Baustelle Bürgerhaus Hammelburg: Ein Stück Stadtgeschichte verschwindet

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Ein Bagger knabbert Stück für Stück den Dachstuhl, die Betondecken und Wände des ehemaligen Kaufhauses ab.
Ein Bagger knabbert Stück für Stück den Dachstuhl, die Betondecken und Wände des ehemaligen Kaufhauses ab.
Foto: Ralf Ruppert
Bis in die 1950er Jahre stand das Haus Uhl neben dem Rathaus.
Bis in die 1950er Jahre stand das Haus Uhl neben dem Rathaus.
 
Der Andrang war riesig, als im Oktober 1960 das Hammelburger Kaufhaus öffnete.
Der Andrang war riesig, als im Oktober 1960 das Hammelburger Kaufhaus öffnete.
Fotos: Archiv Saale-Zeitung/Franz-Josef Schneider
Mit einem breiten Sortiment warb das Kaufhaus um Kunden.
Mit einem breiten Sortiment warb das Kaufhaus um Kunden.
 
Rechts neben dem Rathaus ist das Haus Hamburger zu sehen.
Rechts neben dem Rathaus ist das Haus Hamburger zu sehen.
 
Theresia Zimmer ist erschüttert, dass das 1960 gebaute ehemalige Kaufhaus fast komplett abgerissen wird.
Theresia Zimmer ist erschüttert, dass das 1960 gebaute ehemalige Kaufhaus fast komplett abgerissen wird.
Foto: Ralf Ruppert
Dieser Stein soll gesichert werden.
Dieser Stein soll gesichert werden.
Foto: Ralf Ruppert

Direkt neben dem Rathaus wird das ehemalige Kaufhaus abgerissen, um Platz fürs Bürgerhaus zu schaffen. Viele Hammelburger verbinden Erinnerungen mit dem Gebäude.

Theresia Zimmer kann gar nicht hinschauen: "Mir wird's ganz schlecht", kommentiert die Hammelburgerin den Abriss des ehemaligen Kaufhauses, mit dem sie viele Erinnerungen verbindet. 1961, ein Jahr nach der Eröffnung, begann sie dort ihre Lehre zur Dekorateurin. "Mehr als 30 Mitarbeiter waren damals im Kaufhaus beschäftigt." Auf vier Etagen wurden alle möglichen Waren angeboten, von Werkzeug im Keller über Lebensmittel im Erdgeschoss bis zu Gardinen unterm Dach. "Da oben waren unsere Räume", deutet sie auf eine offene Stelle in der Fassade. Jetzt klafft dort ein Loch, aus der Stahlbetondecke ragen verbogene Metallstäbe.

Nach mehreren Jahren Unterbrechung kehrte Theresia Zimmer 1983 als Dekorateurin ins Kaufhaus zurück. Sie arbeitete dort bis 1989. "Ein Jahr später wurde es dann leider geschlossen", erzählt sie. Die Diskussionen ums geplante Bürgerhaus habe sie zwar mitverfolgt, aber dass das ehemalige Kaufhaus bis auf den Keller und eine Außenwand abgerissen wird, sei ihr nicht bewusst gewesen. "Das erschreckt einen, schließlich habe ich viele Jahre hier verbracht."

Auch der Hammelburger Heribert Schilling blickt wehmütig zurück. Schilling wurde 1935 geboren und wuchs im Nachbarhaus auf: Seine Eltern hatten einen Laden, der überall nur "Korb-Schilling" hieß, weil der Vater Korbmacher war. Im Laden gab es aber alles mögliche, Sieglinde und Heribert Schilling spezialisierten sich später auf Kinderbedarf. Heribert Schilling kann sich gut erinnern, dass zwischen seinem Elternhaus und dem Rathaus gleich drei Anwesen lagen: Nach vorne war das so genannte Uhlsche Haus geteilt, dahinter schlossen sich ein Innenhof und das Anwesen der jüdischen Familie Hamburger an. "Meine Eltern waren eng befreundet mit den Hamburgers", berichtet er. Nach dem Krieg sei sogar die Tochter aus Amerika zu Besuch gekommen und habe bei ihnen übernachtet.

