Pfarrer Burkhard Hose: "Das Evangelium verlangt, Welt zu gestalten"

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Pfarrer Burkhard Hose sieht in Pfarrer Martin bis heute ein Vorbild.
Pfarrer Burkhard Hose sieht in Pfarrer Martin bis heute ein Vorbild.
Foto: Stefan Weigand

Der Würzburger Hochschul-Pfarrer Burkhard Hose hat sich 1986 in seiner Facharbeit am Hammelburger Frobenius-Gymnasium ausführlich mit Pfarrer Johannes Martin beschäftigt.

Im Interview haben wir den aus Hammelburg stammenden Geistlichen und Buch-Autor gefragt, welche Bedeutung Pfarrer Martin für seinen persönlichen Lebensweg hatte und was er als Vermächtnis hinterließ.

Herr Hose, Sie haben damals noch Menschen gesprochen, die Pfarrer Martin als "Warner und Streiter für den christlichen Glauben", wie Sie schreiben, erlebten. Wie hat sie das geprägt?

Ich habe mit Anna Bethäuser und Hans Full gesprochen, die Pfarrer Martin aus ihrer Zeit in der Pfarrjugend kannten. Auch Robert Kümmert, der in der NS-Zeit als Kaplan in Hammelburg wirkte, konnte ich befragen. Mich hat die bodenständige Art beeindruckt, mit der sie nach ihren Möglichkeiten dem nationalsozialistischen Regime widerstanden. Sie spürten einfach, dass NS-Ideologie und christlicher Glaube nicht zusammenpassen.

Pfarrer Martin engagierte sich weit über den Priesterruf hinaus, schuf Strukturen, die es bis heute gibt. Ist das ein Vorbild für Sie?

Die Perspektive Jesu war nicht die Kirche, sondern die Welt. Sie mitzugestalten, ist christlicher Auftrag. Das hat Pfarrer Martin für mich sehr konkret vorgelebt.

Gleichzeitig gehörte er dem Bezirkstag an, hatte also ein politisches Amt: Wäre das für Sie heute denkbar?

Ein politisches Mandat zu übernehmen, erlaubt das Kirchenrecht für Priester derzeit nicht. Ich will aber dazu beitragen, dass es gerechter zugeht in unserer Gesellschaft, dass wir verantwortlich mit unserer Schöpfung umgehen. Das ist biblischer Auftrag. Die Bibel ist hochpolitisch, ich bin es auch.

Was beeindruckt Sie mehr: Die ihm nachgesagte "jesuitische Schlauheit" oder seine Unbeugsamkeit, mit der er Anzeigen, Gerichtsprozesse und Anfeindungen überstand?

Auf den Hass hat er nicht mit Hass reagiert. Er ist ruhig und beständig für das eingetreten, was nach seiner Überzeugung dem christlichen Glauben entsprach. Das beeindruckt mich am meisten.

Die Nazis forderten offen, Pfarrer Martin ins KZ zu stecken, aber er war auch durch seine Beliebtheit geschützt: Ist ein solcher Rückhalt durch die Pfarrgemeinde heute noch denkbar?

Wir leben heute in einem Rechtsstaat. Die Form des Rückhalts und auch die Risiken, die Menschen damals eingingen, sind mit heute nicht zu vergleichen.

Wie würden Sie das Vermächtnis von Pfarrer Martin in einem Satz zusammen fassen?

Das Evangelium verlangt, Welt zu gestalten, auch politisch Position zu beziehen, wenn es um die Rechte und die Würde von Menschen geht.

Das Interview führte Redaktionsmitglied Ralf Ruppert.