Ausgrabungen belegen, dass die Besiedlungsgeschichte weitaus älter ist als bisher angenommen. Sie reicht bis ins 6. Jahrhundert vor Christus zurück.
Die Milseburg ist ein sagenumwobener Berg in der hessischen Rhön. So erzählt beispielsweise die Sage vom Riesen Mils und dem Heiligen Gangolf die Geschichte um den "Gangolfsbrunnen". Weniger mystisch und sagenhaft geht es derzeit bei den archäologischen Ausgrabungen an der Milseburg zu. Stein für Stein wird untersucht, ob es sich um ein Relikt aus vorchristlicher keltischer Zeit handeln könnte.
Junge Frauen und Männer knien auf der Erde und sortieren voller Sorgfalt gefundenes Material. Es handelt sich um angehende Archäologen der Philipps-Universität Marburg, die seit einigen Wochen der Geschichte der Milseburg auf der Spur sind.
Dass auf der Milseburg in vorchristlicher Zeit eine keltische Anlage bestand ist seit Langem bekannt. Schon vor 100 Jahren wurde im Gebiet rund um die Milseburg geforscht. Ende des 19.
Jahrhunderts machte der Fuldaer Heimatforscher Josef Vonderau den Anfang. In den Jahren 2003 und 2004 gab es weitere Ausgrabungen, die zur Teilrekonstruktion der Befestigungsanlage am Ostwall führten.
Erneut unter der Lupe
Fuldas Stadt- und Kreisarchäologe Dr. Frank Verse wollte an diese Forschungsergebnisse anknüpfen und nahm 2014 Kontakt mit der hessischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats auf.
Thorsten Raab war sofort begeistert, die Geschichte der Milseburg erneut unter die Lupe zu nehmen. Als Kooperationspartner konnte Dr. Ulrike Söder von der Universität Marburg gewonnen werden. In den vergangenen zwei Jahren gab es mehrere Grabungseinsätze mit Archäologie-Studenten. Im Bereich der Kernanlage wurden an verschiedenen Stellen sogenannte Podien angelegt, um Stück für Stück Einblick in die Geschichte der Milseburg zu bekommen.
Ein Podium ist ein terrassierter Bereich, bei dem ein Hang so weit eingeebnet ist, dass eine oder mehrere Hütten (Wohnplätze oder Werkstätten) darauf errichten werden konnten.
Weitreichende Beziehungen
"Jede Grabung bringt neue Erkenntnisse zu Tage. Derzeit haben wir gerade mal ein Prozent der gesamten Flächen untersucht.
Ich nehme nicht an, dass wir am Ende die Geschichte der Milseburg wirklich rekonstruieren können", sagte Dr. Verse. Doch nach drei Jahren Grabungsarbeiten konnte er zumindest eine Zwischenbilanz ziehen: "Die Besiedlungsgeschichte ist weitaus älter als bisher angenommen. Bis ins 6. Jahrhundert vor Christus reicht sie zurück. Die Bewohner der Milseburg hatten weitreichende Handels- und Kulturbeziehungen." Gefunden wurde unter anderem eine Bronzefibel aus der Hallstattzeit
(frühe Eisenzeit), 150 Jahre älter als alle bisherigen Funde. Eine Seltenheit sei die zwei Zentimeter große, paukenförmige Fibel, die den Kelten dazu diente, Kleidungsstücke zusammenzuhalten. Ebenso wie die gekröpfte Nadel, die eigentlich nur aus südlicherem Raum bekannt sei. "Wir glauben, sie stammt aus Handelsbeziehungen", sagt Verse.
Genau hingeschaut
Ulrike Söder zeigt verschiedene Relikte aus
Keramik, aber auch Nägel aus Eisen oder Schmuck wurden gefunden. Es sei oft gar nicht so einfach, die Funde zu erkennen, denn der gebrannte Ton sehe auf den ersten Blick wie Stein aus. "Wir halten alles was wir finden, mehrfach in der Hand. Wir müssen genau hinschauen." Durch vorsichtiges Klopfen könne der Unterschied zwischen Stein und Keramik ausgemacht werden.
