Bad Kissingen
Weltkulturerbe

Great Spas of Europe: Ältester Kurgarten Europas steht in Bad Kissingen

Balthasar Neumann errichtete bis 1738 den ersten zentralen Kurplatz in Kissingen. Die Anlage ist ein wichtiges Argument für die Unesco-Bewerbung.
Kuren, reden, spielen: Adolph von Menzel hält 1890 in seinem Gemälde "Brunnenpromenade" das gesellschaftliche Treiben im Kissinger Kurgarten fest. Quelle: Stadtarchiv Bad Kissingen
Kuren, reden, spielen: Adolph von Menzel hält 1890 in seinem Gemälde "Brunnenpromenade" das gesellschaftliche Treiben im Kissinger Kurgarten fest. Quelle: Stadtarchiv Bad Kissingen
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Bekanntester Kurort Deutschlands, größte Wandelhalle und ältester Gradierstandort in Europa. Bad Kissingen hat in Bezug auf seine Tradition als Kurort einige Superlative vorzuweisen. Inzwischen ist noch ein neuer dazugekommen. "Bad Kissingen ist auch der älteste Kurplatz-Standort", sagt Peter Weidisch, Kulturreferent und Projektleiter der Unesco Bewerbung der Stadt. Deshalb spielt der Kurgarten auch eine besondere Rolle für den Bad Kissinger Beitrag zu den "Great Spas of Europe". Der Kurgarten ging im Lauf der Zeit aus dem Kurplatz hervor.

Ins Spiel der Weltbäder

Das Staatsbad an der Fränkischen Saale strebt mit zehn weiteren europäischen Kurstädten an, als Weltkulturerbe anerkannt zu werden. Um die Bewerbung inhaltlich zu untermauern, wurde in den vergangenen Jahren viel zur Kurgeschichte geforscht. "Das ist ein Vorteil von Unesco: Themen, von denen man dachte, sie seien bekannt, werden jetzt wissenschaftlich aufgearbeitet", sagt Birgit Schmalz, Mitarbeiterin in der Projektgruppe der Stadt. Diese Dinge erscheinen teils in neuem Licht. Wie eben der Bad Kissinger Kurgarten. Der ist der erste dieser Art in Europa.

"Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn wollte einen Kurort schaffen, der sich mit Karlsbad vergleichen konnte", erklärt die Historikerin. Kissingen sollte im Spiel der großen Weltbäder einen Platz erhalten. 1737 beauftragte der Landesherr seinen Baumeister Balthasar Neumann damit, die Saale zu verlegen. Das Ostufer war dem Badebrunnen der Stadt, dem Pandur, gefährlich nahe gerückt. Es bestand die Gefahr, dass der Brunnen im Flussbett verschwindet. Ein Shicksal das wohl schon früher einen Heilbrunnen getroffen hatte. Der durch die Verlegung gewonnene Platz sollte als zentrale Kurplatz genutzt werden.

Es startete ein für die damaligen Verhältnisse echtes Großprojekt. Zum Schutz vor Hochwasser schütteten die Arbeiter das Areal für den Kurplatz um zwei Meter auf und fassten es mit Stützmauern ein. Und: Im Zuge der Bauarbeiten wurde die Rakoczy-Quelle im alten Flußbett freigelegt und gefasst. Vermutlich war das der einst verloren gegangene Brunnen. "Die ganze Maßnahme war eine große Konzeption und technische Leistung", sagt Schmalz.

Dass der Kissinger Kurplatz etwas Besonderes war, wussten auch die Menschen im 18. Jahrhundert. "Von den neuen Kissinger Kuranlagen wurden mehrere zeitgenössische Abbildungen und viele Beschreibungen in Umlauf gebracht, die offensichtlich die [...] als wichtig erachtete besondere Gestalt dokumentieren sollten", schreibt Denkmalpflege Fred Kaspar. Der Experte für die Architektur von Kurorten hat 2016 eine Arbeit für das Stadtarchiv veröffentlicht. In der Sonderpublikation gibt er einen Überblick über die Entwicklung von Kurgärten. Darin heißt es auch: "Zwar hatte es gestaltete Gartenanlagen auch schon lange vorher [...] gegeben, doch waren sie [...] ein zusätzliches Angebot am Rande der Kuranlagen", schreibt er. Ein einheitlich gestalteter Kurplatz als Zentrum des Kurlebens ist erstmals 1737/1738 in Kissingen nachweisbar.

