Redakteur Ralf Ruppert kommentiert die Diskussion ums Wahlrecht nach der Petition von Franz Gebhart aus Bad Brückenau.
Die Mathematik als Sprache der Naturwissenschaft scheint die letzte Bastion der Logik zu sein. Zahlen lügen nicht, heißt es. Allerdings bilden sie leider auch nicht die ganze Wahrheit ab. Zu erkennen ist das am Ergebnis der jüngsten Landtagswahl.
Das Dilemma an allen Wahlergebnissen ist, dass es nur "ganze" Gemeinderäte, Stadträte und Abgeordnete gibt . Also müssen Stimmanteile mit Nachkommastellen in ganzzahlige Sitz-Verteilungen umgerechnet werden. Das ist eine knifflige Aufgabe, für die es mehrere Lösungen gibt: Der Jurist Victor D'Hondt hat dazu ein Verfahren entwickelt, das jahrelang zur Anwendung kam, aber größere Parteien bevorzugte: Theoretisch kann dabei eine Partei mit 60 Prozent der Stimmen alle Sitze in einem Gremium erhalten, wenn sich viele kleinere Parteien die übrigen Stimmen teilen. Also wurde bei der Landtagswahl D'Hont durch Hare-Niemeyer ersetzt, bei der Kommunalwahl 2020 kommt vermutlich das Divisorverfahren nach Sainte-Laguë zum Einsatz. Verwirrend genug für den Wähler.
Hinzu kommt noch, dass unabhängig vom Verfahren die Unschärfen umso größer werden, je weniger Sitze zu verteilen sind. Diese Diskussion kommt regelmäßig nach Kommunalwahlen auf, wenn Ausschüsse gebildet werden. Extrem-Beispiel: Wenn der Kreistag einen Ausschuss mit nur zwei Mitgliedern hätte, hätten CSU und SPD jeweils einen Sitz. Weil der Landrat qua Amt zusätzlich den Vorsitz hat, hätte die CSU die absolute Mehrheit, obwohl sie nicht die Mehrheit im Kreistag stellt. Deshalb haben die wichtigsten Ausschüsse des Kreistags 14 Mitglieder plus Landrat, also sieben Sitze für die CSU und acht für alle anderen zusammen.
Wie bei den Ausschüssen des Kreistags ist beim Landtag das Auszählen nach den Einzel-Ergebnissen der Bezirke das Problem. Das aktuelle Wahlgesetz stammt eben aus einer Zeit, in der die CSU "50 plus x" sicher hatte und vier Parteien im Parlament saßen. Um den Glauben an der Demokratie nicht weiter zu erschüttern, muss bald ein neues Wahlgesetz her, das den Wählerwillen besser abbildet!
r.ruppert@infranken.de