In der kommenden Haushaltssitzung wird über die Zukunft des Theaterrings entschieden. Die Intendantin Gerhild Ahnert ist darüber wenig erfreut. Ein Blick hinter die Kulissen. Und die Antwort auf die Frage: Was kostet eigentlich eine Oper?
Gerhild Ahnert sitzt in ihrem Arbeitszimmer, flankiert von deckenhohen Bücherregalen: auf der linken Seite, bei den Dramatikern, da ist es am ordentlichsten. Da wird am meisten gelesen. "Ich habe mich schon immer für Theater interessiert", sagt Ahnert, sie ist jetzt 66 Jahre alt, pensionierte Lehrerin, die Schaubühne in Berlin ist ihr das liebste Theater, König Lear von William Shakespeare das liebste Stück.
In der vergangenen Saison hat sie es sogar in den Theaterring aufgenommen und es war, so sagt sie, total verhunzt.
Das Drama um König Lear
Seit 1990 ist sie als Intendantin für das Programm beim Theaterring zuständig, damals hatte sie noch aus 20 Stücken problemlos aussuchen können, heute sind es noch gut die Hälfte - dafür meist doppelt so teuer.
Früher, sagt sie, habe ich auch mal Stücke für 3700 Euro bekommen, heute sind es mindestens 5900 Euro. Bei den meisten Theaterstücken steht im Katalog eine acht vor dem Punkt.
20 000 Euro so hoch ist das Defizit des Theaterrings - für die Stadt ein Grund, das Kulturprojekt in der nächsten Haushaltssitzung zur Disposition zu stellen. Für Gerhild Ahnert ein Grund zum Schulterzucken. Eine Oper kostet 17 000 Euro aufwärts.
Das Defizit, sagt sie, entspricht also gerade einmal einer Aufführung.
Im vergangenen Jahr wurden die Abopreise seit langem wieder erhöht (ein Vollabo in der besten Kategorie kostet jetzt 200 Euro) - obwohl die Kosten für die Theater quasi jährlich steigen. Auf die Anfrage bei der Stadt warum die Preise erst so spät angehoben wurden, dazu war bis Redaktionsschluss keine Antwort eingegangen.
Die Aussage des Kämmerers, der Theaterring hätte eine eher
geringe Strahlkraft über Bad Kissingen hinaus, die kann Ahnert nicht so ganz nachvollziehen. "Ich weiß zum Beispiel von Heiligenfeld, dass sich Bewerber beinahe immer auch nach dem Kulturangebot in der Stadt erkundigen", sagt Ahnert.
Es ist das ewige Drama: Die Kultur und das Geld. Gespielt auf allen Bühnen und auf mehreren Ebenen.
Für den verhunzten König Lear im vergangenen Jahr "die Inszenierung hatte ein junger Regisseur übernommen", hat
Ahnert heuer dann den Figaro bekommen - nach langen Verhandlungen, zum Schnäppchenpreis wenn man so will, 10 000 Euro - rund 7000 Euro günstiger als normalerweise. Die Mozart-Oper bildete den Auftakt der aktuellen Spielzeit im September. Shakespeares Wintermärchen und das Dänische Nationalballett folgten - die Vorstellungen waren ausverkauft - für den Rest gibt es bislang noch Karten.
Es hängt von vielen Faktoren ab, sagt Ahnert, ist ein Fußballspiel an dem Abend, sind erfahrungsgemäß weniger Männer im Publikum, so oder so, das Publikum ist eher ein älteres - zum Teil in den 30 Jahren in denen es den Theaterring gibt , mitgealtert.
Vom Theater auf die Bühne
Die Arbeit beginnt bei Gerhild Ahnert mit der Auswahl der Theater.
Erst in der Region - Ein Stück von den Maßbachern, sagt sie, ist immer dabei. Auch Meiningen war jahrelang dabei - bis die neue Bühne kam und der Aufwand jetzt zu groß wäre alles an die in Bad Kissingen anzupassen. Früher, da hatten sie es meist so terminiert, dass ihre Vorstellung beim Theaterring die letzte in der Saison war - die Kulissen konnten sie dann einfach absägen und für die Bühne in Bad Kissingen passend machen.
Bis auf die Oper steht auch das Programm für die kommende Spielzeit, 2016/17, schon. Carmen soll es sein, begleitet von den Hofer Symphonikern - allein es fehlt noch ein Termin. Das ist der nächste Knackpunkt in der Programmerstellung. Die Terminvergabe. Früher hatte ein Theaterensemble weniger Stücke, dementsprechend länger waren die Spielzeiten für ein Stück, im Schnitt drei bis vier Wochen. Heute sind es teilweise nicht mal mehr 14 Tage.
"Weil sie die Schauspieler nicht mehr so lange bezahlen wollen", sagt Ahnert. Das Theatergeschäft, es ist kein leichtes.
Seit einigen Jahren haben sie die noch verbleibenden Tourneetheater zu einer Interessensgemeinschaft zusammengeschlossen (Inthega) Es gibt jetzt einen Katalog mit allen Stücken, Preisen und Spielzeiten. Mitte Oktober wird das Programm vorgestellt, wenig später beginnt Ahnert mit der Planung, für die nächste Spielzeit.
Die Stücke die sie auswählt, sind nicht unbedingt ihr persönlicher Geschmack - es ist der Geschmack des Publikums.
Der grundsätzliche Plan sieht vor: eine Oper, ein Ballett und acht Sprechtheater. Eine Mischung sollte es sein, aus antiken, klassischen und zeitgenössischen Stücken. Allein, die Antike ist so gut wie erledigt, klassische Stücke gibt es immer weniger, "das Publikum kann wohl nichts mehr damit anfangen", sagt Ahnert und: "Im
Theater sieht man immer öfter die gleichen Sachen wie im Film." Die Lehrer-Eltern Komödie Frau Müller muss weg zum Beispiel, oder Honig im Kopf, der jüngste Til-Schweiger-Streich.
Ahnert hört es am Applaus nach der Vorstellung: "Oh das gefällt ihnen nicht so" oder "Das kam jetzt richtig gut an".
Wenn es dem Publikum tatsächlich einmal nicht gefällt, so liegt das nicht unbedingt an mangelnder Kenntnis des Klientels sondern an der
Inszenierung - die ist meistens noch nicht fertig, wenn Ahnert das Theater bucht, sie muss sich auf die Company verlassen können. Das klappt nicht immer. Da gab es zum Beispiel das hessische Landestheater aus Marburg, gespielt wurde Antigone. Allerdings, das erfuhr auch Ahnert erst am Abend der Aufführung, inszeniert als Google-Übersetzung. Ahnert selbst fand es ganz lustig, wenn anstatt Hilfe dann eben F1 gesagt wurde, der Großteils des Publikums eher nicht.