Wie hat dich dein Einsatz in der Hospizarbeit verändert?
Ich lebe das Leben bewusster, das Thema Sterben ist für mich normaler geworden. Ich kann jeden so annehmen, egal welcher Religion, Alter, Einstellung. Das alles spielt für mich keine Rolle. Ich nehme den Menschen so an, wie er gerade ist.
Was ist für dich das Wesentliche an der Sterbe- und Trauerbegleitung?
Es gibt mir sehr viel, wenn ich merke, dass der Sterbende ruhiger wird; wenn er spürt, dass er nicht allein ist, dass ich bei ihm bin und die Situation mit ihm aushalte. Ich bin für jeden da, ohne etwas herbeiführen oder verändern zu wollen.
Was möchtest du auf keinen Fall an dieser Aufgabe missen?
Jede einzelne Begleitung, so individuell sie ist, hat mich erfüllt. Es gibt viele Geschichten. Die Begleitung eines völlig gelähmten 17-Jährigen, der keine Angst vor dem Sterben hatte und mit 27 Jahren ohne Auflehnung und Bitterkeit verstarb, hat mich besonders beeindruckt: Sterbende können auch Vorbilder sein.
Was gibt dir zu denken hinsichtlich der Hospizarbeit?
Die Rahmenbedingungen in Pflegeheimen sind teilweise sehr unbefriedigend.
Wird man bei so vielen Sterbe- und Todeserfahrungen nicht depressiv?
Nein, ganz im Gegenteil. Es gibt auch lustige Situationen am Sterbebett: Eine Dame wollte, dass ich eine Flasche Sekt hole und ihren Abschied, ihre "Heimreise" mit ihr feiere. Es sind ganz besondere Momente, wenn der Mensch geht und ich dies miterleben darf.
Was hat sich in deinen 15 Jahren der Hospizarbeit in der Gesellschaft hinsichtlich des Umgangs mit dem Sterben verändert?
Das Thema Sterben ist gesellschaftsfähiger geworden. Früher wollte keiner übers Sterben reden, jetzt kommen Bekannte auf mich zu und fragen nach. Auch Begriffe wie Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) und Palliativmedizin sind geläufiger geworden. Aber die Abschaffung des Paragraphen 217 im Strafgesetzbuch (Anmerkung der Red.: Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung) macht mir zu schaffen. Mit unserem mitmenschlichen Angebot der Hospizbegleitung wollen wir doch die letzte Lebensphase lebenswert und würdig gestalten.
Was wünscht du dir für die Hospizarbeit?
Dass sich mehr Menschen dafür begeistern, diese Arbeit ernst nehmen und dabeibleiben, weil es eine so bereichernde Aufgabe ist. Ich habe bei jeder Begleitung das Gefühl, beschenkt zu werden.
Hast du Angst vor dem Sterben?
Nein. Ich habe sehr viele Menschen begleitet, die am Ende friedlich und im Reinen von uns gegangen sind. Ich möchte mit Leichtigkeit gehen und in dem Bewusstsein, dass es mir dann gut geht. Da ich gläubig bin, ist für mich der Tod nur der Übergang in einen anderen Bereich. Es ist wie eine Reise in ein schöneres Land. Darauf kann man sich doch freuen, oder?