Für die Kurgesellschaft spielte der Kurplatz und später der Kurgarten lange eine elementare Rolle. "Er war ein Versammlungsplatz direkt an den Heilquellen", erklärt Projektleiter Weidisch. Kurgärten hatten viele Funktionen. Die Kurgesellschaft tat dort etwas für ihre Gesundheit und trank das von den Ärzten verordnete Heilwasser. Der Kurgarten war aber auch ein sozialer Treffpunkt, bei dem es ums Sehen und Gesehen werden ging. Diplomaten, Adelige, hohes Bürgertum - Als Kurgäste kamen sie hier zusammen, um zu promenieren und Konversation zu treiben. Man vertrieb sich die Zeit mit Spielen, trank Kaffee und las Zeitung.

Wer einen Eindruck bekommen möchte, wie das im Kissinger Kurgarten aussah, sollte sich die Gemälde "Brunnenpromenade" und "Das Morgenbüffet der Feinbäcker" von Adolph von Menzel ansehen. Weidisch: "Da wird sehr plastisch dargestellt, wie sich das Leben dort abgespielt hat."

Kurplatz, Kurgarten, Hotels

Der Kurplatz hat sich im Laufe der Zeit verändert. Wege wurden verlegt und die Bepfanzung den jeweiligen Moden angepasst. "Doch er blieb in seiner Struktur und Aufgabe bis heute erhalten. Das ist wichtig für die Unesco-Bewerbung: Wir können die gesamte Entwicklung und Konzeption nachweisen", betont Weidisch. Mit zunehmender Bepflanzung wurde der Kurplatz allmählich zum Kurgarten. Ursprünglich lag er außerhalb der Stadtmauern. "Ende des 18 Jahrhunderts haben sich dann die ersten Hotels außerhalb der Altstadt am Kurgarten angesiedelt", sagt Birgit Schmalz.

1834 erhielt der Kurgarten seine heutige Größe. Zur gleichen Zeit entstanden prägende Gebäude im Umfeld: Kurz vorher wurde das Königliche Logierhaus (1830) gebaut, kurz danach entstand der Arkadenbau (1838) und das Krugmagazin (1839) . Anfang des 20. Jahrhunderts folgten schließlich Regentenbau und Wandelhalle.

Gärten als Pfund bei Unesco?

Die Bewerbergruppe reicht im Frühjahr 2019 die Nominierungsunterlagen beim Unesco-Kommittee ein. Um den Status als Weltkulturerbe zu erhalten, muss die Gruppe nachweisen, dass sie einen außergewöhnlichen universellen Wert besitzt, also etwas hat, das über nationale Grenzen hinweg wichtig ist.

"Wesentlicher Bestandteil eines Badeortes wird mit dem beginnenden 18. Jahrhundert ein Kurgarten oder Kurpark", schreibt Birgitta Ringbeck im Vorwort der Studie von Fred Kaspar. Die Expertin vom Auswärtigen Amt begleitet für die Bundesregierung die Great Spas of Europe-Bewerbung. Ein Kurgarten unterscheide sich von Haus- und Schlossgärten und bilde eine eigene Kategorie in der Garten- und Landschaftsarchitektur. Ringbeck bezeichnet Kurgärten als eines der Alleinstellungsmerkmale der Bewerbergruppe.

Zur Unesco-Serie

Buch Fred Kaspar: "Der Kurgarten. Ein historischer Überblick", Sonderpublikation des Stadtarchivs Bad Kissingen, Band 9, Michael Imhof Verlag, 128 Seiten, Preis: 14,95 Euro, ISBN 978-3731903703.

Serie Elf historische, europäische Kurorte bewerben sich als "Great Spas of Europe" darum, als Weltkulturerbe von der Unesco anerkannt zu werden. Die Saale-Zeitung beleuchtet einmal im Monat die Hintergründe der Bewerbung in einer redaktionellen Serie. Der nächste Beitrag widmet sich dem Thema Innovationen.