Hospizbegleiterin in Bad Kissingen: "Sterbende können Vorbilder sein"

2 Min
Die Diözesanoberin Martina Mirus (Zweite von links) dankte Almuth Gryczmann-Reulein (Mitte) für 15 Jahre ehrenamtlichen Dienst als Hospizbegleiterin. Mit dabei waren die Kolleginnen Regina Kirchner (links), Elisabeth Albert und Claudia Benkert (re...
Die Diözesanoberin Martina Mirus (Zweite von links) dankte Almuth Gryczmann-Reulein (Mitte) für 15 Jahre ehrenamtlichen Dienst als Hospizbegleiterin ...
Die Diözesanoberin Martina Mirus (Zweite von links) dankte Almuth Gryczmann-Reulein (Mitte) für 15 Jahre ehrenamtlichen Dienst als Hospizbegleiterin. Mit dabei waren die Kolleginnen Regina Kirchner (links), Elisabeth Albert und Claudia Benkert (re...
Bettina Hehn

Almuth Gryczmann-Reulein ist seit 15 Jahren Mitglied der Bad Kissinger Landkreis-Gruppe des Ambulanten Hospizdienstes der Malteser. Bald zieht sie nach Bielefeld, aber auch dort will sie ihre ehrenamtliche Tätigkeit fortsetzen. Was ihr diese Ehrenamt bedeutet.

Nach 15-jährigem Dienst als ehrenamtliche Hospizbegleiterin wurde kürzlich Almuth Gryczmann-Reulein in einer Feierstunde der Bad Kissinger Landkreis-Gruppe des Ambulanten Hospizdienstes im Malteser Hilfsdienst verabschiedet. Ende August will die aus Bielefeld stammende 72-Jährige nach fast drei Jahrzehnten ihren Wohnort Fuchsstadt (Stadtlauringen) wieder verlassen und in ihre Geburtsstadt zurückkehren. Im April 2007 hatte die gelernte Kindergärtnerin und spätere Betreiberin eines Kinderhorts und Lehrerin ihre Ausbildung zur Hospizbegleiterin abgeschlossen und im Juli 2012 durch ihren Ausbildungsabschluss zur Trauerbegleiterin ergänzt.

Auch in Bielefeld will Almuth Gryczmann-Reulein weiterhin als Sterbe- und Trauerbegleiterin aktiv bleiben: "Die Hospizarbeit ist ein Geben und Nehmen." Obwohl sie sich selbst eher als temperamentvoll einschätzt, komme sie am Bett eines Sterbenden innerlich immer zur Ruhe. "Für mich ist es ein heiliger Augenblick."

Besondere charakterliche Eigenschaften sind für dieses verantwortungsvolle Ehrenamt nicht erforderlich, wirbt sie für diesen Dienst. Jeder lebenserfahrene Mensch sei als Hospizbegleiter oder -begleiterin willkommen. "Es kommt nicht auf die berufliche Erfahrung an, sondern auf die eigene Einstellung." Von Vorteil sei es vielleicht, im Familien- oder Freundeskreis schon erste Erfahrung mit dem Sterben gemacht zu haben.

Offizieller Abschied

Martina Mirus, Diözesanoberin des Malteser Hilfsdienstes der Diözese Würzburg, dankte Gryczmann-Reulein bei deren offizieller Verabschiedung für ihren langjährigen Einsatz und stellte ihr in geselliger Runde einige Fragen, die wir hier auszugsweise wiedergeben:

Was ist das Schöne am Ehrenamt der Hospizbegleitung?

Almuth Gryczmann-Reulein: Ich bin so aufgewachsen, dass man Menschen in Not beistehen soll. Es ist schön, für andere da zu sein.

Wie hat dich dein Einsatz in der Hospizarbeit verändert?

Ich lebe das Leben bewusster, das Thema Sterben ist für mich normaler geworden. Ich kann jeden so annehmen, egal welcher Religion, Alter, Einstellung. Das alles spielt für mich keine Rolle. Ich nehme den Menschen so an, wie er gerade ist.

Was ist für dich das Wesentliche an der Sterbe- und Trauerbegleitung?

Es gibt mir sehr viel, wenn ich merke, dass der Sterbende ruhiger wird; wenn er spürt, dass er nicht allein ist, dass ich bei ihm bin und die Situation mit ihm aushalte. Ich bin für jeden da, ohne etwas herbeiführen oder verändern zu wollen.

Was möchtest du auf keinen Fall an dieser Aufgabe missen?

Jede einzelne Begleitung, so individuell sie ist, hat mich erfüllt. Es gibt viele Geschichten. Die Begleitung eines völlig gelähmten 17-Jährigen, der keine Angst vor dem Sterben hatte und mit 27 Jahren ohne Auflehnung und Bitterkeit verstarb, hat mich besonders beeindruckt: Sterbende können auch Vorbilder sein.

Was gibt dir zu denken hinsichtlich der Hospizarbeit?

Die Rahmenbedingungen in Pflegeheimen sind teilweise sehr unbefriedigend.

Wird man bei so vielen Sterbe- und Todeserfahrungen nicht depressiv?

Nein, ganz im Gegenteil. Es gibt auch lustige Situationen am Sterbebett: Eine Dame wollte, dass ich eine Flasche Sekt hole und ihren Abschied, ihre "Heimreise" mit ihr feiere. Es sind ganz besondere Momente, wenn der Mensch geht und ich dies miterleben darf.

Was hat sich in deinen 15 Jahren der Hospizarbeit in der Gesellschaft hinsichtlich des Umgangs mit dem Sterben verändert?

Das Thema Sterben ist gesellschaftsfähiger geworden. Früher wollte keiner übers Sterben reden, jetzt kommen Bekannte auf mich zu und fragen nach. Auch Begriffe wie Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) und Palliativmedizin sind geläufiger geworden. Aber die Abschaffung des Paragraphen 217 im Strafgesetzbuch (Anmerkung der Red.: Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung) macht mir zu schaffen. Mit unserem mitmenschlichen Angebot der Hospizbegleitung wollen wir doch die letzte Lebensphase lebenswert und würdig gestalten.

Was wünscht du dir für die Hospizarbeit?

Dass sich mehr Menschen dafür begeistern, diese Arbeit ernst nehmen und dabeibleiben, weil es eine so bereichernde Aufgabe ist. Ich habe bei jeder Begleitung das Gefühl, beschenkt zu werden.

Hast du Angst vor dem Sterben?

Nein. Ich habe sehr viele Menschen begleitet, die am Ende friedlich und im Reinen von uns gegangen sind. Ich möchte mit Leichtigkeit gehen und in dem Bewusstsein, dass es mir dann gut geht. Da ich gläubig bin, ist für mich der Tod nur der Übergang in einen anderen Bereich. Es ist wie eine Reise in ein schöneres Land. Darauf kann man sich doch freuen, oder?