Arnold Hamburger sei ein anerkannter Viehhändler gewesen, der frühzeitig die Gefahr durch die Nationalsozialisten erkannt habe. 1937 wanderte die Familie Hamburger nach Amerika aus. Das Anwesen habe die Familie an den Stadt-Bediensteten und SA-Führer Erhardt verkauft. Nach dem Krieg sollten die Erhardts Wiedergutmachung zahlen und mussten das Anwesen deshalb an Unternehmer Kurt Pfeifer verkaufen, der das Hammelburger Kaufhaus aufbaute.

Intensiv mit den Gebäuden beschäftigt hat sich auch Historiker Franz-Josef Schneider. Er hat die Geschichte von mehr als 400 Häusern in der Altstadt dokumentiert. Die größte Herausforderung dabei sei, dass sich die Nummerierung mehrfach änderte: Bis zum Stadtbrand am 25. April 1854 waren zum Marktplatz drei Anwesen auf dem Areal verzeichnet. Sie hatten die Nummern 16, 17 und 18. Nach dem Brand erhielt das Rathaus die Hausnummer 1, das geteilte Uhl-Haus bekam die Nummern 2 und 3, das Haus dahinter die Nummer 9. Erst 1934 führten die Nazis die Nummerierung nach Straßen ein. Obwohl die früheren Anwesen mittlerweile verschmolzen sind, hat das Gebäude laut Bayernatlas bis heute nach vorne die Anschrift Marktplatz 15, nach hinten Kirchgasse 1.

Nach Bürgermeister benannt

Das vordere Haus war nach Karl Uhl benannt, der 1845 geboren wurde und von 1903 bis 1916 Bürgermeister der Stadt Hammelburg war. Der Schlossermeister hatte eine "Eisenhandlung" am Marktplatz, später waren in dem Anwesen laut Schneider auch ein Fischgeschäft und ein Friseur untergebracht. Nachforschungen hat Schneider auch zum Haus dahinter angestellt. Alten Quellen zufolge hat die Witwe Sabine Hahn nach dem Stadtbrand in den 1850er Jahren einen Bauantrag für ein Haus dort gestellt. Darauf weist auch der Stein über einem Kellerfenster mit der Aufschrift "Sab. Hahn" hin.

"Der Stein soll gesichert werden", teilt Andreas Reuter von der Bauabteilung der Stadt mit. Er geht davon aus, dass die Firma Plannerer für den Abriss noch bis Mitte Mai benötigt. "Dann müssen noch Abrissarbeiten im Keller und der Kellerdecke erfolgen, um die statisch notwendigen Voraussetzungen für den Wiederaufbau zu schaffen." Spätestens in der Woche nach Pfingsten wolle die Firma Burger Bau einen großen Kran auf dem Buttenmarkt aufstellen, dessen Arm oberhalb des Rathauses schwenken kann und bis zum Marktplatz reicht. Danach werde das Kellergeschoss ertüchtigt und mit Rohbauarbeiten begonnen. Im Oktober soll der Dachstuhl aufgerichtet werden.

"Spannende Baustelle"

Von einer "spannenden Baustelle" spricht Bürgermeister Armin Warmuth, der jeden Tag auf dem Gang ins Rathaus Fortschritte sieht. "Es tut immer mal einen Schlag, aber insgesamt geht die Firma sehr kontrolliert vor", lobt Warmuth. Das bestätigen auch die Nachbarn: "Die Arbeiter machen das sehr gut", sagt Heribert Schilling. Trotzdem bleiben Sorgen um das eigene Haus: "Wir hoffen, dass wir ohne Schäden davon kommen."