Professor Dr. Manfred Gerlach treibt als Herausgeber eines Standardwerkes die internationale Vernetzung voran.
Eine Herausforderung ist der Umgang mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADHD): Für betroffene Jugendliche, deren Eltern, Schulen und die ganze Gesellschaft. Wer in der Schule wegen unzureichender Behandlung der Symtome nicht klarkommt, kann sich das ganze Leben verbauen. Und auch im Erwachsenenalter sind die Folgen weitreichender, als lange angenommen.
An dem Phänomen wird zunehmend international geforscht. Allerdings gibt es einen Mangel an Fachliteratur. Dagegen schreibt ein Hammelburger in seinem Arbeitszimmer in der Georg-Horn-Straße an. Professor Dr. Manfred Gerlach arbeitet mit Hochdruck an einem Standardwerk zu den Ursachen und dem Umgang mit ADHD. Der Leiter des Labors für Klinische Neurobiologie an der Uni Würzburg hat als Herausgeber des Werkes Mitautoren unter anderem aus den Vereinigten Staaten.
Ein deutschsprachiges Standardwerk Gerlachs zu dem Thema von 2009 ist vergriffen. Erscheinen soll das international ausgelegte Werk Ende Juli im Springer-Verlag.
Vorausgegangen seien Markt-erhebungen zum Bedarf von Fachlektüre. "Das Interesse ist immens", weiß Ger lach.
Einiges ist in der ADHD-Forschung in Bewegung. "Akzeptiert ist inzwischen, dass es sich um eine Krankheit handelt", so der 60-Jährige. Eine Kernthese des Buches wird sein, dass eine einseitige Behandlung durch Medikamente nicht reicht. Es braucht dazu psychologische Betreuung unter Einbindung von Eltern und Erziehern.
Das Spannende an der Arbeit für das Buch ist die Abgleichung unterschiedlicher Betrachtungsweisen in verschiedenen Ländern. So wird in Europa und den Vereinigten Staaten unterschiedlich mit der Verabreichung von Medikamenten umgegangen, die keine ausdrückliche Zulassung etwa für bestimmte Altersgruppen haben.
Die Forschung muss sich lohnen Für kleinere Personenkreise lohnten sich häufig aufwändige Studien nicht. Die Folge: Es würden oft Medikamente ohne Zulassung verabreicht. "Da bewegt man sich dann im unsicheren Bereich", so Gerlach. Das sind alles Aspekte, die sich in dem Buch wiederfinden müssen. Deswegen genießt Gerlach einen weitreichenden Einblick in die Zulassungskriterien für US-Medikamente. Das Buch verfasst Gerlach samt Mitautoren in englischer Sprache. Überlesen wird es von einem wissenschaftlichen Mitarbeiter. Gedacht ist an eine Auflage von bis zu 10 000 Exemplaren. "Reich wird man davon nicht", so Gerlach. Das Ganze habe etwas mit Idealismus zu tun.
Seine Schatten voraus wirft für Gerlach der 5. Welt ADHD-Kongress in Glasgow. Dort ist der Professor 2015 wissenschaftlicher Organisator. Genauso, wie bei den Vorgängerveranstaltungen in Würzburg, Wien, Mailand und Berlin. Rund 80 Dozenten müssen unter einen Hut gebracht werden. Geplant sind unter anderem Vorträge, Videokonferenzen mit Fallbeispielen und Plenarsitzungen auch mit Kritikern gängiger Behandlungsmethoden.
Rund eine Million Euro beträgt der Etat für den Kongress. Da hat Gerlach den Überblick, weil er zugleich Schatzmeister der World Federation of ADHD ist. Im Herbst wird klar, ob genügend Teilnehmer zusammenkommen. Zuletzt in Berlin waren es 2000. Von Kongress zu Kongress stieg die Teilnehmerzahl bislang. "ADHD ist kein Problem der westlichen Welt, wie lange behauptet, sondern auf dem gesamten Globus verbreitet", betont Gerlach.
Wolfgang Dünnebier