Jochen Zellner von der Europäischen Akademie Bayern in München erklärte, warum die EU zu unrecht einen schlechten Ruf hat und warum die bevorstehenden Wahlen so wichtig sind.
Die Europa-Wahlen im Mai werden extrem wichtige Wahlen sein, und wahrscheinlich würden die Probleme um den Brexit keinen positiven Einfluss nehmen. Die EU müsse sich stark zeigen, denn 512 Millionen Menschen sind zurzeit Bürger der EU und "etliche problematischen Staaten stehen vor unserer Tür", sagte Jochen Zellner von der Europäischen Akademie Bayern in München. Schon mehrere Male war er in den vergangenen Jahren der Einladung des Bad Kissinger Frauenrings gefolgt und hatte mit seinen fundierten Vorträgen zu aktuellen politischen Themen begeistert. So war es auch dieses Mal im Wintergarten des Burkardus Wohnparks.
Dass es viel zu klären gibt, bewiesen die zahlreichen Fragen der Zuhörerinnen, die Jochen Zellner ausführlich beantwortete - er ist ein wahrer Kenner des Europäischen Parlaments, ist oft in Brüssel vor Ort und als stellvertretender Leiter der Europäischen Akademie in München mit der Arbeit in Brüssel vertraut.
"Man hat oft das Gefühl, dass unbeliebte Politiker in die EU abgeschoben werden", sagte Frauenrings-Mitglied Uschi Schober und Jochen Zellner ergänzte mit einem Augenzwinkern und dem beliebten Satz: "Hast Du einen Opa, schick ihn nach Europa". Doch so einfach sei das nicht, betonte er, denn alle Kandidaten würden von den zuständigen EU-Kommissionen fachlich streng geprüft.
Ungarn erhält von der EU mehr als drei Milliarden Euro, weiß Barbara Thiele. Sie stellte die Frage, wie die ungarische Regierung diese Tatsachen dem Volk verschweigen könne - denn in Ungarn sei die Europa-Skepsis sehr groß. Jochen Zellner erklärte, dass Regierungschef Viktor Orbán die erfolgreiche Generierung der Fördergelder seinem eigenen geschickten Handeln zuschreibe und das gelinge ihm, weil die ungarische Opposition untereinander uneins ist.
Christa Tuchscherer sieht ein Problem darin, dass die Menschen zu wenig von den positiven Entwicklungen erfahren und Barbara Thiele stimmte ihr zu. Vor allem in Deutschland stehe das EU-Logo bei großen, von der EU unterstützten Bauvorhaben meist an unterer Stelle, das sei im Ausland oft besser platziert. Zellner vermutet, dass Kommunalpolitiker lieber die "Wohltaten" der EU als eigene Verdienste in ihrem Wahlkreis hervorheben wollen.
Deshalb legte Zellner den Gästen des Frauenrings besonders ans Herz, sich präzise zu informieren, was die EU für den Einzelnen oder die Allgemeinheit tut oder getan hat. Unter dem Stichwort "what-europe-does-for-me" könne man dies im Internet erfahren - übersichtlich geordnet nach Regionen und Themen.
"Seit 70 Jahren leben wir innerhalb der Europäischen Union in Frieden", betonte Zellner, und dass seien die wichtigsten Ziele - die Verhinderung von Kriegen und die Friedenssicherung. "Leider wird dies in der Öffentlichkeit viel zu wenig in den Vordergrund gestellt, obwohl es der größte Erfolg der EU ist."