Für die Weltkulturerbe-Bewerbung Bad Kissingens spielen Gärten, Parks und Promenaden eine große Rolle. Das schätzten schon Regenten und deren Leibärzte.
Jochen Köllmer hat einen wunderschönen Weg zur Arbeit: Vorbei an der Oberen Saline zum Gradierbau und von dort weiter über die Salinenpromenade in die Innenstadt - immer entlang der Saale. Zwei Mal pro Woche joggt der Optikermeister die drei Kilometer von Hausen bis zu seinem Laden in der Grabengasse. Ansonsten fährt er bei gutem Wetter Fahrrad. Die Natur und das weitläufige Wegenetz - das alles gehört für ihn zur Stadt dazu. "Ich finde, dass die Bad Kissinger da schon stolz darauf sein können", sagt er. Die Kurlandschaft biete eine Lebensqualität, die es so in Großstädten nicht gebe. Der 54-Jährige glaubt nicht, dass er in einer Großstadt motiviert wäre, den Weg zur Arbeit mit Sport zu verbinden. "Ich genieße hier die frische Luft", sagt Köllmer.
Kurgarten, Parks und die umgebende Kurlandschaft laden nicht nur zum Spazieren ein, sondern sie spielen auch bei der Weltkulturerbe-Bewerbung der Stadt eine wichtige Rolle. "Ein besonderes Merkmal der Kurstadt ist die hohe Bedeutung, die das ,Grün' hat", sagt Bad Kissingens Unesco-Projektleiter Peter Weidisch.
Der Kurgarten als zentrale Anlage wurde 1738 von Würzburgs Hofbaumeister Balthasar Neumann (1687 - 1753) gestaltet. Er war zunächst nichts anderes als ein Freiluftsalon, also ein repräsentativer Platz für gesellschaftliche Zusammenkünfte. Die Kurgesellschaft traf sich dort zweimal täglich zum Wassertrinken, promenieren und zum Konversation treiben. Die hohen Damen und Herren tranken dort aber auch Kaffee, lasen Zeitung oder vertrieben sich die Zeit mit Spielen. "Aus dem Kurgarten heraus entwickelten sich ausgedehnte Gartenanlagen, die eine schöne, heitere Gegenwelt zu den großen Städten darstellten, die parallel dazu immer schmutziger und dreckiger wurden", erklärt der städtische Kulturreferent.
Rokoko-Park mit Kaskaden
Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Landschaft um die Stadt herum für den Kurbetrieb erschlossen. Das ist das, was heute als Kurlandschaft bezeichnet wird. In dieser Zeit lies der Würzburger Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim (1708 - 1779) das Kaskadental zwischen Saale und Klaushof als Rokoko-Anlage gestalten. "Seinsheim war ein großer Gartenliebhaber", erklärt die Historikerin Birgit Schmalz. Damit die hohen Gäste nicht gestört und die Wasserspiele und Skulpturen geschützt wurden, wurde das Tal - zumindest im Eingangsbereich am Altenburger Haus - mit Hecken eingezäunt. "Sehr zum Ärger der Hausener Hirten", sagt sie. Die haben ihre Tiere eigentlich durch das Tal getrieben.
Im 19. Jahrhundert kamen Spaziergänge bei der Kurgesellschaft in Mode. Das gebildete Bürgertum sah die Natur als etwas, in das man hineingehen und das man positiv auf sich wirken lassen konnte. Dazu ging man spazieren. In der Folge wurde ein großes Netz an Kurwegen in und um Bad Kissingen angelegt. Manche Wege verliefen entlang der Saale, andere führten auf die umliegende Anhöhen und in die Wälder. "Der Wegeunterhalt war und ist teuer. Ein ausgeprägtes Wegenetz wie in Bad Kissingen ist nur an den bedeutenden Kurorten zu finden", sagt Weidisch.
Mit den Kurwegen wurden bestehende Ausflugsziele wie Kaskadental, Wichtelhöhlen und Burgruine Botenlauben erschlossen. Es entstanden aber auch neue Rast- und Vergnügungsorte (Café Sinnberg und Forsthaus Klaushof), Gedächtnisplätze (Sisi-Denkmal) und Aussichtspunkte (Pavillon am Altenberg). "Wir haben ein Wegenetz, das bewusst konzipiert und auf die Anforderungen der Kur, auf Moden und Trends abgestimmt wurde", sagt Weidisch.
So ein Trend waren Terrain-Kurwege. Die Terrain-Kur sollte gegen Fettsucht helfen und Herz und Kreislaufsystem stärken. Ernst von Schweninger, Fürst Otto von Bismarcks Leibarzt in Bad Kissingen, war ein Verfechter der Methode und machte sie bekannt. Viele Städte klassifizierten damals bestehende Wege und wiesen sie als Terrain-Kurwege aus. "Auch Bad Kissingen hatte sich angeschlossen", weiß Birgit Schmalz. Heute tragen zehn Wege mit einer Länge von 52 Kilometern diese Bezeichnung.