Pfarrgemeinde Hammelburg will Pfarrheim nach Pfarrer Martin benennen

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Pfarrer Johannes Martin war im wahrsten Sinne des Wortes eine herausragende Persönlichkeit: Als 1913 Prinzregent Ludwig, der spätere bayerische König Ludwig III. (Bildmitte mit Bart), nach Hammelburg kam, empfing der fast zwei Meter große Pfarrer Martin (rechts daneben) ihn mit Frack und Zylinder auf dem Marktplatz.
Pfarrer Johannes Martin war im wahrsten Sinne des Wortes eine herausragende Persönlichkeit: Als 1913 Prinzregent Ludwig, der spätere bayerische König Ludwig III. (Bildmitte mit Bart), nach Hammelburg kam, empfing der fast zwei Meter große Pfarrer Martin (rechts daneben) ihn mit Frack und Zylinder auf dem Marktplatz.
Foto: Archiv Franz-Josef Schneider
Der heutige Stadtpfarrer Thomas Eschenbacher betrachtet den Gedenkstein für Pfarrer Martin hinter der Stadtpfarrkirche. Foto: Ralf Ruppert
Der heutige Stadtpfarrer Thomas Eschenbacher betrachtet den Gedenkstein für Pfarrer Martin hinter der Stadtpfarrkirche. Foto: Ralf Ruppert
 
Der frühere Küster Franz-Josef Schneider hat jede Menge Bilder und Unterlagen zu Pfarrer Martin gesammelt.
Der frühere Küster Franz-Josef Schneider hat jede Menge Bilder und Unterlagen zu Pfarrer Martin gesammelt.
Fotos: Ralf Ruppert

Heute vor 78 Jahren ist Stadtpfarrer und Geistlicher Rat Johannes Martin gestorben. Eigentlich sollte heute das renovierte Pfarrheim nach ihm benannt werden, wegen Corona ist die Feier aber auf unbestimmte Zeit verschoben.

Zunächst sechs Jahre lang Kaplan, dann 34 Jahre lang Stadtpfarrer, dazu Ehrenbürger, Mitglied im Bezirkstag und angesehener Wohltäter: Pfarrer Johannes Ägidius Martin ist in vielerlei Hinsicht eine herausragende Persönlichkeit der Stadtgeschichte. Deshalb haben die Gremien der Pfarrgemeinde bereits vor Monaten beschlossen, das Hammelburger Pfarrheim nach ihm zu benennen. Sein heutiger Todestag wäre ein gutes Datum dafür gewesen, sagt der aktuelle Stadtpfarrer Thomas Eschenbacher. "Aber wegen Corona hat sich das alles verzögert."

Eschenbacher beschäftigt sich seit Jahren mit dem Leben von Pfarrer Martin. "Es macht Freude, einen solchen Menschen als Vorgänger zu haben", fasst er seine Eindrücke zusammen, und: "Der konnte richtig zupacken." Bereits als Kaplan initiierte er die Gründung von Genossenschaften, die die Armut der Hammelburger linderten, auch für die Sanitätskolonne und den Obstbauverein soll er den Anstoß gegeben haben.

Besonders eindrucksvoll sei sein aktiver Widerstand gegen die Nationalsozialisten gewesen: "Er hatte regelmäßig Besuch von der Zensurbehörde, die Nazis wollten ihn unbedingt aus Hammelburg weg haben", berichtet Eschenbacher. Respekt habe seinen Widersachern schon alleine dessen Statur eingeflößt: Pfarrer Martin war rund zwei Meter groß. Die Hammelburger hätten ihm deshalb sogar ein neues Pfarrhaus bauen wollen, erzählt Eschenbacher. Schließlich sei das Gebäude hinter der Kirche mehr als 400 Jahre alt. Pfarrer Martin habe das aber abgelehnt und sich damit begnügt, dass der Tür-Sturz erhöht wurde. "Die Gemeinde stand hinter ihm wie ein Fels", sagt Eschenbacher, allen Gestapo-Besuchen und Anzeigen zum Trotz. Trotz der Kriegszeit sei 1943 "die halbe Stadt" zur Beerdigung nach Helmstadt gefahren.

Ausführlich mit Pfarrer Martin beschäftigt hat sich auch der frühere Küster und Historiker Franz-Josef Schneider. Drei Ordner voller Bilder und alter Unterlagen zu Pfarrer Martin stehen in seinem Archiv. Aber es gebe viel mehr: Alleine die Gestapo-Akten über den früheren Stadtpfarrer würden zwei Meter Regal im Staatsarchiv füllen.

Johannes Martin wurde am 30. August 1873 in Helmstadt geboren. 1902 kam er als Kaplan nach Hammelburg - einem verarmten Städtchen, in dem der Stadtbrand von 1854 noch nachwirkte. Bereits 1903 gründete er einen Darlehenskassenverein (später Raiffeisenbank), 1904 den Winzerverein (später Winzergenossenschaft), 1905 eine Lagerhausgenossenschaft. Bereits als Kaplan wurde er zum Ehrenbürger ernannt, umso schmerzlicher war für die Hammelburger, dass er 1908 wegging.

Als 1909 überraschend die Pfarrstelle frei wurde, seien Vertreter der Pfarrgemeinde und des Stadtrates nach Würzburg gefahren, um den Bischof und Pfarrer Martin selbst von einer Rückkehr zu überzeugen, berichtet Schneider. Von 1909 bis zu seinem Tod am 16. Februar 1943 blieb er Stadtpfarrer. Zudem brachte er sein Privatvermögen und sein Erbe für soziale Zwecke in Hammelburg ein.

Die Wiedereröffnung des seit einem Wasserschaden geschlossenen Hammelburger Pfarrheims samt Namensgebung soll möglichst bald nachgeholt werden. Franz-Josef Schneider plant zudem Vorträge über Pfarrer Martin, auch die Redaktion wird erneut berichten.