"Ein fliehendes Pferd" mit reichlich Spannung

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Das Stück "Ein fliehendes Pferd" wurde zur Premiere der neuen Saison 2012/ 2013 des Theaterringes im Kurtheater in Bad Kissingen aufgeführt (Szenenfoto). Foto: Gerhild Ahnert
Das Stück "Ein fliehendes Pferd" wurde zur Premiere der neuen Saison 2012/ 2013 des Theaterringes im Kurtheater in Bad Kissingen aufgeführt (Szenenfoto). Foto: Gerhild Ahnert

"Wie geht das aus? Was wird mit den beiden?" - Das war genau die Frage, die die Besucher zur ersten Veranstaltung des 28. Theaterrings im Kurtheater stellen konnten. Die Spannung, der sie mit ihr Ausdruck gaben, sprach auch für die dramatische Bearbeitung seiner Novelle "Ein fliehendes Pferd" durch Martin Walser und Ulrich Khuon.

Die beiden machten nicht den Fehler wie die Verfilmung, die Geschichte einfach nachzuerzählen, sondern kristallisierten aus ihr nur die bis an den Rand existentieller Bedrohung gehenden dramatischen Konflikte heraus zwischen den beiden ehemaligen Schulkameraden Helmut Halm und Klaus Buch.

Wie in einem Reagenzglas


So lässt sich der in der Novelle in einer Schlüsselszene begründete Titel des Stücks nur noch als ganz von ferne erschließbare Metapher für das Fluchtverhalten der vier Akteure interpretieren, doch konnte das Theater mal wieder zeigen, was seine größte Stärke ist. Wie in einem Reagenzglas oder auch wie Vo-yeure konnten die Zuschauer diese zwei Ehepaare beobachten und an sich selbst erfahren, wie sehr sich die Außensicht auf Menschen wandeln kann, wenn diese in neue, unerwartete Situationen gestellt werden und ihre in der Mitte des Lebens schon recht perfekt eingerichtete Schutzhülle für die Öffentlichkeit preisgeben.

Schon Telse Hands Bühnenbild, das rundum aus Segeltüchern gestaltete Ikea-Ferienzimmer der Halms in einer Pension, verweist auf den Höhepunkt des Dramas, den Segeltörn der beiden ungleichen Männer, der mit schonungsloser Offenheit freilegt, was diese vier Personen in ihrer "Lebenslüge" ganz im Sinne Ibsens zu verbergen haben.
Klaus Buch, hyperaktiver Draufgänger, berufsjugendlicher Körperfetischist und Angeber, belagert seinen ehemaligen Klassenkameraden Helmut Halm, einen von seinem ehemaligen Freund und dessen Aktionismus angefressenen, saturiert-resignierten, etwas müden Studiendirektor, Büchermenschen und Ehelangweiler, nachdem er ihn auf der Strandpromenade zufällig entdeckt hat. Auch wenn das Stück anfangs ein neckisch-erotisches Partnerwechselspielchen zu werden scheint, legt das Gespräch der beiden ebenso ungleichen Frauen die wechselseitige falsche Einschätzung und die Untiefen der Beziehungen bloß.


Besetzung und Regie


Kai Uwe Holsten konnte in der Truppe des Theaters Kontraste im "Winterhuder Fährhaus" in Hamburg die Rollen schlüssig besetzen und sorgte mit einer genauen Personenregie dafür, dass sie immer in Bewegung blieben. Frank Stieren zeigte mit ständig gerötetem Kopf und nie vernachlässigter Körperspannung die verzweifelten Bemühungen dieses vor seinem eigenen Versagen fliehenden Midlife-Crisis-Geschüttelten. Sonja Stein als Helene scheint ihm anfangs mit verdächtiger Ruhe, fast Passivität das Gewünschte zu liefern, um auszubrechen aus der Fitness-Schleife.

Anne Schieber spielte sehr schlüssig, sehr genau und überzeugend die Krisensituation der Sabine Halm von ihrer Begeisterung für den Strahlemann Klaus über ihre Angstschauder um ihren verschollenen Mann. Ole Schlosshauer gab den Helmut Halm mit bis zur absoluten Grausamkeit gegenüber seiner Kommunikation Suchenden. Am Ende müssen alle weiterleben, was zeigt, dass die klassischen Dramen es ihrem Personal leichter machten als ein solches Stück, dessen Lebensnähe mal wieder zeigte, dass Theater kein Museum ist, sondern in der Lage, heutiges Leben unter der Lupe mit großer Unmittelbarkeit zu zeigen.


Reichlich Beifall


Die Besucher beim Theaterring wussten zu würdigen, dass die Hamburger das in einem packenden Theaterabend bewiesen und holten die Akteure mit heftigem Beifall immer wieder auf die Bühne.