Ein 34-Jähriger stand wegen Handels mit Betäubungsmitteln in 107 Fällen vor Gericht. Und obwohl er geständig ist und Reue zeigt, ist er zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe und 30.000 Euro Wertersatz verurteilt.
Handel mit Betäubungsmitteln in 107 Fällen in den Jahren 2017 bis 2020 lautete der Vorwurf des Staatsanwalts. Die Sachlage war eindeutig. Schon bei den polizeilichen Vernehmungen hatte der einschlägig Vorbestrafte alles zugegeben und bestätigte dies nun auch vor dem Bad Kissinger Schöffengericht. Dennoch nutzte dem Angeklagten sein umfassendes Geständnis bei der Bemessung des Strafmaßes letztlich nur bedingt: Er wurde zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt sowie zur Zahlung eines Wertersatz von knapp 30.000 Euro und der Verfahrenskosten.
Ruhig und ausführlich beantwortete der momentan wieder Arbeit suchende 34-Jährige alle Fragen des vorsitzenden Richters. Fast schienen beide Seiten in eine gemütliche Plauderei zu verfallen. "Nehmen Sie sich ruhig Zeit, ordnen Sie Ihre Gedanken", gab sich der Richter freundlich. So berichtete der Angeklagte von seinen Geschäften mit Marihuana, Amphetaminen und Ecstasy-Tabletten. Nicht an jede Einzelheit konnte er sich erinnern. Doch einmal schuldete er seinem Lieferanten noch 1500 Euro. Prompt standen eines Tages drei ihm unbekannte Männer vor der Tür und forderten nicht nur die Schuldzahlung, sondern weitere 2000 Euro als Strafgebühr. Da der Angeklagte nicht so viel Bargeld im Haus hatte, nahmen die Männer sein Auto als Pfand. Nachdem der Schuldner wenige Tage später die geforderten 3500 Euro an die Unbekannten gezahlt hatte, erhielt er seinen Wagen zurück.
Drogen für Minderjährige
Die über hundert Tatvorwürfe wurden vor Gericht nicht im Einzelnen verhandelt, da der Angeklagte nach erfolgter Wohnungsdurchsuchung diese schon bei drei polizeilichen Vernehmungen eingestanden hatte. Auch bei der Auswertung seiner Handydaten war der 34-Jährige behilflich gewesen, wie der als Zeuge geladene Polizist bestätigte. "Die Ermittlungen erforderten großen Aufwand, aber der Angeklagte war immer sehr kooperativ. Er hat auch seine Hintermänner benannt." Manche Lieferanten und Abnehmer seien schon polizeibekannt gewesen. "Seine Angaben hatten alle Hand und Fuß", so der Polizist.
Strittig war die Frage, ob der Angeklagte seiner damals erst 13-jährigen Stieftochter auf deren Bitte hin nur einmal oder sogar zweimal Marihuana kostenlos abgegeben hatte. In den Akten standen zwei Fälle, vor Gericht versicherte der Stiefvater, es sei nur einmal gewesen, weshalb jetzt dieser zweite Tatvorwurf fallengelassen wurde. Allerdings hatte der Angeklagte in einem weiteren Fall seiner Stieftochter und ihrer ebenfalls minderjährigen Freundin Rauschgift kostenfrei überlassen.
Vor allem die Rauschgift-Abgaben an die Minderjährigen legte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer dem Angeklagten zur Last. Nach Auflistung aller Einzelstrafen fasste der Anklagevertreter diese in seinem Strafantrag in einer Gesamtstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten zusammen. Das umfassende Geständnis sei bei der Urteilsfindung zwar zu berücksichtigen, betonte er, andererseits sei der Angeklagte bereits einschlägig vorbestraft. Den zu ersetzenden Warenwert der gehandelten Betäubungsmittel bezifferte der Staatsanwalt mit knapp über 30.000 Euro.
Verteidiger fordert Bewährung
Der Verteidiger plädierte für eine Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren, die nach seiner Auffassung zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Denn nur durch die umfassenden Aussagen seines Mandanten sei es der Polizei gelungen, die anderen Händler und Käufer dingfest zu machen. Der Angeklagte habe in der Vergangenheit "viel Mist gebaut, aber kooperiert, wie es in solchen Fällen nur selten vorkommt". Er habe Reue gezeigt, die alten Kontakte abgebrochen und bemühe sich derzeit um Arbeit. "Ich habe den Eindruck, er hat gelernt."
Strafmilderung ja, Bewährung nein
Nach fast einstündiger Beratung verurteilte das Schöffengericht den Angeklagten zu der vom Staatsanwalt geforderten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie einen Wertersatz von knapp 30.000 Euro. "Bei der Bemessung des Strafmaßes haben wir von der Möglichkeit der Strafmilderung durchaus Gebrauch gemacht", stellte der Richter in seiner Urteilsbegründung fest. "Wenn Sie nicht so umfassend geständig gewesen wären, hätte das Strafmaß ganz anders ausgesehen." Nicht nur wegen dieses Strafmaßes, bei dem ohnehin Bewährung ausgeschlossen ist, sondern schon wegen der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige hätte das Gericht eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht in Betracht gezogen.