Sie baute eine international tätige Firmengruppe auf, kämpfte für die Gleichstellung von Frauen im Beruf und prägte die Kissinger Gesundheitstage: Eva Maria Roer ist im Alter von 77 Jahren verstorben. Eine Stiftung soll ihr Wirken fortführen.
Der Landkreis hat eine verdiente Unternehmerin und engagierte Bürgerin verloren. Eva Maria Roer, Geschäftsführerin der international tätigen Unternehmensgruppe DT&Shop mit Sitz in Bad Bocklet, ist am Mittwoch im Alter von 77 Jahren verstorben. Vor 20 Jahren erhielt sie die Diagnose Leukämie, nun ist sie den Folgen der schweren Krankheit erlegen. Sowohl für ihre unternehmerischen Erfolge, als auch für ihren gemeinnützigen Einsatz wurde sie vielfach ausgezeichnet; unter anderem war sie Deutschlands Unternehmerin des Jahres (1990), bekam das Bundesverdienstkreuz verliehen und war Trägerin der Bayerischen Staatsmedaillen für besondere Verdienste um die bayerische Wirtschaft sowie für Verdienste um die Gesundheit und war Trägerin des Bayerischen Verdienstordens.
Hochmotiviert, durchsetzungsfähig, kreativ und ständig voller neuer Ideen. So beschreibt Josef Süß seine verstorbene Frau. "Sie war ein richtiges Stehauf-Weibchen", sagt er. Kennengelernt hat er sie 1993, als er als Präsident der Postdirektion Nürnberg die Unternehmerin besuchte und zu einer Fahrt in der Postkutsche von Bad Kissingen nach Aschach einlud. "Ich war fasziniert von ihrer Ideenvielfalt", erinnert er sich. 2006 heiratete das Paar.
Anfangs ausschließlich Mitarbeiterinnen
Eva Maria Roer kam am 19. Mai 1944 im Sudetenland in Tepitz zur Welt. Sie wuchs im Schwarzwald auf und studierte ab 1963 Volkswirtschaft in Frankfurt, Hamburg und Vancouver. In den 1970er Jahren arbeitete sie in der Beratungsfirma ihres ersten Mannes, Werner Roer, mit. Über ihren Mann kam sie nach Bad Kissingen, wo sie den Grundstein für ihre eigene Unternehmerkarriere gelegt hat.
Zahnprothesen wurden in der Zeit zur Kassenleistung, was einen regelrechten Boom im Bereich der Dentaltechnik auslöste. "Man hätte damals Zahntechniker auf Bäumen züchten können, so groß war die Nachfrage", erzählt Süß. Werner Roer wurde in die Geschäftsführung eines Bad Kissinger Dentallabors geholt. Weil Eva Maria Roer als Volkswirtin in Bad Kissingen keine Anstellung fand, aber auch nicht pendeln oder umziehen wollte, gründete sie 1978 mit einem Startkapital von 8000 Mark ihr eigenes Geschäft. Sie baute einen Versandhandel für Dentallabor-Produkte auf - etwas, das es in dem Bereich noch nicht gab. "Das war eine ganz neue Idee", sagt Süß.
An der Idee hatten viele Zeitgenossen Zweifel. Eva Maria Roer aber setzte sich durch und hatte Erfolg. Zwei Jahre nach der Gründung war aus dem Einmannbetrieb bereits eine Firma mit zehn Mitarbeiterinnen geworden. Bis heute hat sich das Unternehmen permanent vergrößert. Inzwischen ist aus dem ursprünglichen "DT Bad Kissingen" die "DT&Shop Gruppe" geworden, die weltweit 65 000 Produkte vertreibt und 250 Mitarbeiter vor allem am Standort Bad Bocklet beschäftigt. Zu der Gruppe gehören fünf Unternehmen, sowie elf Tochtergesellschaften.
Sowohl ehrenamtlich als auch beruflich setzte sich Eva Maria Roer für Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern ein. "Das war ihr sehr wichtig", sagt ihr Mann. In ihrem Unternehmen stellte sie in den ersten Jahren sogar nur weibliche Mitarbeiter ein. Bis zu ihrem Tod war sie Vorsitzende des von ihr ins Leben gerufenen Vereins "Total E-Quality Deutschland". Der Verein zeichnet Unternehmen aus, die sich für Chancengerechtigkeit in ihrem Betrieb einsetzen. Eva Maria Roer engagierte sich für Wissenschaft, Gesundheit und Wirtschaft, etwa im Hochschulrat der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Coburg oder im Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland. Aus Bad Kissinger Sicht ist vor allem ihr Engagement um den Förderverein Gesundheitszentrum zu nennen. Dem Verein stand sie bis 2019 insgesamt 25 Jahre als Vorsitzende voran. Damit hat sie wesentlichen Anteil am Erfolg der Bad Kissinger Gesundheitstage. In normalen Jahren kommen fünfstellige Besucherzahlen zu der Messe in die Wandelhalle.
Trauer um die Unternehmerin
Der Tod der bekannten Unternehmerin löste eine große Bestürzung und Anteilnahme aus. "Sie hat die Gesundheitstage maßgeblich beeinflusst", sagt Elisabeth Dicht, die die Messe seit 2014 organisiert. Die Zusammenarbeit empfand sie immer als gut und konstruktiv. "Sie hatte immer einen sehr hohen Anspruch, den hatte sie auch an sich selbst", erzählt sie. Ende der 1970er Jahren als Frau ein so großes Unternehmen aufzuziehen, sieht sie als besondere Lebensleistung. "Das war früher so nicht an der Tagesordnung. Jetzt ist eine Ära zu Ende", findet Dichtl.