"Lagen, die wir normalerweise für die Spätlese stehen lassen, wären eigentlich auch schon so weit", erklärt Ruppert. Der Reifestand in den Weinbergen ist in diesem Jahr sehr individuell. Er hängt davon ab, ob und wie viel eine Lage von den lokal sehr begrenzten und lokal sehr unterschiedlichen Regenmengen abbekommen hat. Die Winzer im Saaletal können im Vergleich zu anderen Weinbauregionen aber froh sein, dass es in den vergangenen Wochen immer mal wieder kleinere Regenfälle gab.
Junge Rebanlagen brauchten in den Juliwochen trotzdem oft zusätzliche Bewässerung. Die Winzer installieren heutzutage bei Jungpflanzungen gleich Schläuche für die Tröpfchenbewässerung in die Spaliere. "Wer das nicht macht, erhält ein oder zwei Jahre später die Quittung", sagt Winzer Florian Müller. Die Bewässerung von jungen Rebstöcken werde angesichts der klimatischen Veränderungen zum Standard.
Das ist allerdings mit Aufwand verbunden: Tankbehälter müssen in die Weinberge gefahren werden, um die Tröpchenleitungen zu speisen. Winzer am Main haben es da deutlich einfacher. Sie können Wasser direkt aus dem Fluss in die nahen Weinhänge pumpen.
Auch Müller und andere Winzer stehen in den Startlöchern. Im Weingut Lange soll zum Beispiel am Samstag gelesen werden. Es geht mit Ortega los, die zu Federweißer verarbeitet wird. Dabei war die Familie Lange am vergangenen Wochenende gerade noch mit dem Höflesfest beschäftigt. Wegen des frühen Lesetermins verdichtet sich für die Betriebe die Arbeit.
"Wir müssen erst noch unser Hofweinfest vom 25. bis 27. August überstehen", sagt Helga Neder. Erst danach will der Ramsthaler Weinbetrieb Neder eigentlich mit der Lese beginnen - mit den Sorten Bacchus und Müller-Thurgau. So durchkreuzt dieser Sommer die sonst gewohnte Planung. Neder berichtet, dass sie Winzer-Kollegen kennt, die wegen der zeitlichen Unwägbarkeiten ihren Urlaub storniert haben.
Immerhin: Der Sommer hat bisher sehr gesunde Beeren hervorgebracht. Die Saftausbeute wird jedoch etwas kleiner sein, wie einige Winzer vermuten. Auch der Säuregehalt könnte diesmal niedriger ausfallen, da sich die Säure durch die Sonne abgebaut hat. Wie Ertrag und Qualität und damit das Weinjahr letztlich zu bewerten sind, darüber entscheidet das Wetter in den kommenden, erntekritischen Tagen.
Ortega Mit Ortega beginn zumeist die Weinlese. Die Sorte, eine Kreuzung aus Müller-Thurgau und Siegerrebe, ist besonders frühreifend. Sie hat meist sehr hohe Mostgewichte und wenig Säure. Da Ortega die erste Sorte ist, die zur Lese ansteht, wird sie gerne für Federweißen genommen.
Bacchus Ebenfalls eine Sorte, die früh reif wird, ist Bacchus. Die Rebe ist eine Züchtung aus Silvaner, Riesling und Müller-Thurgau, die miteinander gekreuzt wurden. Der Wein ist oft recht fruchtig.
Müller-Thurgau Auch die Beeren der Rebsorte Müller-Thurgau reifen früh. Sie liefern Weine, die oft als umkompliziert, leicht zugänglich und süffig charakterisiert und daher gerne getrunken werden.
Federweißer Zumindest ein Teil des ersten Ernteertrags der frühen Sorten wird oft zu Federweißen verarbeitet. Federweißer ist Traubenmost, der sich zu Wein zu entwickeln beginnt, bei dem also die Gärung bereits vonstattengeht. Dabei wandeln Hefen den Zucker in Alkohol und Kohlensäure um. Die Hefen trüben den noch ungefilterten Wein, daher die Bezeichnung Federweißer. Er ist mit Vorsicht zu genießen: Aufgrund seiner Süße und Spritzigkeit kann der Alkohol leicht unterschätzt werden. Außerdem wird ihm ein starker Effekt auf die Darmfunktion nachgesagt. So sind nicht nur die Plastikkanister mit dem Getränk oft aufgebläht.