Die Verkehrsverbindungen seien "nach allen Richtungen (Brückenau, Sterbfritz/Schlüchtern und Fulda) gleich gut oder schlecht". Jedoch sei die Entfernung in die Kurstadt mit zwei (!) Kilometern zu zehn, 20 oder 30 Kilometern entschieden kürzer; die Verbindungen dorthin ließen sich also leichter ausbauen.
Ins Feld geführt wurde auch der "aufstrebende Fremdenverkehr". Viele Angehörige von Kurgästen des nur durch einen schmalen Bergzug von Züntersbach getrennten Staatsbades stiegen damals schon im 650-Seelen-Ort ab.
Das Schreiben diente als Begründung für einen Beschluss, den die Züntersbacher Gemeindevertretung wenige Tage zuvor einstimmig gefasst hatte: kein freiwilliger Zusammengang mit Oberzell, Weichersbach und Schwarzenfels zu einer Gemeinde. Und auch kein Anschluss an Sterbfritz. Auch gegen die Verschmelzung der Landkreise Schlüchtern, Hanau Stadt und Gelnhausen zum "Kinzgkreis" mit Hanau als Kreissitz sprach man sich aus.
Das Züntersbacher Aufbegehren brachte zunächst eines - Aufschub. Man blieb bis 1976 selbstständig.
Uneindeutige Meinungsverhältnisse
Doch die Meinungsverhältnisse im Ort waren nicht so eindeutig, wie sie die Beschlüsse der Gemeindevertretung vermuten lassen. Besonders der SPD-Ortsverein machte gegen einen "Anschluss an Bayern" mobil.
Bei einer "Volksbefragung" sollten die Züntersbacher am 28. Oktober 1973 Farbe bekennen, ob sie lieber nach Bad Brückenau oder nach Sterbfritz anschließen wollten - und damit für oder gegen einen Verbleib im Land Hessen votieren. Das Ergebnis fiel nicht sehr eindeutig aus: 194 der gültigen Stimmen entfielen auf einen Anschluss an die Kurstadt, 145 auf einen an Schlüchtern. Leichter taten sich die Züntersbacher, ob ihr Ort selbstständig bleiben sollte: 297 waren dafür, 30 dagegen.
Doch letztendlich besaß das kleine Züntersbach gegen die "große Politik" keine Chance. Auch wenn zwischenzeitlich eine Volksabstimmung im Raum stand und ein Staatsvertrag zwischen den beiden Bundesländern Hessen und Bayern ausgearbeitet werden sollte, entschied der hessische Landtag mit der Mehrheit aus SPD und FDP, dass alles so laufen soll wie geplant: Züntersbach würde wie alle anderen umliegenden Orte in der Großgemeinde Sinntal aufgehen, mit Sterbfritz als Sitz der Verwaltung. Das sollte zum 1. Januar 1977 geschehen, was gleichzeitig das Amtsende von Hans Müller als ehrenamtlicher Bürgermeister bedeutete.
Die Gründe dafür leuchten ihm heute noch nicht ganz ein. Wahrscheinlich ging es auch darum, dass die Mottener nicht nach Hessen wollten. Auch wäre wohl die hessisch-bayerische Landesgrenze im unteren Sinntal in Bewegung gebracht worden (Burgsinn, Mittelsinn und Obersinn gehören ja zum Freistaat). Einfach zu viel Geschiebe für ein "gallisches Dorf".
Nach dem Anschluss Züntersbachs an Sinntal verließ Hans Müller frustriert die Kommunalpolitik. "Ich war es leid, weil es dann nur noch über die Parteien gegangen wäre", sagt der Mann, der sich einst für die Bürgerliche Wählergemeinschaft hatte aufstellen lassen. Später widmete er sich mehr der Arbeit, der Familie und der Ortsgemeinschaft, besonders im Sportverein und bei den Sängern.
Seine Grundüberzeugung vertritt der 84-Jährige heute wie damals: "Wir hätten nicht nur nach Bad Brückenau gewollt; wir hätten dorthin gehört." Zwar seien die Verbindungen im öffentlichen Nahverkehr nach Sterbfritz und Schlüchtern über die Jahre etwas besser geworden (wenn auch nicht gut). Auch pendeln mehr Bewohner zu Arbeitsstellen in Hessen - ein Trend, der sich schon vor der Verwaltungsreform mit der Ansiedlung von Tabbert in Mottgers und Ikas in Sterbfritz angebahnt habe.
Die Hoffnungen, vom Fremdenverkehr vor allem im benachbarten Staatsbad noch stärker zu profitieren, erfüllten sich hingegen langfristig nicht. Spätestens seit der Pflegereform 1996 sank auch das Gästeaufkommen in Züntersbach.
Doch die starken Bande nach Bad Brückenau - sie bestehen weiterhin. Inzwischen nutzen die Züntersbacher die reichlich dort vorhandenen Supermärkte. Oder gehen mehrheitlich lieber in die nahe Therme Sinnflut, als zum Baden nach Sterbfritz, Altengronau oder gar nach Fulda zu fahren.
Gefühl des Abgehängtseins
Was für Hans Müller geblieben ist, ist das Gefühl, abgehängt zu sein. Bestrebungen, hinüber ins Bayerische zu wollen, nimmt der 84-Jährige im Moment im Ort aber gar keine wahr. Man habe sich mit der Situation abgefunden.
Hermann Kötterheinrich war selbst viele Jahre Ortsvorsteher von Züntersbach. Der Sauerländer glaubt nicht, dass es seiner Wahlheimat als Bad Brückenauer Stadtteil besser ergangen wäre als in der Großgemeinde Sinntal. "Wir müssen damit leben, wie es ist." Auch andere Ortsteile hätten es schwer, ihre Anliegen an- und durchzubringen, erst recht im riesigen Main-Kinzig-Landkreis, der bis vor die Tore von Frankfurt reiche. Den drängenden Wunsch, nach Bad Brückenau und damit nach Bayern zu wechseln, spürt auch Kötterheinrich in Züntersbach nicht mehr.