Als erster der mittlerweile drei Vereine im Landkreis hat sich die Bad Kissinger Tafel im Jahr 2004 gegründet. Am kommenden Sonntag wird das mit einem Tag der Offenen Tür gefeiert.
Wenn Beate S. (Name von der Redaktion geändert) an ihren ersten Besuch bei der Bad Kissinger Tafel denkt, schießen ihr immer noch die Tränen in die Augen. "Das war ein Schritt, der so erniedrigend war", erinnert sich die dreifache Mutter an den Moment vor vier Jahren. Lange habe sie sich nach der Trennung von ihrem Mann gewehrt, überhaupt Hartz IV zu beantragen. "Ich hatte einfach Schamgefühle", sagt die 51-Jährige.
Nach ihrem Umzug in den Landkreis Bad Kissingen ging sie dann zunächst zum Jobcenter und später zur Tafel: "Es ging nicht anders, wir hatten einfach kein Geld mehr."
Beate S. ist eine von 195 Kunden der Bad Kissinger Tafel, die einen Berechtigungsschein haben. Den gibt es erst nach einer eingehenden Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch Diakonie, Rotes Kreuz oder Caritas.
Mehr als zwei Drittel der Kunden, nämlich 150, beziehen Arbeitslosengeld II, umgangssprachlich Hartz IV. Hinzu kommen Rentner und Erwerbsunfähige mit Grundsicherung. Mit jedem Einkaufsschein werden im Schnitt 1,9 Menschen versorgt, bei Beate S. sind es sogar vier, 93 Kunden sind alleinstehend, 25 alleinerziehend.
30 Stunden pro Woche im Einsatz Iris Hönig und Angela Kahle ergriffen im Jahr 2004 die Initiative und
luden Interessierte zur Gründung eines Tafel-Vereins ein. Vier Wochen vor Hammelburg und ein halbes Jahr vor Bad Brückenau entstand so die erste Tafel im Landkreis. Zu den Gründungsmitgliedern gehörte auch Ursula Bürger: "Ich habe über die
Saale-Zeitung von der Idee erfahren", erinnert sie sich. Für sie ist es nach 40 Jahren im Beruf die ideale Beschäftigung für den Ruhestand.
"Schaufenster anschauen ist nicht so mein Ding", sagt sie lachend.
Stattdessen kümmert sie sich vor allem um logistische Aufgaben: Wenn große Laster mit ganzen Paletten kommen, werden die Lebensmittel auf Bad Kissingen, Hammelburg und Bad Brückenau aufgeteilt. "Aber ich fahre auch Metzgereien und Bäckerein ab." Alles in allem komme sie so auf mindestens 30 Stunden pro Woche.
Erinnern kann sie sich auch noch an die Anfänge: Gerade einmal 37 Kunden seien bei
der Premiere gekommen. "Aber es hat sich schnell rumgesprochen", berichtet sie. Beim zweiten Termin seien es schon mehr als 100 Bedürftige gewesen.
Vor sieben Jahren stieß Hartmut Großmann zum Helfer-Team. "Ich habe mal vorbeigeschaut und bin hängen geblieben", sagt der 57-jährige Hausmann. Der ehemalige Wirtschaftsingenieur war von Anfang an von der Idee begeistert, dass bei der Tafel zum einen verhindert werde, dass so viele Lebensmittel auf den Müll
wandern, und zum anderen Bedürftigen geholfen werde.
"Während der Jahre haben sich auch die Abläufe optimiert", berichtet Großmann weiter. Am Anfang habe es noch ein "Ellbogen-System" gegeben, mittlerweile laufe es geordneter: Die Bedürftigen losen bei einem Besuch immer schon die Nummer für die folgende Woche. Auch die Ausgabe wurde geändert: Früher wurden Tüten fertig gepackt, heute wird gezielt und nach Bedarf aufgeteilt.
Auch räumlich ist die Tafel gewachsen: In Absprache mit der Stadt baute der Verein nach und nach das alte Feuerwehrhaus in der Salinenstraße aus.
Wissenswert Jubiläum Die Bad Kissinger Tafel setzt sich seit zehn Jahren dafür ein, dass bedürftige Menschen Lebensmittel erhalten. Am kommenden Sonntag, 27. April, findet deshalb ein Tag der Offenen Tür am ehemaligen Feuerwehrhaus statt.
Von 11 bis 17 Uhr können sich Interessierte über die Arbeit der Tafel informieren. Zur Eröffnung sprechen Vorsitzende Iris Hönig, OB Kay Blankenburg und der Ländervertreter der Tafeln Nordbayern, Bernhard Saurenbach. Für Musik sorgen das Rotkreuzorchester Bad Kissingen und die Flying Jazz Band.
Diskussion Das Thema Kinder- und Jugendarmut steht im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion am Dienstag, 6.
Mai, um 19 Uhr im Bad Kissinger Jugend- und Kulturzentrum, Geschwister-Scholl-Platz 4. Veranstalter sind der Kreisjugendring, die DGB-Jugend Nordbayern und die
Saale-Zeitung. Auf dem Podium sitzen Björn Wortmann vom Deutschen Gewerkschaftsbund, Rudolf Fella vom Jobcenter Bad Kissingen, Marina Schachenmayer-Wiesend von der Bad Kissinger Tafel, Siegbert Goll vom Jugendamt Bad Kissingen und Ursula Hartmann von der Caritas.
Die Moderation übernimmt Ralf Ruppert, Redakteur der Saale-Zeitung.
Statistik Im Landkreis Bad Kissingen gab es im November 2013 alleine 484 so genannte Bedarfsgemeinschaften mit Kindern unter 15 Jahren: In 274 dieser Bedarfsgemeinschaften oder Familien lebt ein Kind, in 152 sind es zwei, in 44 drei sowie in 14 vier und mehr. Somit sind mehr als 660 Kinder im Landkreis auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (umgangssprachlich Hartz IV) angewiesen.