Schonungslose Offenheit

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Der Staudamm bricht - Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
Der Staudamm bricht - Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
Duskussion über das Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
Duskussion über das Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
 
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
 
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
 
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
 
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
 
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
 
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
 
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
 
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
 
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
 
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
Szene aus dem Musical-Drama "Once We Had A Dream". Foto: Angelika Silberbach
 

Sieben philippinische Jugendliche rührten die Zuschauer mit ihrem Musical-Drama "Once We Had A Dream" zu Tränen, nicht jeder ertrug die bedrückenden Szenen. In dem Stück ging es um Ausbeutung und Missbrauch von Kindern.

Es war Theater jenseits der Schmerzgrenze - ohne Weichspüler, ohne Trennungslinie, ohne Schonung. Und es war gut so. Doch der Stoff überforderte manchen Zuschauer und eine Ministrantengruppe sichtlich. Etliche Theaterbesucher verließen die Aufführung vorzeitig, manche Ministranten wurden von ihren Eltern aus dem Saal geführt. Viele applaudierten nach dem Schlusslied stehend und mit Tränen in den Augen den sieben philippinischen Akteuren im Alter von 17 bis 26 Jahren von der Jugendorganisation AKBAY. Sie wird von der philippinischen PREDA-Stiftung unterstützt (wir berichteten im Vorfeld) und tourt bereits zum sechsten Mal seit 2000 durch Deutschland.

Nachgespräche wichtig

Heftiger Tobak war der Inhalt des Musical-Dramas "Once We Had A Dream" für die Minis trantengruppe von Zehn- und Elfjährigen. Sie hatten sich mit ihren beiden Betreuerinnen auf einen schönen Theaterabend gefreut. Hatten das Stück vorher besprochen und sich mit der Situation der philippinischen Kinder auseinandergesetzt. Doch die Gruppenleiterinnen ahnten nicht, wie heftig intensiv die Realität des Kindsmissbrauchs und der Straßen- und Slumkinder auf der Bühne dargestellt würde. Sie wollen das Thema beim nächsten Minitreffen aufarbeiten und unterhielten sich danach eindringlich mit den Kindern, Eltern und Akteuren.
Das Stück beginnt, wie ein wunderschöner Sonnenaufgang auf den Philippinen. Doch schon am Ende des Eröffnungslieds wandelt sich die Stimmung: "In diesem Paradies, das uns ernährt hat, bläst jetzt ein anderer Wind." Es ist der Wind der Ausbeutung - wirtschaftlich, landschaftlich und sozial. Eine deutsche Bergbaufirma lässt trotz Warnungen den Staudamm seines Werks brechen. Die Flut zerstört die Existenzgrundlage der Mangobauern. Die Mine wird geschlossen, die Dorfbewohner verarmen. Widerstrebend geht die 15-jährige Celina auf Drängen ihrer Mutter ins Ausland, um einen angeblich gut dotierten Job anzunehmen.
Herzzerreißend ist das Liebes-Abschiedsduett zwischen Celina und ihrem Freund Alex. Bis ins Mark erschüttert die intensiv angespielte Vergewaltigungsszene von Celina, die in Deutschland zur Kinderprostitution gezwungen wird. Ebenso Sabels Schilderung der Vergewaltigung durch ihren Vater und Dondongs Schicksal, der als Straßenjunge aus Manila auch im deutschen Kinder-Bordell landet. Im Hintergrund trällert romantische Klaviermusik in der Endlosschleife, erinnert an das Ave Maria von Bach/ Gounod. Auf der Bühne weinen und schreien Celina, Sabel und Dondong aus der Tiefe ihrer Seelen. Die gespielte Verzweiflung der Akteure wirkt so authentisch wie die Tränen, die bei ihnen fließen.
Da gibt es auf einmal keine Trennung mehr von Spiel und Realität. Man spürt die Schmerzen, die Schläge, die Schmutzigkeit am eigenen Leib. Ein wenig Heiterkeit kommt auf, als Alex mit Hilfe der deutschen TV-Kommissare Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrend und Dietmar Bär unterstützen mit ihrer Stiftung PREDA) sowie Herrn Schmitz, dem Leiter der deutschen Fairhandelsorganisation, sich auf die Suche nach Celina machen. Sie befreien gemeinsam Celina und Sabel. Doch Dondong wird zuvor von Zuhälter Herrn Henkel erschossen.
Im Schlusslied werden die Akteure wieder zu einem Adler. Tanzen ihren Traum vom Leben in Frieden und singen: "Bewahre uns vor allen Formen des Missbrauchs. Das ist es, was wir wollen, in Liebe leben!"

Gespräch mit den Zuschauern

Um Worte nach dem Schluss app laus rangen auch die Weltladen-Mitglieder als Veranstalter. Vorsitzende Brigitte Ruppert lobte mit berührter und bedrückter Stimme: "Der Applaus galt euch für euer Spiel, aber nicht der erzählten Geschichte, die Realität ist." Auch die Initiatorin des Theaterabends war überrascht und betroffen. "Ich hatte auf den Philippinen eine abgeschwächte kürzere Version gesehen, die auf jüngere Kinder zugeschnitten war", erklärte Magdalena Kleinhenz, die 2013 als Volunteer bei PREDA arbeitete. Die Akteure sprachen die Dialoge übrigens auf Deutsch, obwohl sie kein Deutsch verstehen. Eine echte Meisterleistung. Sie stellten sich auf Englisch namentlich vor und suchten nach der Aufführung das Gespräch mit den Zuschauern. Der 19-jährige Justine Labandelo, der den furchterregenden Ausbeuter Herr Henkel mimte, ist sehr sanft und offen. Auf den Philippinen lebe man alles sehr intensiv, das Lachen und das Weinen, erklärt er der nachfragenden Maria Heckmann. "Außerdem wollen wir mit unserem Theaterstück den ausgebeuteten Kindern helfen", erklärt Justine.

Große Betroffenheit

Die 18-jährige Jesica Acosta, die sowohl in der Rolle der leidenden Mutter Doray und zahlreichen Nebenrollen wie die des TV-Kommissars Schenk aufging, geht auf Barbara Stross zu. Zwischen den beiden Frauen liegt ein Altersunterschied von mehr als vier Jahrzehnten. Sie nehmen sich an der Hand, sprechen über das Stück. Man kann sich nicht erinnern, wann nach einer Aufführung so intensiv in Kleingruppen diskutiert wurde. Pfarrgemeinderatsvorsitzende Barbara Oschmann, Pfarrer Thomas Eschenbacher und Religions- und Lateinlehrer Harald Drescher waren sich einig, dass das Musical-Drama sie aus ihrem Alltag gerissen hat. "Durch das Leiden auf der Bühne hat eine Läuterung in den Zuschauern stattgefunden, ganz im Sinne von Aristoteles Theatertheorie", erklärt Drescher. Für Pfarrer Eschenbacher war der Abend ein weiterer Motivationsschub, den Fairtradehandel zu forcieren. Als die letzten Zuschauer und viele Weltladen-Engagierte spät auseinandergehen, lag wieder ein Hoffnungsschimmer in ihren Gesichtern. Die Kraft und Leidenschaft der philippinischen jugendlichen AKBAY-Schauspieler hat in ihnen etwas bewegt und gestärkt. "Wir können mit unserem Handeln und Kaufverhalten viel bewegen", waren sie sich sicher.