Noch gelten die Rhön und ihre Wanderwege als nicht überlaufen. So lässt sich viel Natürliches und Ursprüngliches entdecken.
Wandern geht Thorn Plöger gerne. Weil er dabei so gut entspannen kann. "Sobald ich die ersten Käfer am Wegrand entdecke, ist mein Stress vergessen", erzählt der 50-Jährige. Plöger ist seit Februar Geschäftsführer der Rhön GmbH und somit dafür verantwortlich, den Tourismus in der Rhön strategisch neu auszurichten. Heißt: Mehr Gäste in die Region zu locken. "Am Liebsten bin ich auf dem Hochrhöner unterwegs", verrät er. Doch auch die anderen Wanderwege der Rhön - in Bayern, Thüringen und Hessen - kennt er gut. Schließlich lebt der gebürtige Lemgoer seit 2009 in der Region und ist ausgebildeter Wanderführer beim Rhönklub. "Ich weiß, dass das Wanderwegenetz in der gesamten Rhön rund 30 000 Kilometer umfasst", sagt er.
Doch wie viele Routen gibt es eigentlich? "Aktuell haben wir rund 8500", antwortet Thomas Lemke, der Hauptwegewart des Rhönklub. Allerdings wird diese Zahl in den kommenden Jahren kleiner werden. "Denn den klassischen Wanderer gibt es nicht mehr. Jeder hat heutzutage andere Bedürfnisse und Ansprüche." Demzufolge werden manche Routen nur wenig genutzt, andere dafür stärker.
Um das Angebot anzupassen, hat der Rhönklub vor zehn Jahren damit begonnen, das Wegenetz zu überarbeiten und Qualitätswege auszuweisen, erklärt Lemke. Klasse statt Masse eben. Doch was ist das Besondere daran, in der Rhön zu wandern? Für Thorn Plöger sind es mehrere Aspekte. Zum einen genießt er, dass die Wege nicht so überlaufen sind. "Es gibt super Strecken, auf denen kaum jemand unterwegs ist", sagt er.
Zum anderen ist es für Plöger die Rhön selbst, das sogenannte Land der offenen Fernen. "Es ist einzigartig, wie sich hier Wald und offene Landschaften abwechseln", gerät er regelrecht ins Schwärmen. Parallel dazu gebe es eine enorme Artenvielfalt, die er immer wieder gern aufs Neue entdecke. In anderen Regionen Bayerns wie etwa im Bayerischen Wald führten die Wanderwege häufig durch Fichtenwälder. In der Rhön hingegen mit ihren Mischwäldern gebe es das volle Programm. "Der Wald ist unser Schatz", ist der Tourismus-Fachmann überzeugt. Wer aufmerksam unterwegs ist, könne vieles entdecken - momentan sind das zahlreiche Pilze aber auch Tiere sowie seltene Blumen und ihre Blüten.
Bei all der Begeisterung ist Plöger auch Realist. "Das Drumherum fehlt", bringt er die Schwächen der Region auf den Punkt. Es mangele in erster Linie an gastronomischen Betrieben und somit an Einkehrmöglichkeiten für Wanderer. Die Hütten in der Rhön sind für ihn noch echte Geheimtipps. Der eine oder andere Wirt könne aber deutlich mehr aus seiner Hütte machen. Hauptwegewart Thomas Lemke bestätigt Plögers Einschätzung. "Es gibt Ortschaften, da gibt es nichts. Woanders öffnen die Wirtschaften erst abends, wenn keine Wanderer unterwegs sind. Und, es gibt Ecken, da ist das gastronomische Angebot top", erklärt er.
Thorn Plöger sieht auch enormen Nachholbedarf bei den Übernachtungsbetrieben. "Die Touristen bevorzugen mittlerweile kurze Aufenthalte von drei, vier Tagen", sagt er. Entsprechend müssen die Betreiber von Pensionen und Ferienwohnungen ihre Pauschalen umgestalten - weg vom klassischen Bettenwechsel am Samstag. Parallel dazu hält Plöger die Überarbeitung der Angebote für sinnvoll. "Die Protagonisten vor Ort müssen sich öffnen", ist er überzeugt.
So sollten die Betreiber von Pensionen und Ferienwohnungen Nischen finden oder sich auf bestimmte Gästegruppen spezialisieren. Als Beispiele dafür nennt er Bed-&-Bike-Pensionen, Hundehotels für Tierbesitzer oder Unterkünfte für Menschen mit Behinderung wie etwa Blinde. "Außerdem fehlen kindgerechte Angebote", weiß der Fachmann. Doch reicht das schon aus, um mehr Touristen in die Rhön zu locken?
Nein. Das weiß auch Plöger. Das Gesamtpaket müsse stimmen. Dazu zählen neben Übernachtung und Gastronomie auch Freizeitangebote und Attraktionen. "Einen eigenen Baumwipfelpfad beispielsweise braucht die Rhön nicht", ist er überzeugt. Schließlich gebe es schon vieles. Als Beispiele rund um Bad Kissingen nennt er den Naturlehrpfad in Aschach, den Weg der Baumgiganten am Klaushof, den Weg der Besinnung am Heiligenhof oder den Fischlehrpfad an der Fränkischen Saale Richtung Saline. "Vieles, was wir hier schon haben, ist aus dem Fokus geraten", meint er. Manchmal fehle auch nur die Verpackung. Da könnte beispielsweise aus dem Wandern einfach Genusswandern werden "In der Region gibt es für jeden etwas zum Genießen", sagt er - für Naturliebhaber, Fotografen oder Weinkenner beispielsweise.
Parallel dazu sieht Plöger die Kommunen der Region in der Pflicht, diese kleinen Attraktionen zu bewahren und auszubauen. "Auch würde ich mir mehr Park-&-Ride-Plätze wünschen", sagt Plöger. Und mehr öffentlichen Nahverkehr. Schließlich geht er wandern, um gut zu entspannen.