am Flügel machte Dampf, und Krzysztof Grzybowski und Danjulo Ishizaka (Violoncello machten gerne mit.
Bei Beethovens Sonate für Klavier und Violine Nr. 1 op. 12/1 merkte man, dass sie als Ersatz herhalten musste, denn die Klangbalance stimmte noch nicht.
Denn da spielte Feng Ning vor allem in dem Variationensatz seine Stimme so leise, dass er Gefahr lief, sie zu banalisieren. Das Problem hatten Shizhe Shen und Danjulo Ishizaka bei Bohuslav Martinus Variationen über ein slowakisches Thema, seine letzte Komposition, nicht, denn sie machten sich den volksmusikalischen Impetus dieser Variationen mit Feuer und Vortrieb zu eigen, nutzten die darstellerischen Kräfte dieser Musik.
Das letzte Werk war sozusagen die Vollendung der
KlangWerkstatt. Da spielten Feng Ning, Danjulo Ishizaka und Igor Levit, also drei Musiker, die sich bestens kennen, das hochdramatische Klaviertrio Nr. 2 von Dmitri Schostakowitsch. Da trieben sie die Musik in ein Klima der Kälte und Erbarmungslosigkeit, auf die man vorbereitet sein musste.