Wo heute die "Parkklinik Heiligenfeld" steht, kurte einst Walter Gropius. Der Revolutionär der Architektur konnte an der Wandelhalle bereits die Verwendung des neuen Baustoffs Beton studieren.
VON Dieter Jonas
Bad Kissingen — Geschichte beginnt vor der Haustür. Im Kleinen steckt das Große. Viele kleine Details können dem Vergessen entrissen werden und so zur Geschichtsschreibung beitragen. Zeitzeugen ergänzen die Biografie einer Stadt, Geschichte lebt, man muss ihr nur den Platz zur Entfaltung geben.
Da ist zum Beispiel die Geschichte eines "unbekannten Kurgastes" in der Bismarckstraße in Bad Kissingen.
Unbekannt? Walter Gropius, 1919, steht da in der Kurliste. In der Liste "Bekannte Kurgäste" ist der Name Gropius nicht zu finden. Dabei ist Walter Gropius (1883-1963) weltbekannt. Er ist kein Geringerer als der Begründer des Bauhauses. 1919 wurde der Architekt Nachfolger von Henry van de Velde als Direktor der Großherzoglich Sächsischen Hochschule für Bildende Kunst in Weimar.
1934 emigrierte er nach England, 1938 in die USA.
Was ist draus geworden? In den Semesterferien 1919 weilte er in Bad Kissingen zur Kur im "Sanatorium Dr. Marquardsen" in der Bismarckstraße. Wo ist dieses Sanatorium und was ist aus ihm geworden?
In Folge des florierenden Kurbetriebes gegen Ende des 19.
Jahrhunderts hat der südliche Teil der Bismarckstraße (seit 1893 so benannt), am Fuß des Altenberges, eine Siedlungserweiterung erfahren. Es entstanden bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges Sanatorien und Villen. Das Spektrum der rasch wechselnden Architekturstile und -moden dieser Zeit ist vom Klassizismus über den Neurenaissance, Historismus, den Jugendstil, Heimatstil bis zum Bauhausstil sichtbar.
Die Kurvilla am
Park Es war das Jahr um 1900. Ein Dr. Ernst Marquardsen aus Erlangen kauft unterhalb des Café-Restaurant Bellevue direkt an der Bismarckstraße südlich des Kurhotels "Mon Bijou" (hier kurte Sisi, das Haus wurde 1970 abgerissen) ein großes Grundstück und ließ darauf ein Sanatorium sowie seine künftige Villa (heutige Kurvilla am Park) errichten.
Marquardsen beauftragt für den Bau den jungen Architekten Karl von Loehr (1875-1958) aus München. Dieser war 1900 bereits als Sieger aus dem Wettbewerb mit 122 eingereichten Entwürfen für den Bau der eindrucksvollen evangelischen Kirche aus rotem Sandstein in Biebrich/Hessen hervorgegangen. Die architektonische Handschrift an dieser Kirche und der Villa am Kurpark in Bad ist unverkennbar.
Für die vornehme
Gesellschaft Im Jahre 1904 wird der Kurbetrieb aufgenommen. Die "Diä tische Kuranstalt" des Hofrates Dr. Marquardsen wurde bald ein Treffpunkt der "guten Gesellschaft". In schöner Lage am Fuße des Altenberges, dicht am Kurpark, fünf Gehminuten vom Luitpold-Bad und den Wandelhallen gelegen, konnte man gut kuren. Dazu gehörte ein großer schattiger Garten mit Liegeplätzen.
Von der Veranda hatte man damals einen herrlichen Ausblick in das Saaletal. Die Appartements mit Liegebalkons sind über einen Lift erreichbar und die vornehmen Gesellschaftsräume waren für damalige Verhältnisse erstklassig. Die Modernität des Kurwesens um die Jahrhundertwende wird auch in Bad Kissingen spürbar.
Alles vom Feinsten Auch die Gesundheitsbetreuung im Haus war gewährleistet.
Darunter war zu verstehen: Du-schen, elektrische Bäder, Massagen, Behandlung von Diabetikern, Magen- und Darmkranken, Spezialbehandlungen, Entfettungs- und Mastkuren. Also ein breites Gesundheits-Sortiment.