Genau unter die Lupe genommen werden auch die vielen Steine, denn auch sie können Auskunft über das
Leben der Kelten auf der Milseburg geben. Söder verweist auf einen flachen Stein, der eine deutliche Einbuchtung zeigt. "So ein Stein könnte zum Reiben von Getreide verwendet worden sein." Alles was gefunden wird, kommt in durchsichtige Tütchen, die mit dem genauen Fundort beschriftet werden.
Durch die Grabungsarbeiten und die Anlage eines Podestes seien auch interessante Einblicke in die Geländestruktur möglich geworden, erklärt die Archäologin.
"Wir haben mehrere Pfostengruben und Reste einer Feuerstelle gefunden."
Der ganze Hang war bewohnt
Selbst wenn nur ein Prozent der Milseburg erforscht sei, können über die damalige Anlage Aussagen getroffen werden. Dr. Verse erklärt: "Die Milseburg war früher dicht besiedelt, der ganz Hang war bewohnt.
Die Landschaft sah völlig anders aus, die Milseburg war entwaldet, schon von weitem war sie als besiedelter Berg wahrnehmbar mit ihrer stadtartigen Siedlung. Rauch stieg von den Dächern auf, Mauern und Gebäude waren zu sehen und eine Befestigungsanlage", zeichnet Verse ein Bild der Milseburg vor rund 2500 Jahren.
Stammesmittelpunkt
Archäologe Verse verweist auf die vielen sogenannten Podien, die auch für ein
ungeübtes Auge im Wald überall zu sehen sind. "Dort standen wohl ursprünglich Häuser, Hütten, Werkstätten oder Speichergebäude", sagt er. "Bis zu 1000 Menschen können hier gelebt haben. Die Milseburg war nach damaligen Maßstäben eine Großstadt, eine Zentralsiedlung, die das Umland kontrollierte." Verse geht davon aus, dass die Milseburg der Stammesmittelpunkt war.
Nicht bekannt sei, um welchen Stamm es sich handelte und wie er hieß, da die Kelten keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterließen. Die Ausgrabungen ergaben, dass der Beginn der Besiedlung unterhalb des Gipfelbereiches stattfand und die Erweiterungen Zug um Zug im unteren Bereich in verschiedenen Siedlungsphasen erfolgten. Was im direkten Gipfelbereich war, könne heute nicht mehr rekonstruiert werden, da zu viele Überbauungen durch die Kapelle und Milseburghütte
erfolgten. Vermutlich war es ein kultischer Platz, doch bewiesen sei es nicht.
Noch bis September will das Team im Bereich der Milseburg weiter graben. Danach sollen die gefundene Relikte untersucht und eine Bilanz gezogen werden. "Wir waren jetzt drei Jahre hier oben beschäftigt. Nun müssen wir die Funde erst einmal in Ruhe aufarbeiten", sagte Dr. Frank Verse.
Interessantes rund um die Milseburg
Frühgeschichte Mehr als acht Jahrhunderte lang herrschten die Kelten über weite Teile Europas. Sie waren Händler, Bauern, Krieger, Fürsten und Druiden. Sie schufen besondere Kunstwerke und die besten Eisenschwerter ihrer Zeit.
Man unterscheidet zwei Epochen: Die Hallstatt-Kultur um 800-400 vor Christus (frühe Eisenzeit) und die La-Tène-Kultur ab zirka 450 vor Christus (späte Eisenzeit).
Befestigt Die Milseburg hat eine Fläche von über 50 Hektar und war in der Eisenzeit zwischen 600 vor Christus bis um Christi Geburt besiedelt. Sie gilt als bedeutendste Befestigungsanlage dieser Zeit in der Rhön.
Die Bewohner der Milseburg trieben Handel bis nach Süddeutschland und Böhmen.
Führungen Am 2. September wird der "Tag der offenen Grabung" stattfinden. Führungen werden um 9, 11 und 14 Uhr angeboten. Vorgestellt wird die Grabung am Westwall. Treffpunkt ist auch hier der untere Wanderparkplatz.