Kein Geld mehr für den Kontakpunkt - ein Leuchtturmprojekt endet

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Zusammensitzen und miteinander sprechen - was (von links) Pastoralreferent Rainer Ziegler und die Ehrenamtlichen Jürgen Bereiter und Hildegard Schöllhorn im Gesprächsraum des Kontaktpunktes machen, passiert normal im Zweiergespräch.
Zusammensitzen und miteinander sprechen - was (von links) Pastoralreferent Rainer Ziegler und die Ehrenamtlichen Jürgen Bereiter und Hildegard Schöllhorn im Gesprächsraum des Kontaktpunktes machen, passiert normal im Zweiergespräch.
Ellen Mützel

Im Kontaktpunkt finden Menschen aus Bad Kissingen, aber auch Kurgäste einen Anker bei den Ehrenamtlichen, die einfach nur zuhören oder beraten. Nach 16 Jahren dreht die Diözese den Geldhahn zu. Was der Stadt damit verloren geht.

"Wenn es den Herrn Ziegler und den Kontaktpunkt nicht gegeben hätte, wäre ich heute tot." Das sind die Worte des Bad Kissingers Georg Grom (Name geändert). Der 74-jährige wandte sich vor ein paar Jahren an den Kontaktpunkt. Damals hatte er Depressionen, war obdachlos. Nun lebt er wieder unter einem Dach, es geht ihm besser. Pastoralreferent und seit zehn Jahren Leiter des Kontaktpunktes, Rainer Ziegler, hatte sich Zeit für Grom genommen, Gespräche geführt, ihm geholfen.

Weil der Diözese Würzburg die Miete und die Stelle des Leiters, Rainer Ziegler, zu teuer werden, schließt der Gesprächsladen zum Jahresende. "In der Diözese müssen harte Sparmaßnahmen umgesetzt werden. Außerdem wird das pastorale Personal immer knapper", heißt es von Christine Endres aus der Diözese Würzburg. Etwa 1600 Euro monatlich spart sie damit.

Anlaufstelle mitten unter den Leuten

Entstanden ist der Kontaktpunkt im Jahr 2006: in der Ludwigstraße 7, zwischen Eck-Bäck und Eiscafé Rialto. Die Idee: ein niedrigschwelliger Laden, mitten unter den Leuten. Dort können sie etwas kaufen und bei Bedarf mit qualifizierten Ehrenamtlichen oder hauptamtlichen Seelsorgerinnen oder Seelsorgern sprechen. Später kam der Umzug in die Von-Hessing-Straße 1. "Ganz wichtig war das Motto: ‚Zeit für Gespräche‘.

Die Ehrenamtlichen haben Zeit", sagt Rainer Ziegler. "Diese Verkaufsstelle haben wir auch nur, um die Menschen in den Laden zu locken. Daraus entstehen dann Gespräche. Und oft ist es so, dass die Menschen mal eine halbe Stunde bis Stunde bleiben."

Ein paar Zahlen: In den 1200 Dienststunden im Jahr gibt es etwa 1200 Kontakte (auch telefonisch), etwa 300 Gespräche vorne im Verkaufsraum und 300 Gespräche im Gesprächszimmer. Der ehrenamtliche Jürgen Bereiter und seine Kollegen hören die Probleme der Menschen an: "Wir glauben, dass allein durch das Zuhören viele Dinge für den Betroffenen schon mal leichter werden."

Mehr als nur Gespräche

Und es geht über die Gespräche hinaus. "Herr Ziegler hat mir Behördengänge geebnet, hat mir Betreuung organisiert, und dazu beigetragen, dass mein Leben wieder in geordnete Bahnen gelenkt wird", berichtet Georg Grom. Mit dem bisschen Geld aus dem Bücherverkauf kann das Personal bei Problemen auch mal eine Fahrkarte oder einen Kaffee sponsern.

Und: Der Kontaktpunkt ist ein Baustein im psychosozialen Netzwerk Bad Kissingens. Er bietet viele Infos zu Hilfsangeboten in der Stadt. Auch die Vermittlung an eine offene Sprechstunde mit einem Psychiater oder Psychologen sei möglich. Die Notfallnummern für Notfälle hängen an der Wand. "Einmal habe ich auch jemanden in mein Auto geladen und mit nach Werneck in die Klinik genommen", berichtet Ziegler.

"Es kommen schlichtweg alle"

Wer kommt in den Kontaktpunkt? "Schlichtweg alle: Es kommt der Akademiker, der psychisch kranke Arbeitslose, die alte Frau, die im Altersheim versauert", berichtet Ziegler. Die Ehrenamtlerin Hildegard Schöllhorn weiß: Es sind überwiegend ältere Leute. Welche aus Bad Kissingen, aus der Umgebung oder Kurgäste. "Wir haben auch ein paar Stammkunden, die immer kommen, die immer abgebrannt sind und immer Probleme haben. Die versuchen wir auch zu stabilisieren", sagt Ziegler.

Die Themen: Trauer, Schwierigkeiten mit den Kindern, mit Ehegatten, oder bei der Arbeit. Und Einsamkeit. Interessant ist: Die Einrichtung erreicht mit seinem Angebot genau die Gruppe, die die Kirche nicht mehr erreicht: Die 35- bis 60-Jährigen.

Wie es weitergehen soll

Wie es weitergehen soll, ist noch nicht sicher: "Auch wenn der Kontaktpunkt jetzt geschlossen wird, wird das Bistum dafür Sorge tragen, dass die Anliegen und Aufgaben in anderer Weise weitergehen", versichert Endres von der Diözese. Der Pastoralreferent überlegt mit Pfarrer Gerd Greier Lösungen.

Eine vage Idee ist ein Gesprächsraum im Gemeindezentrum. "Wir können zwar ins Pfarrhaus gehen oder ins Caritashaus, aber ich glaube, das sind zu hohe Schwellen, da gehen die Leute nicht hin und klingeln, um über ihre Probleme zu sprechen. Wir brauchen einen niederschwelligen Zugang", sagt Ziegler.

Ehrenamtliche: "Wir bedauern es sehr"

Was den Pastoralreferenten beschäftigt: "Die Kirche proklamiert immer, wir müssen diakonischer werden, in den Sozialraum hineinwirken. Das ist unsere Aufgabe von Jesus." Ihr neues Motto sei: "Mitten unter den Menschen. "Da bin ich schon sehr enttäuscht. Dass wir nicht vermitteln konnten, dass uns die Menschen brauchen."

Hildegard Schöllhorn fügt an: "Ich finde es enttäuschend, dass der Bischof auf der einen Seite das Ehrenamt so hoch lobt, und dann eine Stelle, wo 99 Prozent der Leute ehrenamtlich arbeiten, schließt, um die Miete zu sparen."

Jürgen Bereiters Botschaft: "Wir bedauern es sehr. Wir werden es vermissen. Nicht nur werden uns die Leute vermissen, sondern wir uns als Team. Das bedauern wir zutiefst, weil wir der Ansicht sind, dass etwas Wertvolles ohne wirkliche Not aufgegeben wird."