Einer der vielen Kurgäste war in diesem Kurhaus der Architekt, Begründer und Direktor des Staatlichen Bauhauses in Weimar (ab April 1919), Walter Gropius.
In den Semesterferien im Juli/August 1919 hielt er sich hier allein zur Kur auf.
Gropius in Bad Kissingen Sein Soldatendienst im Ersten Weltkrieg lastete schwer auf der Ehe mit Alma Mahler, der Witwe des Komponisten Gustav Mahler. Man kann davon ausgehen, dass Walter Gropius bei seinen Spaziergängen sich mit dem neuen Baustoff Eisenbeton oder auch Stahlbeton vertraut gemacht hat.
Am Beispiel der Wandelhalle konnte er die Einsatzmöglichkeiten dieses neuen Baustoffes betrachten. Zwei Jahre später hat er in Weimar das Denkmal für die Märzgefallenen in Stahlbeton gebaut.
Nach dem Tod von Dr. Marquardsen 1921 wurde der Kurbetrieb noch bis 1928 fortge-führt. Danach wurde das Haus von der Allgemeinen Ortskrankenkasse übernommen, saniert und Richtung Süden erweitert. 1938 erfolgte nochmals eine Verlängerung des Hauses.
Nach 1960 kam noch ein Anbau eines Quertraktes an der Südseite.
Übernahme durch Heiligenfeld Im Jahr 2002 wurde das Haus von der Heiligenfeld GmbH erworben und mit dem Sanatorium "Diana" zur heutigen "Parkklinik Heiligenfeld" umgestaltet. Aufwändige Umbaumaßnahmen haben aus den alten Gebäuden eine farbenfrohe und komfortable Klinik entstehen lassen.
Bemerkenswert ist die künstlerische Außengestaltung aller Häuser mit den Farben der vier Elemente Wasser, Feuer, Erde und Luft.
Dr. Ernst Marquardsen hat die heutige Villa am Kurpark als seinen Wohnsitz errichten lassen und bis zu seinem Tode 1921 bewohnt. Seine Witwe Else wohnte noch bis 1927 in der Villa. Wegen Familienstreitigkeiten mit den beiden Stiefkindern verließ sie die Villa und Bad Kissingen. Der Amtsarzt Dr.
Herrmann Löffler hat kurz danach die Villa erworben. 1935 wurde sie nach seinen Bedürfnissen umgebaut.
Die Amerikaner in Bad Kissingen Die Villa wurde im April 1945 von den Amerikanern beschlagnahmt. Der Ärztefamilie wur-den Notwohnungen in der Ludwigstraße und der Kapellenstraße zugewiesen. Als praktischer Arzt war Dr.
Herrmann Löffler jedoch mit den Wohnverhältnissen und zugleich Praxis im Haus Braungart, Ludwigstraße 11, nicht zufrieden.
Im Dezember 1950 stellte der den Antrag zum Bau eines Wohnhauses auf seinem Anwesen in der Bismarckstraße. Der Bau wurde genehmigt, die Nebenvilla, damals Nr. 8c, wurde errichtet und bis 1956 bewohnt. Im November 1956 zog er wieder in die Hauptvilla um.
Ab 1964 wurde die unter Denkmalschutz stehende Villa zu einer hotelartigen Kurvilla umgebaut und vermietet.
Gropius: Den Bau schmücken Alle Gebäude zeigen, dass einst und heute mit architektonischem Geiste eine vielgliedrige Baugestaltung möglich ist. Architekten und Maler sind nicht nur Handwerker, sie sind natürlich bis zu einem gewissen Maß Künstler.
Wie sagte damals der Kurgast Walter Gropius: "Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau! Ihn zu schmücken war einst die vornehmste Aufgabe der Architekten."
Ich habe den Artikel mit großem Interesse gelesen, allein schon aus dem Grund, dass mein Mann und ich die derzeitigen Inhaber der Kurvilla sind. Aus unseren Quellen bzw. aus Berichten der Eigentümer der Villa ist uns bekannt, dass das Privathaus des Dr. Marquardsen ( Kurvilla am Park) von dem berühmten Architekten Bruno Paul gebaut worden ist. Es ist schade, dass dies nicht im Artikel erwähnt worden ist.
Mit freundlichen Grüßen
Kurvilla am Park
Frau Wehner