Beim Kissinger Sommer soll Fidelio aufgeführt werden - von einem Projektorchester mit Mitgliedern des Philharmonischen Orchesters des Landestheaters Coburg, studentischen Musikern und Laien.
Wäre "Fidelio" ein neu zu entwickelndes Auto, könnte die Sachstandsbeschreibung in etwa so aussehen: Die Karosserie steht im Wesentlichen, nur noch an einigen Ecken muss gefeilt werden. Für den Motor ist der Treibstoff schon festgelegt, aber er läuft noch nicht. Wer bei der Jungfernfahrt am Steuer sitzen wird, ist bereits bekannt. Nur die Frage, wer mitfahren wird, ist verhältnismäßig offen.
Nun ist aber "Fidelio" die einzige Oper von Ludwig van Beethoven, die am 20. November 1805 im Theater an der Wien ihre Uraufführung erlebte: Eine klare Sache. Könnte man aus heutiger Sicht sagen. Aber tatsächlich passt die Autobeschreibung auch auf diese Oper und ihre frühe Leidensgeschichte, denn sie war vielfachem Wandel unterworfen. Schon der Titel wechselte von "Leonore" zu "Fidelio", aus den drei Akten wurden zwei, das Libretto der ersten Fassung von Joseph Sonnleithner fiel durch und musste überarbeitet werden - später noch mehrere Male. Und es gibt vier Ouvertüren: dreimal Leonore, einmal Fidelio. Vom Dezember 1803 bis zum 23. Mai 1814, dem Tag der Uraufführung der dritten und endgültigen Fassung im Wiener Kärntnertor-Theater, war die Oper eigentlich ständig in der Werkstatt.
Erste Absprachen
Dass sie da jetzt wieder hinkommt, hat nichts mit Defekten zu tun. Die Erarbeitung und Aufführung von Beethovens Oper "Fidelio" steht - nicht ganz überraschend im Beethovenjahr - im Zentrum des Education-Projekts des Kissinger Sommers 2020. Und da muss dann schon einmal Hand angelegt werden. Den schließlich sind es ja nicht nur Profis, die an dem Projekt beteiligt sind. Und dann soll aus dem zweiaktigen, rund zweieinhalbstündigen Werk ein durchgehendes werden, das möglichst ohne Substanzverlust entsprechend gekürzt werden muss.
Jetzt trafen sich die Verantwortlichen aus allen Bereichen im östlichen Eckrisalit des Luitpoldbades zu einer ersten Absprache und Grundlegung. Auch wenn dabei erste Entscheidungen getroffen wurden, wurde den Beteiligten auch mehr oder weniger erschreckend deutlich, wie viel noch zu klären, zu entscheiden und zu organisieren ist, bis sich am 18. Juli zum ersten Mal der Vorhang im Kurtheater öffnet.
Musikalisch und dramaturgisch ist man schon etwas vorangekommen, wie der Regisseur Till Kleine-Möller und der Dirigent Johannes Klumpp erläuterten. Gespielt wird eine orchestral abgespeckte Version des Engländers Francis Griffin. Die Kürzungen werden vor allem erreicht durch das Streichen der Nebenrollen.
Auftreten - und singen - werdender Gouverneur Don Fernando, der Kerkermeister Rocco, der Gefangene Florestan und seine Frau Leonore, die sich als Fidelio ausgibt. Alle anderen werden für den Fortgang der Handlung und für den Transport des Gedankengutes nicht zwingend gebraucht.
Verschiedene Spielebenen
Aber kürzen lässt sich auch gut bei den mitunter recht langen gesprochenen Rezitativen. Das hat zur Folge, wie Kleine-Möller betonte, dass die Oper in ihren "übrig gebliebenen" Originalteilen etwas umgestellt wird, um die Dramaturgie zu schärfen und die Verständlichkeit zu bewahren. Einigkeit scheint auch darin zu bestehen, dass auf der Bühne verschiedene Spielebenen aufgebaut werden, auf denen sich nicht nur die Solisten und Chöre bewegen, sondern auf denen sich auch das Orchester verteilt. Und mit denen sich gut die Verlies-Atmosphäre gestalten lässt. Das Problem war, dass der Orchestergraben nicht zur Verfügung steht, weil die Fläche für die Auftritte benötigt wird. "Wir hätten das Orchester auf die Bühne setzen können", so Kleine-Möller, "aber wir wollten eine Konzertsituation vermeiden. "