Die Technische Universität München beginnt im August mit ihren Versuchen. Die erhofften Erkenntnisse werden über die Zukunft vieler Bauwerke entscheiden.
Professor Oliver Fischer drückt am Widerlager auf die Brücke, bis das Teilstück wegschert. Die Krafteinwirkung, die er am selbst gebastelten Brückenmodell aus Holz demonstriert, will ein Team der Technischen Universität (TU) München im großen Maßstab auf der alten Saalebrücke erzeugen.
"Einen Zusammenbruch erwarten wir nicht", sagt Fischer vom Lehrstuhl für Massivbau an der TU. Das Experiment soll die Brücke aber an die Belastungsgrenze und darüber hinaus führen. "Wir gehen bis zum Materialversagen." Am mittleren Brückenbalken unterhalb der Fahrbahndecke werden Risse auftauchen. Und: "Man wird schon ein Knacksen hören können", antwortet Fischer auf die Frage einer Zuschauerin.
Der Ingenieur erläutert in einer Informationsveranstaltung, was die TU auf der Brücke vorhat. Schließlich zieht schon seit Ende Juni ein 32 Meter langer und 40 Tonnen schwerer Stahlträger die Neugier der Passanten auf sich - und während der Versuche soll aus Sicherheitsgründen kein Schaulustiger in den Absperrbereich dringen.
Der verschiebbare Stahlträger ist das Herzstück des Versuchsaufbaus auf der alten Saalebrücke. Mit Hilfe von Belastungszylindern, die noch installiert werden müssen, wird auf mehreren Abschnitten kontrolliert Kraft auf das Bauwerk ausgeübt.
Die Fachleute interessieren sich dabei für die auftretenden Querkräfte. Mit allerlei Sensoren und Messtechnik wollen sie sie erfassen. Querkräfte haben ein komplexes Verhalten und sind für die Experten mit ihren rechnerischen Modellen nicht leicht zu beschreiben, wie Fischer erklärt.
Mit Hilfe seines Brückenmodells und mehrerer Schaubilder versucht er den Zuhörern zumindest die prinzipielle Wirkung der Querkraft zu vermitteln. Sie ist quasi das Gegenstück zum Biegemoment: Wo das Biegemoment am größten ist, ist sie am geringsten. Zu den Widerlagern hin nimmt die Querkraft zu. Bei Brücken, die über mehrere Stützen verlaufen, treten dort aber komplexere Phänomene auf.
Das Experiment auf der Saalebrücke soll Erkenntnisse über das tatsächliche Materialverhalten liefern, um die Modelle zu verbessern. Es gibt bisher eine Diskrepanz zwischen Theorie und Wirklichkeit, sagt Fischer. Möglicherweise halten alte Brücken länger durch, als es die Normen erwarten lassen. Das soll das weltweit einzigartige Experiment klären helfen. Tests im Labor ergänzen den Versuch.
Die TU hat länger nach einem passenden Objekt gesucht. Es musste unter anderem gut zugänglich sein, und das Experiment durfte nicht den Verkehr stören. Mit Hilfe der oberen Baubehörde ist die TU auf Hammelburg gekommen. Der Bund unterstützt das Projekt, das staatliches Bauamt Schweinfurt begleitet es.
Damit keine Missverständnisse entstehen, belegt Joachim Dietz vom staatliches Bauamt Schweinfurt zu Beginn der Veranstaltung noch einmal, dass die 1955 gebaute Saalebrücke wirklich in einem schlechten Zustand ist und ein Neubau am wirtschaftlichsten erschien. Im September, wenn die Experimente durch sind, soll der Abriss beginnen. "Ende des Jahres soll nur noch eine Brücke das Stadtbild prägen", sagte Dietz.